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Rey Ciso war einst der berühmteste Film-Cutter der Welt, verlor jedoch vier seiner Finger und fast seinen Verstand. Nun arbeitet er für billige Produktionen und wird in einen Serienkillerfall am Set verstrickt, bei dem der Mörder seinen Opfern vier Finger abtrennt…
Kritik
„Wie sie den Film mit ihren Holzfingern schneiden und für ihre Kunst derart leiden. Sie sind wie Van Gogh…mit seinem Holzohr.“
Giallo-Fans leben notgedrungen in der Vergangenheit. Das einst so exzessiv ausgelebte Sub-Genre verschwand in völliger Vergessenheit, auch da die letzten verbliebenen Größen wie Dario Argento (Profondo Rosso – Die Farbe des Todes) nur noch alte, verblichene Schatten ihrer selbst sind und dem Ruhm vergangener Tage verzweifelt hinterherhecheln. Es gab und gibt immer mal wieder vereinzelte Versuche der Reanimation, spärlich gesät und selten von Erfolg gekrönt. Selbst großartige Neo-Gialli wie Anatomie des Grauens a.k.a Eyes of Crystal (2004) wurden zu Eintagsfliegen, sonst gab es hier und da mal eine Hommage oder schreckliche Low-Budget-Heuler. Der letzte, wirklich gute Neo-Giallo war wohl ausgerechnet die deutsche Independet-Produktion Masks, auf den niemand im Vorfeld auch nur einen Pfifferling gesetzt hätte. Und da wären wir auch schon bei The Editor, einem Werk des berüchtigten Astron-6 Kollektivs. Entsprungen aus dem Schoß ihres Ziehvaters, TROMA-Gott Lloyd Kaufman, flügge geworden um den filmischen Guerilla-Wahnsinn in der Welt zu verbreiten. Und ausgerechnet dieser Quatsch ist für Giallo-Freunde der Film, den sie nicht auslassen sollten, während Gurken wie Symphony in Blood Red oder Francesca selbst von Argento noch gehypt werden, was nur noch mehr für die Unzurechnungsfähigkeit des ehemaligen Meisters spricht.
„Hast du denn überhaupt schon mal einen Film von Einstein gesehen?“
Gegenfrage: Schon mal einen Film von Astron-6 gesehen…pardon, erlebt? Hier in erster Linie vertreten durch Adam Brooks und Matthew Kennedy. Regisseure, Autoren und Hauptdarsteller in Personalunion, wie schon bei ihrem geschmacklosen, blasphemischen Rape & Revenge-, Serienkiller-, What-Ever-Bullshit Father’s Day, der alle Regeln des guten Geschmacks sprengte und Unterhaltungs-Niveau ganz exklusiv interpretierte. Auch The Editor erfordert ein gewisses Zugeständnis an ihre Art des Filmemachens, dass nicht jedermanns Sache sein kann und will, sich hier sogar ganz speziell an Kenner des Giallo oder des italienischen Genre-Kinos der 70er richtet und dessen Besonderheiten mit dem Mut zur sonst unausgesprochenen Wahrheit genussvoll durch den Kakao zieht. Auf die Spitze treibt. Immer dann, wenn im Giallo etwas mit dem benötigten Kopfnicken als gegeben abgesegnet wird, bohrt The Editor ohne falsche Subtilität einfach nach und entlarvt dadurch das Genre als eine Anhäufung von Ungereimtheiten, Klischees und eigentlich sogar schlimmen Gender-Mustern, die überspitzt, gebrochen und sogar der Lächerlichkeit preisgegeben werden…und trotzdem ist dieser Giallo-Spoof wesentlich besser als all diese Möchtegern-Lobpreisungen, die sich ihrer Dummheit nicht mal bewusst sind.
Angesiedelt (vermutlich) im Italien der 70er wird der Cutter Ray Ciso (Adam Brooks) – der während der Arbeiten zu dem längsten Film der Welt dem Wahnsinn verfiel und sich vier Finger amputierte – zum Hauptverdächtigen einer Mordserie am Filmset eines billigen Giallo. Dessen Hauptdarsteller sterben wie die Fliegen, aber zum Glück kann ein guter Editor alles wieder zurecht schneiden und ob nun jemand nicht die Landessprache spricht oder generell überhaupt nicht so aussieht wie sein Double, fuck off, Hauptsache der Film ist im Kasten oder wenigstens in diesem kleinen, schwarzen Ding, was man so schwer aufbekommt (-„Ich habe es endlich aus dem Kästchen gekriegt, ist aber schwarz.“ –„Mein Videoband!!!“). Damals trug Frau das Fell noch stolz im Schritt, der Mann auf der Oberlippe, wie Kommissar Porfiry (Matthew Kennedy). Auch sonst ein Verfechter männlicher Gepflogenheiten („Das sie ihre Frau nicht zur Gesinnung bringen! Diesmal habe ich es noch für sie gemacht, weil sie mir leidtun. Das nächste Mal schlage ich ihnen ins Gesicht. Ein Mann schlägt einen Mann, stellen sie sich das mal vor…“), insgeheim aber unter dem strengen Machismo ein sensibler Bruder, der sich nach einem strammen… Schnurrbart? …verzehrt.
Offensiv bis zum Anschlag und dem Mut zum anarchischen Blödsinn, dabei oftmals sogar subversiv und gar clever parodiert The Editor auf die unnachahmlich direkte Eat-This-Art der kanadischen Karacho-Geeks das Giallo-Genre, zerlegt es in seinen Schwächen drastisch und liefert gleichzeitig einen verspielten Kniefall. Fans werden nicht ausgelacht, sie erwischen sich eher beim Mitlachen und erkennen selbst bei diesem Low-Budget-Film handwerkliche Qualitäten, die ernst gemeinte Anwärter oft vermissen lassen. Auch die FSK lacht mit und winkt den teilweise zünftigen Spaß mit einer 16er-Freigabe durch, dafür bekommen alle ein Eis. So doof, so billig dieser Film anmuten mag, er ist es nicht (also zumindest nicht doof). Jeder Gag fußt auf einer Grundlage, es wird nur einfach da weitergemacht, wo ein Vorbild aufhören sollte, bevor es lächerlich werden könnte. Und ja, gerne auch darüber, aber dafür ist Satire schließlich gemacht. Die nackte Kanone für Bava, Argento und besonders gezielt auch Fulci, herrlich hemmungslos, grob und mit einer teilweise so überraschenden Treffsicherheit, beachtlich. Denn nichts von dem hier Gezeigten und Übertriebenen wäre in einem Giallo undenkbar. Es war sogar das täglich Brot, nur wurde es selten bis nie so brutal hinterfragt.
Fazit
Auf den ersten Blick billiger, infantiler Unsinn ist The Editor eine erstaunlich geschmeidige, ironische aber natürlich auch brachiale Genre-Parodie- wie Hommage, die ihre wahren Qualitäten nur bei entsprechender Vorbildung komplett entfalten kann. Wer noch nie einen Giallo gesehen hat oder das Genre generell dämlich findet, wird den Reiz dieser absurden Groteske kaum verstehen. Für die Randgruppe zum Teil ein Fest. Zum Teil, aber dann mit Wucht.
Autor: Jacko Kunze