Inhalt
Das westirische Galway ist nicht gerade für seine Partystimmung bekannt. Die raue See, die weiten flachen Wiesen sowie die stetige Kälte scheinen das einzige zu sein, was einen hier erwartet. Genau in dieser Einöde verrichtet Sergeant Gerry Boyle (Brendan Gleeson) seinen Polizeidienst. Eifer oder gar eine hektische Arbeitsweise sind ihm hierbei Fremd. Der abgebrühte wie aufgeklärte Guard ist eher an seinem täglichen Guinness, seinem Frauenbesuch aus Dublin sowie ab und an einer kleinen Prise Drogen interessiert. So oder so gibt es in den beschaulichen Landen eher weniger zu tun. Umso hektischer wird es da, als eine Leiche gefunden wird sowie sein neuer Partner spurlos von der Bildfläche verschwindet. Als dann auch noch der integere FBI Agent Wendell Everett (Don Cheadle) bezüglich eines geplanten Drogendeals auftaucht, ist es plötzlich vorbei mit der Ruhe. Schuld daran ist das Verbrechertrio Sheehy (Liam Cunningham), Clive Cornell (Mark Strong) und Liam O’Leary (David Wilmot), die Drogen im Wert von 500 Millionen US-Dollar nach Irland einschmuggeln wollen. Doch diese Rechnung haben sie ohne Boyle gemacht…
Kritik
Auch wenn der Titel sowie die Beschreibung etwas anderes vermuten lassen, bei "The Guard – Ein Ire sieht schwarz" handelt es sich keineswegs um eine klassische Buddy-Movie Geschichte à la Hollywood. Im Gegenteil, denn die schwarzhumorige wie bissige Komödie ist eine gelungene Ein-Mann-Show von Hauptdarsteller Brendan Gleeson, bei der kein Auge trocken bleibt, kein Klischee ungeschoren davon kommt und somit das Gesamtergebnis eines der Kino-Highlights des Jahres ist. Dies ist auch kein Wunder, denn Regisseur John Michael McDonagh ist, trotz Kino-Debüt, mittlerweile ein bekannter Name. Zu verdanken hat er dies seinem Bruder Martin McDonagh, der 2008 mit "Brügge sehen… und sterben?" eine der wohl ungewöhnlichsten Krimi-Komödien der letzten Jahre geschaffen hat. Schon hier ist der Ton zynisch, das Setting fantastisch sowie die Dialoge Spitzenklasse. Zu Recht zählt der Film mittlerweile als Kult und genießt unter Filmfreunden ein hohes Ansehen. Nun bekommt das Werk mit Colin Farrell eine Art Bruder, ironischer Weise, denn auch in John Michael McDonagh Krimi-Komödie, kommen wieder alle Zutaten zum Einsatz, die eine unkonventionelle Filmerfahrung der Spitzenklasse ausmachen.
Die Geschichte, die auch aus der Feder von John Michael McDonagh stammt, ist hierbei zu jeder Zeit mit einem kleinen Augenzwinkern versehen, wodurch schon fast eine regelrecht eigensinnige Parodie entsteht. Klischees des Genres werden regelmäßig thematisiert, durch den Reißwolf gezogen und mit humorvollen Anekdoten versehen. Auch spielt McDonagh gekonnt mit den Erwartungen der Zuschauer, um sie schließlich grandios wieder auseinander zu nehmen. Was folgt ist eine Rückbesinnung auf die trostlose wie traumhafte Gegend von Galway, die immer wieder für nötige Pausen zwischen der Handlung sorgt. "The Guard" ist somit ein ruhiger Film, der stets zur richtigen Zeit das richtige präsentiert, ein exzellentes Timing beweist und so besonders durch den stetigen Einsatz von Humor überzeugt. Und dieser ist in erster Linie pechschwarz, trocken sowie mit reichlich Ironie gewürzt. Ein Verkehrsunfall wird so schon mal mit dem Spruch "Ein herrlicher Tag" begrüßt, rassistische Äußerung sowie Vorurteile werden wie Spielbälle hin und her geworfen und die offenbarten Wortgefechte (besonders zwischen Boyle und Everett), sind das Beste was es seit langen auf der Leinwand zu sehen gab. Dass schlussendlich Gerry Boyle, nach einer langen Reihe von Kuriositäten, doch mit Wendell Everett das Finale beschreitet, ist dann längst nicht mehr wichtig.
