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Seit Putins Regierung die Pressefreiheit in Russland beschränkt hat, wird Kritik ungern gehört, und doch gibt es überall im Land Abgehängte und Unzufriedene, regionale Bürgerinitiativen und allgemein Desillusionierte, die ihren konkreten Hilfegesuchen, ihrer Wut und ihrer Verzweiflung Gehör verschaffen wollen, und die sich deshalb an den Präsidenten wenden.
Kritik
Eigentlich verdient Andrey Gryazevs gleichgültige Sammlung amateurhafter Handy- und Dahscam-Clips, die sich gar in eine Reihe mit Platonov stellt, keine ausführliche Kritik. Die passende Reaktion wäre höchstens ein in miesester Qualität aufgenommenes YouTube-Video, wo man dem selbsternannten Regisseur mit einer Mischung aus Händeringen und Schimpftirade die eigene Enttäuschung mitteilt und nahelegt, doch in Zukunft entweder vernünftige Filme zu produzieren oder wenigsten nicht mehr für die Berlinal. Die präsentiert rätselhafterweise sein pseudopolitisches Plädoyer-Panoptikum.
Selbige kennzeichnet ein vermutlich als inszenatorische Handschrift ausgelegter Minimalismus. Minimale Bildqualität, minimale Tonqualität, minimaler Kontext, minimaler Schnittaufwand, minimale Ambition. Letzte beschränkt sich augenscheinlich auf die Teilnahme an dem ein oder anderen Filmfestival, denn nur anlässlich solcher fabriziert Gryazev eine seiner kruden Kompilationen. Die jüngste unterbietet den bisherigen Standard an Faulheit und Gleichgültigkeit - ironischerweise ausgerechnet die Eigenschaften, über die sich in den an diverse Politiker, vom Lokalbürgermeistern bis zu Putin, gerichteten Videoausschnitten Russlands Bürger_innen beklagen.
Die Anliegen reichen von kuriosen Beschwerden bis zu berechtigter Verzweiflung über katastrophale, bisweilen groteske Zustände, darunter die titelgebende Baugrube. Ihre Reihenfolge ist wahllos, einziger gemeinsamer Nenner das Bedienen abfälliger westlicher Vorurteile über Russland als rückständig, bäuerisch, korrupt und kriminell. Jeder soziale oder politische Impetus dieser programmatischen Vorführung ist Behauptung. Menschen, die großteils in Not und alle verzweifelt sind, werden lächerlich gemacht. Gut vorstellbar, dass viele von ihrem zweifelhaften Ruhm nichtmal wissen. Wohl wahr, üble Zustände.
Fazit
In einer kunstlosen Demonstration inszenatorischer Faulheit vermischt Andrey Gryazev eine Reihe russischer YouTube-Videos zu einem strukturlosen Beschwerdekatalog, der unverhohlen auf den Voyeurismus des Publikums spekuliert. Mit höhnischem Unterton platziert die primitive Mixtur möglichst stereotype Wutbürger neben resignierten Opfern wuchernder Korruption und behördlicher Inkompetenz. Hilflosigkeit und Elend werden zur Schau gestellt, bis die Langfilmmarke erreicht ist und damit die Einreichung beim Berlinale Panorama. Vor acht Jahren schaffte es "Zavtra" nur ins Forum. Nächste Station: Wettbewerb.
Autor: Lida Bach