Inhalt
Während eines Bootsurlaubes gerät Scott Carey in radioaktiven Nebel. Plötzlich beginnt er zu schrumpfen: seine Kleider werden ihm zu groß und eine Puppenstube wird sein neuer Wohnsitz. Auf die Größe eines Streichholzes zusammengeschrumpft flieht er vor der Hauskatze in den Keller. Während die Welt denkt, Scott wäre tot, beginnt für ihn in seinem Mikrokosmos der Überlebenskampf gegen Wassertropfen, Abwasserströme und Ungeziefer. Ein Klassiker der phantastischen Filmes und eine wunderbare Fabel über die Bedeutung des Menschens in unserem Kosmos.
Kritik
Menschen, Monster, Mutationen…und riesige Spinnen. In der Vita von Jack Arnold („Die Maus, die brüllte“) eigentlich nur ein kleiner Teilaspekt, besonders in seiner Schaffensphase während der 50er Jahre, aber wohl der Prägendste, zumindest für seinen Legendstatus. Durch heute als Klassiker der B-Movie-Kunst geltende Werke wie „Der Schrecken vom Amazonas“ und besonders „Tarantula“ hat er sich ein Denkmal gesetzt. Schon zu ihrer Zeit an sich nur kleine Creature-Filme, mit verhältnismäßig geringen Mitteln zum Leben erweckt, die als zauberhaft-phantastische Unterhaltung ebenso funktionierten wie in ihrem sehr offenkundigen Subtext, der deutlich, aber nicht nervend mit dem mahnenden Zeigefinger Zivilisationskrankheiten anprangerte. Stets aktuell und – deshalb heute noch so relevant – leider zeitlos. Deutliche Überschneidungen finden sich bei „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“ besonders zu „Tarantula“, nicht nur wegen dem Gänsehautpotenzial für Arachnophobiker.
Dort wie hier spielt Arnold mit den Folgen radioaktiver Strahlung, dem Schreckgespenst der Menschheit nach Bekanntwerden der schockierenden Fakten und Bildern über die Bomben, die wenige Jahre zuvor den Zweiten Weltkrieg endgültig beendeten. Die Japaner verarbeiteten ihr Trauma ebenfalls in Monsterform, was den legendären „Godzilla“ erschuf. Während dort eine Metropole der Geschichte entsprechend in Schutt und Asche gelegt wurden, sozusagen alles im großen, die Gesamtheit betreffenden Rahmen abläuft, trifft es bei Arnolds fiktiven Gedankenspielchen nur eine kleine Gruppe bzw. in dem Fall nur einen einzelnen Mann. Menschen wie du und ich, den westlichen Durchschnittsbürger, der unverschuldet – ohne einen Krieg, ein von außen provoziertes Desaster -, durch das achtlose Hantieren mit Kräften, die der Mensch nie lernen wird restlos zu kontrollieren, in große Gefahr gerät. Allein dadurch gelingt ihm, und wenn es nur unterbewusst für einige Zuschauer sein mag, das Erzeugen eines Denkprozesses. We have the technology, but…what is it good for?
In seinem wohlverdienten Urlaub gerät der gutbürgerliche Scott Carey (Grant Williams, „In den Wind geschrieben“) in Kontakt mit einer ominösen Staubwolke. Nach 6 Monaten ist das Ereignis praktisch vergessen, bis ihm auffällt, dass seiner Kleidung nicht mehr optimal sitzt. Eine genaue Untersuchung bringt das erstaunliche Resultat: Mister C. schrumpft! Langsam, aber kontinuierlich. Bald misst er nur noch 90 cm, die Größe eines Kleinkindes, erlebt die Welt um ihn herum aus einer ungewohnten, vergessenen und beängstigenden Perspektive. Bald darauf lebt er in einem selbstgebauten Puppenhaus, der eigene Stubentiger wird zur bedrohlichen Bestie und das ist erst der Anfang. „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C“, ein riesengroßes Abenteuer im kleinsten Rahmen. Das gewohnte, rein formal und unter normalen Bedingungen gänzlich unspektakuläre Territorium wird zur epischen Herkulesaufgabe, zum Survival-Trip im Vorratskeller. Früher waren es wenige Schritte nach oben, jetzt ein unüberwindbares Massiv. Ein beinah utopisches Ziel, an dessen Erreichen das alles geknüpft ist. Tropfende Boiler spenden überlebensnotwendiges Wasser wie eine Oase, Streichhölzer werden zu Fackeln, Stecknadeln zu Schwertern, Spachtel zu Brücken.
Filmischer Eskapismus verlagert in den banalsten Alltag, es kommt nur auf die Proportionen an. Mr. C. erklimmt die höchsten Berge, überwindet die größten Kluften, schwimmt durch reißenden Fluten und kämpft gegen gigantische Monster. Sagenhaftes Heldenkino, für das es keine sagenumwogenden Welten braucht. Nur einen Mann am „Existenzminimum“, der für einen Brotkrumen als kostbarstes Gut bereit ist sein Leben zu riskieren. Während die Welt da draußen sich immer weiter dreht, als wäre nichts gewesen. Ein Tag wie jeder andere, für alle Menschen, nur nicht für Mr. C.. Jack Arnold gelingt damit famoses, an sich so schlichtes Geschichtenerzählen. Aus heutiger Sicht mag sein Werk manchen als kindlich verspielte Spinnerei vorkommen, was sogar nicht ganz falsch ist. Wer sich zurückerinnern kann: Wer hat als Kind sich nicht vorgestellt, welche Abenteuer und Gefahren an den Orten lauern, die wir kennen? Wie es wäre, wenn wir klitzeklein wären und was wir dadurch erleben würden? „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“ spielt das einerseits durch, andererseits ist das nicht „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“. Das ist dessen tragischer, hintergründiger Vater, ein exzellenter Klassiker, mit einer ganz einfachen, dadurch brillanten Tricktechnik. Kein Computergedöns, hier sitzt ein Mann in riesigen Requisiten, es wird mit schlichten, genau deshalb effektiven Methoden gearbeitet. Das ist das große Einmaleins der Kinoillusion, über die mal gestaunt wurde und heute verdeutlicht, wie gut und einfallsreich Filme mal waren, bevor „jeder“ das machen konnte.
„Wenn es neue radioaktive Strahlen geben würde, wenn andere Wolken über Menschen und Kontinente zögen, würden mir dann auch andere Wesen in die neue, unbekannte Welt folgen? Das unfasslich Kleine und das unfasslich Große, wie eng liegt ein beieinander?“ Ja, es ist naiv formuliert und vorgetragen, aber in seinen letzten vier Minuten ist ein Film wie „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“ auf seine ehrliche gemeinte und kluge Art wesentlich kritischer und philosophischer als das „Meisterwerk“ „Interstellar“ in drei Stunden…
Fazit
Filme, die Sie gesehen haben sollten, bevor Sie vielleicht morgen anfangen zu schrumpfen. „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C.“ ist ganz kleines, riesengroßes Kino, ein Meisterwerk, nicht nur in seinem Genre. Wer den nicht mag, kann auch keine Filme mögen, er tut nur so.
Autor: Jacko Kunze