Ein Jahr bevor Roman Polanski mit Rosemaries Baby der große Durchbruch in den USA gelang, drehte er mit Tanz der Vampire einen seiner kommerziell erfolgreichsten Filme, der die Kritik nicht unbedingt spaltete, jedoch seinerzeit wie z.T. auch heute noch als verhältnismäßig triviale Kost herunter gespielt wurde und wird. So was liegt natürlich immer ein Stück weit im Auge des Betrachters und eins dürfte unbestritten sein: Es ist niemals Polanskis anspruchsvollster oder gar wichtigster Film. Dafür hat der Mann einfach zu Großes, zu Wichtiges geschaffen. Aber ist es nicht auch ein Beweis für Genialität, wenn man mit mehreren Stilrichtungen, ernster und leichterer Kost etwas anzufangen weiß? Und besonders, dieses vermeidlich Einfache dann doch mit etwas Besonderem zu versehen, dass es unverwechselbar und immer wieder faszinierend macht, verzaubern lässt. Nicht umsonst gilt die Komödie unter seriösen Filmschaffenden als eine der schwierigsten Herausforderungen, auch da es wohl kaum ein Genre gibt, dessen Qualitätsbeurteilung einer subjektiveren Wahrnehmung unterliegt.
Humor ist wenn man trotzdem lacht, oder vielleicht auch gar nicht. Dem einen zu subtil, dem anderen zu banal. Wenn es um weit mehr geht als um lustig oder nicht, wird es plötzlich richtig interessant. Lässt einer Komödie deutlich mehr Profil zuteilwerden, als man ihr eventuell unterstellen mag. Bevor hier jetzt die potenziellen Leser sich im falschen Special wegen: Nein, es geht immer noch um den MOVIEBREAK HORROCTOBER und ja, Tanz der Vampire sticht aus der sonstigen Auswahl für die Aktion sicherlich heraus. Ganz akribisch betrachtete müsste er hier vielleicht nicht unbedingt auftauchen, da man unter einem typischen Horrorfilm eher etwas anderes versteht. Obwohl natürlich eine Parodie auf das Genre macht(e) er sich dennoch für dieses verdient und verdient es gleichwohl immer, sich mit ihm auch nach fast (unglaublichen) 50 Jahren noch ausführlich zu beschäftigen. Nichts könnte geringere Zeitverschwendung sein. Denn wer das klassische Gruselkino liebt – insbesondere natürlich den Vampirfilm – kann unmöglich verkennen, wie respektvoll, ehrfürchtig und gleichzeitig schlitzohrig, frisch und individuell Roman Polanski keine reine Verballhornung auf es dreht. Damals ein wenig rebellisch, auch heute nicht nur nostalgisch und zeitlos betrachtet einfach wunderschön.
In einigen, gar nicht mal so wenigen Momenten könnte Tanz der Vampire mühelos als „echter“ Beitrag des Genres funktionieren. Mit der denkwürdigen Musik von Krzysztof Komeda eigeläutet muss sich die Stimmung gar nicht erst großartig entwickeln, sie ist sofort auf dem Punkt. Mittendrin ist man in den verschneiten Südkarpaten, durch die sich in dunkler Nacht, unter Wolfsgeheul und bei eisigem Wind der Schlitten mit dem akut etwas steifen Professor Abronsius (einmalig: Jack MacGowran; Der Exorzist) und seinem hasenfüßigen, einzigen Schüler Alfred (Polanski himself, optisch wie gerade mal so der Pubertät entwachsen) kämpft. Auf dem Weg zu einem entlegenen Gasthof, dessen Hausherr Shagal (grandiose, physische Komik: Alfie Bass; Duell am Steuer) nicht damit herausrücken will, warum er durch intensiven Knoblaucheinsatz versucht sich, seine bildhübsche Tochter Sarah (Polanskis spätere Frau Sharon Tate, Das Tal der Puppen, deren tragisches Schicksal wohl nicht weiter erwähnt werden muss) und – mehr so nebenbei – auch seine massive, rustikale Ehefrau zu schützen. Muss er auch nicht, denn der oft zerstreute, gelegentlich leicht abzulenkende, schon leicht senil-tiefenentspannt wirkende und trotzdem immer im richtigen Moment messerscharf-wache Abronsius ist nicht zum Urlaubmachen hier…obwohl es manchmal bald den Eindruck erweckt.
Anhand dessen lässt sich ideal die gesamte Wirkung des Films kurz beschreiben: Tanz der Vampire ist kein Faxenmacher, der ein Genre nur auf hohe Gag-Schlagzahl getrimmt schlampig durch den Kakao zieht sondern versteht, dass eine gute (Film)-Parodie nur auf hervorragendem Verständnis und dem Respekt vor den Vorbildern eine echte Basis für eigene Klasse errichten kann. Polanski macht gleichzeitig einen der besten Vampirfilme dieser Tage, um ihn und seine Klischees, Standards im nächsten Moment zu karikieren. Und dann wieder den Weg zurück in die Spur zu finden. Er reiht nicht Slapstick an Slapstick, übersättigt und vergrault damit nicht. Sorgt immer wieder für Highlights, auf verschiedenen Humorebenen. Mal physisch, mal situationsbedingt, mal durch Skriptzeilen (leider wird in der deutschen Vertonung einiges wegsynchronisiert. Stichwort: Warum ein Kruzifix angeblich nur bei „den alten Vampiren“ funktioniert…), alles dabei immer fantastisch getimt. Und, man kann es gar nicht oft genug erwähnen, niemals lieblos, zweckdienlich verscheuert. Der hier auftretende Fürst der Finsternis Graf Krolock (Ferdy Mayne; Conan der Zerstörer) soll eindeutig an Christopher Lee (Dracula) erinnern, ohne ihn zu verhöhnen.
Der Antagonist ist ähnlich majestätisch und wird nicht zur Witzfigur. Selbst wenn eine Figur danach schreit, wie des Grafens nur noch lauwarme Sohn, wird sie stattdessen mit einer der besten Szenen des Films beschenkt („Wollen wir einen Engel durchs Zimmer gehen lassen?“). Einfachen Verlockungen unterliegt Polanski nie, inszeniert sein Werk nicht weniger aufwändig und detailversessen als ambitionierte Trophäenjäger, wenn nicht sogar besser, unverkrampfter. Macht seine Späßchen, nur nicht auf Kosten seiner Qualität und hält das Publikum nicht für zu stumpf, dass es ihm egal wäre. Keine Lachnummer, eine wahre Bereicherung für den Vampirfilm. Wenn es Tanz der Vampire überhaupt nötig hätte, mit seinem Finale setzt er sich ganz locker an die Spitze der Horrorkomödien und gräbt sich ganz tief in die Filmgeschichte ein. Die Schlussminuten sind eigentlich wesentlich nachhaltiger, denkwürdiger und – ja, tatsächlich – sogar verstörender, als viele „echte“ Gruselfilme seiner Dekade. Wer das schafft, bekommt die goldenen Fangzähne auf Lebenszeit.