Inhalt
15 Jahre nach dem Tod des Vaters und dem Verschwinden der Mutter kehren die drei Waisen Mikko, Maria und Matilda zu ihrem Familienanwesen in der bewaldeten Region Sydänmaa zurück. Sie möchten das Grundstück untersuchen und mithilfe eines eingeschalteten Immobilienmaklers mit ihrer einstigen von der Strenge des Vaters geprägten Kindheit endgültig abschließen. Dieser Schritt erweist sich schon bald als außerordentlich schwierig – so kochen die Erinnerungen der Waisen wieder hoch und in der Umgebung beginnt etwas Unheimliches ihnen aufzulauern.
Kritik
Zurück zu den Wurzeln, zurück zu den Wurzeln des Übels, doch was genau befindet sich hinter dem Übel? Bei ihrem knapp 90-minütigen Spielfilmdebüt The Knocking stricken die Regisseure Joonas Palunen und Max Seeck eine turbulente Familiengeschichte mit Krimi-, Mystery- und Horror-Elementen in den finnischen Wäldern zusammen. Auch wenn das Casting der drei nun erwachsenen Waisen zunächst irritiert, denn Matilda (Saana Koivisto, Die Schlange), die jüngste der drei, erscheint fast wie die Tochter von Mikko (Pekka Strang, Tom of Finland) und Maria (Inka Kallén, Mittsommerlust). Auf der Hinfahrt zum Anwesen wird die Ausgangslage etabliert: Passend zum Thema Wald kann Mikko seine Expertise aus dem Fachbereich der Baumkunde außerhalb des Hauses einsetzen. Doch die Verknüpfung der passenden Komponenten abgelegenes Haus, Immobilienverkauf, vergangener Mord und Naturschutz lässt schnell auf eine vorhersehbare Handlung schließen – und das dank entsprechender Exposition bereits in den ersten zehn Minuten.
Neben dem eingängigen Themen-Mix wird der Genre-Mix durch das überpräsente Sound-Design zigmal unterstrichen. Pulsierende und heranpirschende Bässe sowie Disharmonien machen sich in jeder Szene breit und das ist schade angesichts der Tatsache, dass die Drehorte kompetent gefilmt sind und ihre triste Farbgebung bereits eine hohe Aussagekraft versprüht. Der Einsatz der Farbe Rot zur Unterstreichung der umgebenden Gefahr und dem Eintauchen in die Psyche des Trios wird somit ebenfalls überflüssig. Sobald Köpfe horizontal durch das Bild schweben und die stilistischen Entscheidungen eingreifen, wird nicht nur eine falsche Balance von Bild und Ton deutlich, sondern auch ein mangelndes Vertrauen in das Bild selbst. Grusel erzwingt man im bestmöglichen Fall durch rasche, akustische Amplituden, aber ein wirkliches Unbehagen kommt nicht auf – für einen Horror-Krimi denkbar ungünstig.
In Form von mysteriösen Kräften, die in der Folklore verankert sind und der Natur beiwohnen, wird der Geschichte zudem ihre spezielle Note verliehen, die noch stärker hätte hervorgehoben werden können. Mit dem Baumharz steht ein natürliches Mittel im Wald in Hülle und Fülle parat, das im Mittelteil überschaubar eingesetzt und später durch eine plumpe Waffe ersetzt wird. Das Drehbuch hat merklich mit dem Zusammenspiel der Genres zu kämpfen und kann es nicht aufrechterhalten. Persönliche Hintergründe der Waisen werden beleuchtet, doch ist der Nutzen dieser Informationen für das Voranschreiten der Geschichte verschwindend gering, wenn die Beweggründe für den Immobilienverkauf mit absoluter Härte geahndet werden und kein Spielraum für Diskussionen besteht.
Interessante Elemente wie die Baumkunde oder ein Tattoo von detaillierten Baumringen lässt der Film ab der Hälfte fallen und hätten mit der Folklore stärker verwebt werden können. Eine Nebenfigur hält als bloßer Gedächtnisanker für die mysteriösen Kräfte her und Logiklücken klaffen in der mentalen Abwärtsspirale der Protagonist:innen auf – ausgerechnet auch beim Filmtitel. Jeglichen Restfunken an Seriosität geht aber im Abspann verloren, wenn aus dem Nichts ein unsäglicher Elektrorap-Song durch die Surround-Anlage des Kinosaals wummert und eine Mid-Credit-Szene eine Fortsetzung andeutet, mit denen die Regisseure demnächst bei den Produktionsstudios vermutlich anklopfen möchten.
Fazit
„The Knocking“ zeigt sich auf dem ersten Blick als einen solide gefilmten Horrorkrimi, dessen Handlungsverlauf durch die Themenwahl jedoch sich schnell abzeichnet und mit logischen Dellen versehen ist. Deutlich getrübt wird dieser Eindruck von zwei Aspekten der Postproduktion: dem übertriebenen Sound-Design sowie die nicht benötigte Betonung der psychischen Ebene durch die Farbe Rot. Mit dem Wald und dem Mysterium wurde eine Kulisse geschaffen, dessen Wucht und Ekel sich noch stärker im Kostümdesign hätten manifestieren können. So ist der Film mit einer entsprechenden Kraft aufgeladen, die wenig kontrolliert daherkommt und schließlich falsch verteilt worden ist.
Autor: Marco Focke