Inhalt
Der Film erzählt den Lebensweg von Tammy Faye Bakker, die gemeinsam mit ihrem Mann Jim zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten des Televangelismus in den USA wurde, bis zahlreiche Skandale ihr über Jahre aufgebautes Lebenswerk ins Wanken bringen.
Kritik
Jedes Jahr das gleiche: die Oscar-Season ist Biopic-Season. Verwunderlich ist es nicht, schließlich ist diese Filmgattung traditionell eine sichere Bank, zumindest für zahlreiche Nominierungen. Die Rechnung in Sachen Masse ging bei The Eyes of Tammy Faye zwar nicht auf, dafür betrug die Trefferquote bei der Ausbeute makellose 100%. Zwei Nominierungen, zwei Goldjungen. Natürlich in den beiden Lieblings-Kategorien für Biopics: Make-up & Frisuren und bei den Darsteller*innen. Diesmal durfte sich Jessica Chastain (The 355) für die Titelrolle ihren ersten und für einige schon längst überfälligen Academy Award abholen. Alles schön und gut, aber warum ging der Film denn in allen anderen Kategorien sogar bei den Nominierungen leer aus? Die Antwort darauf ist leider so eindeutig, wie zumindest einer der beiden Preise paradoxerweise ziemlich fragwürdig.
Tammy Faye Messner stammte aus einfachen Verhältnissen und wurde schon als Kind auf einen streng konservativen, christlichen Lebensweg geprägt. Bei ihrem Studium lernt sie Anfang der 60er Jahre Jim Bakker (Andrew Garfield, Silence) kennen. Beide schmeißen das College, heiraten und ziehen zunächst als Wanderprediger durch das Land, bis sie die Chance erhalten mit ihrer eigenen Fernsehshow Millionen Haushalte zu erreichen. Die beiden werden zu wahren Superstars und gründen sogar ihren eigenen Themenpark, doch mit dem Erfolg kommen über die Jahre auch die Schattenseiten des Business auf. Die naive Idealistin Tammy muss feststellen, dass es in dem letztlich doch knallharten Geschäft des Televangelismus Nächstenliebe nicht immer an erster Stelle steht und auch ihr Mann Jim kann mit der Zeit dem Reiz von Geld und Ruhm immer weniger widerstehen. Beiden entfremden sich immer mehr voneinander, bis einige handfeste Skandale für den endgültigen Kollaps des Imperiums sorgen.
Wie im Eiltempo rauscht Regisseur Michael Showalter (The Big Sick) durch das Leben seiner Protagonistin, ohne mal für einen längeren Zeitraum irgendwo zu verweilen und sich lieber einem ausgewählten Abschnitt ausführlicher und kleinschrittiger zu widmen. So erliegt er einem der klassischen Biopic-Problematiken, möglichst viel erzählen zu wollen, anstatt sich auf bestimmte, exemplarische Momente zu konzentrieren. Das ist besonders dann immer schade, wenn das dargestellte Leben doch so viele spannende Facetten und auch Rahmenbedingungen mit sich bringt, über die man sehr gerne viel mehr erfahren würde. Der Film verpasst es beispielsweise fahrlässig, die doppelmoralische, scheinheilige und zutiefst diskussionswürdige Welt des Televangelismus und die dort alltäglich praktizierten Methoden genauer und kritischer zu durchleuchten. Klar, hier wird am Rande schon mal angedeutet, dass nicht alles rein aus christlicher Nächstenliebe geschieht und welch erzkonservatives, sexistisches, homophobes und heuchlerisches Weltbild dort überwiegend den Ton angibt, es erscheint hier aber mehr wie unschöne Einzelfälle, auf die im Detail nicht näher eingegangen wird. Schwarze Schafe gibt es eben überall.
Genauso unreflektiert und praktisch nicht ambivalent wird auch die Hauptfigur präsentiert, die hier eindeutig in die Rolle des herzensguten Opfers zu Teil wird, das eigentlich doch nur Gutes tun will und gar nicht merkt, was da hinter ihrem Rücken (oder direkt vor der Nase) für unsaubere Dinge geschehen. Das ist schon sehr gutgläubig und naiv in seiner gesamten Präsentation und beim besten Willen so nicht glaubwürdig. Jessica Chastain müht sich dabei sichtlich und allein dafür mag ihr der Oscar irgendwie gegönnt sein, aber wofür gab es dann gleich nochmal den anderen Preis? Für das beste, oder nur das meiste Make-up? Das ist ja beinah grotesk! Wenn bald der angekündigte Play-Doh Film vor der Tür steht, so ähnlich könnte das aussehen. Oder Barbie & Ken im Bibelcamp. Manchmal wirken die Darsteller*innen, als hätten sie Mumms oder wäre in Wachs getaucht, so das ihre Mimik zum Teil skurrile Züge annimmt. Muss das denn sein?
Man könnte auch einfach die Rollen mit mehreren Darsteller*innen besetzen, anstatt sie auf Teufel komm raus in über 35 Jahren nur von einer Person spielen zu lassen. Bei Chastain ist es sogar noch nicht ganz so schlimm, der nimmt man das trotz der heillos übertriebenen Masken-Parade noch halbwegs ab. Aber bei Andrew Garfield funktioniert das sehr schnell überhaupt nicht mehr. Wie es dafür ernsthaft eine Auszeichnung geben konnte, ist völlig rätselhaft. Sicherlich ist da hier Betriebene ein Mordsaufwand, aber lässt das Ganze manchmal bald surreal bis albern wirken und nimmt auch den an sich guten Darsteller*innen viel von ihren dargebotenen Leistungen. Von daher müsste man auch Jessica Chastain’s Auszeichnung etwas in Frage stellen, aber sie kann dafür nun wirklich am wenigsten. Vielleicht hat sie ihn gerade deshalb verdient, da sie trotz dieser Karnevalsveranstaltung noch zu überzeugen weiß.
Fazit
Am Ende ist „The Eyes of Tammy Faye“ nicht mehr als ein inhaltlich sehr substanzloses, aussageschwaches Biopic im Hauruckverfahren, das die Chance verpasst sich wirklich kritisch und ernsthaft mit der hier nicht wirklich hinterfragten, sonderbaren bis sogar gefährlichen Welten des Televangelismus auseinanderzusetzen und lieber seine Hauptfigur als ausgenutztes, herzensgutes Goldeselchen präsentiert, welches frei von allen kapitalistischen Gedanken den Menschen doch nur christliche Liebe und Barmherzigkeit nahbringen wollte. Amen.
Autor: Jacko Kunze