Inhalt
Ein Jahr, nachdem die Existenz des Jenseits wissenschaftlich verifiziert wurde, haben Millionen Menschen auf der ganzen Welt ihr eigenes Leben beendet, um dort hin zu kommen. Ein Mann und eine Frau verlieben sich, während sie sich mit ihren tragischen Vergangenheiten und der wahren Natur dieses Jenseits auseinandersetzen.
Kritik
Was geschieht mit uns, wenn wir sterben? Schon seit Anbeginn der Zeit bereitet diese Frage den Menschen Kopfzerbrechen, denn auch wenn klar feststeht, dass der Körper nach dem Tod langsam zu Staub zerfällt, weiß der Lebende hingegen nicht, was mit dem passiert, das wahlweise Geist, Seele oder Bewusstsein genannt wird. Ganze Religionen wurden gegründet, um dem Menschen in erster Linie die Angst vor dem Tod zu nehmen. Die Aussicht auf einen Himmel, der einen erwartet, sofern man als guter Mensch gelebt hat, ist dabei ebenso weitverbreitet wie beispielsweise der Glaube an eine Reinkarnation, bei der die Seele nach dem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren wird.
All den unzähligen Spekulationen verleiht Regisseur Charlie McDowell (The One I Love) in seiner zweiten Regiearbeit The Discovery endgültige Gewissheit. In der Geschichte des Films ist es Dr. Thomas Harbor gelungen, subatomare Gehirnwellen aufzuzeichnen, die von Menschen ausgingen, nachdem diese bereits gestorben sind. Dadurch hat der Wissenschaftler ganz offiziell bewiesen, dass es definitiv etwas gibt, das man als Leben nach dem Tod oder eine Art Jenseits bezeichnen kann. Die Konsequenz dieser bahnbrechenden Entdeckung gestaltet sich allerdings umso tragischer, denn schon bald führt die wissenschaftlich versicherte Erkenntnis zu Massensuiziden, bei denen sich Betroffene die Möglichkeit erhoffen, eine neue Chance in einer anderen Form von Existenz zu erhalten.
Die grundlegende Idee, auf der das Drehbuch von McDowell und Justin Lader beruht, ist dabei ebenso schlicht wie brillant. Geschickt greifen die beiden eines der größten Mysterien des menschlichen Daseins auf und beantworten eine Frage, die sich zunächst nur bejahen oder verneinen lässt, ohne zu schildern, wie dieses Leben nach dem Tod konkret aussehen würde. Neben dem ethischen Diskussionspotential und den existenziellen Dilemmata, die der Regisseur in knappen, aber pointierten Dialogen eher beiläufig anschneidet, bewegt sich der Film schon nach kurzer Zeit weg von der globalen Relevanz hin zum deutlich intimeren Charakterdrama.
Hauptfigur ist hierbei nicht der von Robert Redford (Der Clou) gespielte Wissenschaftler, der sich für die vielen Selbstmorde moralisch vor der ganzen Welt rechtfertigen muss, sondern dessen Sohn Will. Der Neurologe hat schon länger keinen Kontakt mehr zu seinem Vater, da er die Entdeckung persönlich ablehnt und sich scheinbar lieber dafür entschieden hat, offen an den Wert des Lebens zu appellieren. Zwei Jahre nach dem wissenschaftlichen Durchbruch treibt es ihn trotzdem auf das momentane Anwesen seines Vaters, das eher einem Schloss gleicht und wo dieser mit Wills Bruder und einer Art Anhängerschaft völlig zurückgezogen lebt.
Im weiteren Verlauf des Films vernachlässigt McDowell seine anfangs aufgeworfenen, erzählerischen Möglichkeiten zunehmend, um vor allem das Verhältnis zwischen Will, Toby und Vater Thomas auszuloten, welches durch den länger zurückliegenden Selbstmord der Mutter vorbelastet ist. Daneben schlägt der Regisseur zudem Töne einer Romanze zwischen Will und der suizidgefährdeten Isla an, die sich zu Beginn des Films kennenlernen. Inmitten dieser Handlungsstränge verfällt The Discovery immer stärker dramaturgischen Konventionen, durch die das außergewöhnliche Konzept zu sehr in den Hintergrund rückt, um Raum für Figuren einzuräumen, deren Motivationen und Gefühle auf Dauer zu unterentwickelt bleiben.
Auch wenn Jason Segel (Männertrip), Rooney Mara (Carol) und Jesse Plemons (The Master) für sich genommen überzeugende Schauspielleistungen abgeben, bleibt die Chemie zwischen den jeweiligen Figuren angesichts des verkopften, theoretischen Grundkonzepts zu unterkühlt und sprunghaft, um in den entscheidenden Szenen glaubwürdige Emotionen auszuschöpfen. Wirklich enttäuschend wird es allerdings erst im Finale, in dem McDowell endgültig der Mut zum angenehm Uneindeutigen verlässt, auf den er sich bei seinem vorherigen Regiedebüt noch bis zum Ende verlassen hat. Im Gegensatz zu The One I Love versucht er sich in The Discovery an Antworten auf Fragen und entzaubert das zentrale Mysterium mit einem öden Twist, der den gesamten Film schlussendlich in ein neues Licht rückt, das ihn keineswegs besser erscheinen lässt.
Fazit
Für seinen zweiten Film „The Discovery“ hat Regisseur Charlie McDowell eine grandiose Idee als grundlegendes Konzept im Gepäck, mit dem er eines der größten Mysterien des menschlichen Daseins näher beleuchtet und mit einer ebenso mitreißenden wie anregenden Antwort versieht. Im weiteren Verlauf verliert der Regisseur die interessantesten Aspekte seiner Thematik allerdings leider zunehmend aus den Augen und gibt sich letztendlich mit einem halbgaren Charakterdrama zufrieden, in dem die einzelnen Figuren zu oberflächlich gezeichnet werden, während die finale Auflösung eine glatte Enttäuschung darstellt.
Autor: Patrick Reinbott