Inhalt
Eine Frau versucht zusammen mit ihrem Neugeborenen den Weg nach Hause zu finden, während eine Umweltkrise London in Überschwemmungen stürzt.
Kritik
Dass Mahalia Belos Leinwand-Debüt trotz seines parabolischen Potenzials letztlich enttäuscht - wenn auch auf schauspielerisch und stilistisch hohem Niveau - liegt weniger an der irreführenden Vermarktung des Familiendramas als Survival-Thriller als an dessen ideologischer Ignoranz im Umgang mit den metaphorischen Motiven. Jene sind ebenso zeitaktuell wie zwiespältig. Die das London der nahen Zukunft heimsuchende Flutkatastrophe kann Folge des Klimawandels sein, aber auch biblisches Gleichnis. Die namenlose Protagonistin (Jodie Comer, The Bikeriders) feministischer Archetyp, aber auch Repräsentantin der konservativen Kernfamilie.
Deren Desintegration erscheint dramatischer als die Apokalypse. Jene sickert mit der bizarren Beiläufigkeit eines Wasserschadens in das Vorstadt-Idyll der hochschwangeren Hauptfigur, bei der parallel das Fruchtwasser bricht. Wenig später verlässt ihr mit der neuen Verantwortung überforderter Partner R (Joel Fry, The Queen Mary) die junge Mutter, die erst in einem Auffanglager ein Zuhause sucht, dann bei einer Kommune auf einer Insel. Die elliptische Handlung ist voll von derlei Gleichnissen, die Risse im mittelständischen Mikrokosmos buchstäblich zum Weltuntergang erheben.
Umgekehrt übergehen die Regisseurin und Drehbuchautorin Alice Birch (Das Wunder) das Schicksal der restlichen Erdbevölkerung mit einer Gleichgültigkeit, die nicht nur Dramatik und Spannung untergräbt. Der Mangel (selbst)kritischer Reflexion sagt mehr aus als die Megan Hunters gleichnamigem Roman entnommene Story. Darin haben im doppelten Sinn nur weiße, straighte, bürgerliche Familienmenschen eine Daseinsberechtigung, deren vermeintlichen Vorrang vor anderen Leben(smodellen) dialogisch und dramatisch unterstrichen wird. Das Endzeit-Szenario dient lediglich der dramatischen Dekoration einer im Grunde banalen Beziehungskrise.
Fazit
Jodie Comers einfühlsame Darstellung einer jungen Mutter im Zwiespalt von emotionaler Einsamkeit und Existenzkampf und stimmungsvolle Kamerabilder von dystopischer Düsterkeit sind die tragenden Kräfte Mahalia Belos ambivalenten Familiendramas. Dessen feministisches Framing tarnt eine konservative Dialektik, die das Überleben traditioneller Kernfamilien als Fundament, Zweck und einzige Hoffnung des Fortbestands der Menschheit darstellt. Individualität ist entweder Charakterschwäche oder unfreiwillig wie die der prototypischen Protagonistin, deren emotionale Abhängigkeit von ihrem Partner die introvertierte Inszenierung zu schicksalhafter Bestimmung überhöht.
Autor: Lida Bach