Überhaupt sind es nicht unbedingt die vielen Nebenfiguren oder die Story die "The Guard" auszeichnen, sondern hauptsächlich Brendan Gleeson. Dieser liefert eine fantastische Ein-Mann-Show ab, die sofort den Zuschauer in die Geschichte zieht und so den ruppigen Sergeant Gerry Boyle mit einer Menge Sympathie bestückt. Egal ob Boyle flucht, säuft, Drogen konsumiert, provoziert oder schlichtweg in Unterhosen durch seine Wohnung läuft, seine Figur ist einfach einzigartig, ungewöhnlich und daher schlichtweg phänomenal. Der Charakter besitzt zudem eine tiefe Bindung, die durch die lockeren Sprüche sowie philosophischen Einsätze immer wieder verstärkt wird. Boyle ist nicht nur der Rüpel von Nebenan, sondern auch durchaus ein geselliger Zeitgenosse, mit dem man auch über Dostojewski sprechen kann. Dass hierbei auch seine Mutter lange Zeit eine Rolle spielt, macht das ganze Setting zusätzlich glaubwürdig und interessant. Die Bösen sind dabei ebenfalls keine blassen Abziehbilder von bestimmten Hollywood-Klischees. Keineswegs, denn das Verbrechertrio diskutiert regelmäßig über den Sinn ihrer Arbeit, versuchen sich dabei mit Nietzsche-Zitate zu übertrumpfen und treten dabei wie wahre Gentleman auf. Auch wenn Mark Strong als Brite Clive Cornell eher der unsympathische Charakter ist, der stets etwas Streit sucht (Strong ist einfach der Bösewicht überhaupt). Viel Situationskomik, gepaart mit einer gelungenen Bildsprache, ist hierbei garantiert. Alle anderen Figuren fungieren indes als Stichwortgeber für Brendan Gleeson. Seien es die teils dümmlichen Polizisten, der kleine Junge mit dem Dreirad der gerne mal auch Waffen stiehlt, der Hobbyfotograf der auf Leichen steht oder auch der bierernste FBI Agent Wendell Everett. Alles fügt sich passend zusammen und ergibt so ein stimmiges Gesamtbild.
Während sich schon "Brügge sehen… und sterben?" seinerzeit durch eine hervorragende Inszenierung auszeichnete, die gekonnt auch die belgische Stadt Brügge präsentierte, gelingt dies ohne Mühen auch Regisseur John Michael McDonagh mit dem ländlichen Gebiet rund um Galway. Die Kulissen werden perfekt eingefangen, dienen als Stilmittel und untermalen die zynische wie bitterböse Stimmung von "The Guard" passend. Und wenn schließlich Cowboymusik zum schießwütigen Finale an einem alten Anleger läuft, dann ist dies ein Kinoerlebnis der besonderen Art. Galgenhumor hierbei inklusive. Überhaupt ist das Finale, so plötzlich dies auch kommen mag, konsequent, witzig, überzeichnet und somit wahrhaft gelungen. Einzige kleinere Gags, die nicht zur rechten Zeit zünden wollen, trüben ab und an das Bild, was schlussendlich jedoch aufgrund der hohen Gagdichte, nicht weiter stark ins Gewicht fällt.
Fazit
Wer schon bei "Brügge sehen... und sterben?" herzhaft über die zynische bitterböse Stimmung lachen konnte sowie die geistreichen Dialoge als fesselnd empfand, wird sich bei "The Guard - Ein Ire sieht schwarz" sofort heimisch fühlen. Sergeant Gerry Boyle, hervorragend gespielt von Brendan Gleeson, ist ein fantastischer Charakter, der trotz oder gerade wegen seinen reichlichen Fehlern, für eine stimmige Atmosphäre sorgt, bei der kein Auge trocken bleibt. Schwarz, humorvoll, voller interessanter Ideen und somit ganz klar einer der besten Filme des Jahres.
Autor: Thomas Repenning