Inhalt
Nachdem ein Aufstand am Black Friday in einer Tragödie endet, terrorisiert ein mysteriöser, von Thanksgiving inspirierter Mörder Plymouth, Massachusetts – den Geburtsort des berüchtigten Feiertags.
Kritik
Es muss ein frustrierendes Erlebnis für Filmemacher*Innen sein, wenn eine ursprüngliche „Wegwerf-Idee“ bzw. ein trashiger 70er Jahre Slasher-Kurzfilm / Fake Trailer in der Intermission eines Grindhouse-Projekts von Robert Rodriguez und Quentin Tarantino, nach vielen Jahren plötzlich wie eine gute Idee für ein Langfilmprojekt erscheint. So erging es Rodriguez selbst, dessen Machete es sogar zu einer Fortsetzung brachte, und so ergeht es vielleicht nun auch Eli Roth (Cabin Fever), wobei man sich bei dem der machohafte Vulgär-Auteur die Frage stellen sollte, ob er in solchen Sparten der künstlerischen Integrität überhaupt denkt. Bei Roth geht es um simplere Freuden des Leinwandlebens (und -sterbens): Nackte Haut, Gemetzel, fluchende und sich gegenseitig abhassende Jugendliche. Roths Filme sind im schlimmsten Falle, wobei es bei ihm keine wirkliche Distinktion zwischen gut und schlecht gibt, gewollte Edgelord-Fanatsien, im besten Falle wunderschönster Schimmelbrei, der amerikanisch, pubertäre Tiefpunkte zelebriert und gleichzeitig entlarvt. Umso verwunderlicher ist es, dass Roth in seinem langerwarteten Erntedank-Splatter Thanksgiving zwar immer noch das Hackebeil der Moralkeule bevorzugt, sich aber wohl noch nie so moralistisch und unangenehm weichgespült gegeben hat.
Thanksgiving beginnt mit einer einzigen großen Anklage, einem, dem Setting eines Feiertagsfilmes entsprechend, Hassgesang auf den US-Konsum, dargestellt durch ein Bild, welches sich seit den hamster-Zügen der erstem Covid-19 Welle auch in Europa finden ließ: Der überlaufene Supermarkt zum Black Friday mit schäumenden Konsumenten. Unter ihnen befinden sich eine Horde verzogener Teenager, angeführt von der unbeholfenen Jessica (Nella Verlaque), Tochter des Großkettenbesitzers (Rick Hoffman, Hostel). Als es zu einem Sturm auf den Supermarkt kommt bricht Chaos aus und mehrere Menschen kommen brutal ums Leben. Das in Horrorfilmen inzwischen unvermeidbare Trauma liegt plötzlich über der Stadt. Als die Stadt schließlich auch nach einem Jahr der Trauer zum nächsten Thanksgiving-Fest ihren Über-Konsum nicht einstellen will, nimmt ein mysteriöser, in Pilgrim-Uniform und mit mehrern Äxten bewaffneter Mörder unter dem Internat-alias „John Carver“ schließlich in bester Ich weiß was du letzten Sommer getan hast-Manier die Gerechtigkeit selbst in die Hand, sehr zum Leiden von Jessica und ihren Freunden.
Wenn Roths Gemetzel sich moralistisch gibt, dann meisten auf Kosten des Exzesses der Gesellschaft, im Falle von Hostel der Kultur des Dude-Bro-Sexurlaubs. Mit seinen angerichteten Festivitäten zum Truthahn-Fressen soll nun die Konsum-Kultur hinhalten, ein deutlich einfacheres und unspezifischeres Ziel. Man bekommt trotz aller Freude am Gemetzel, und eine solche merkt man dem Film, dessen extensive Mordszenen von Kühlschränken, Backöfen und (in dem wahrscheinlich berühmtesten Beispiel aus dem Grindhouse-Trailer) Trampoline unsagbar viele Gegenstände genüsslich zweckentfremden, das Gefühl, das Genre-Filmemacher wie Roth an der Gegenwart verzweifeln. Nicht nur fühlen sich die eingestreuten Social Media-Referenzen erneut unbeholfen an, auch mit modernen Teenager-Dynamiken kann der Film wenig anfangen, weswegen Roth die meiste Zeit nur in Sympathieträger und Arschlochfigur einteilt, eine Unterscheidung die sich besser in besagten 1970ern seines Fake-Trailers aufgehoben fühlt. Das größte Ärgernis dieses, nichtsdestotrotz gut gemeinten Filmes ist das es Roth nicht gelingt, in Sachen Exzess an seinen Trailer heranzureichen. Das Paradox im Kern seiner blutigen Werke war immer, wie jemand Exzess so verurteilen kann und dennoch selbst so exzessiv sein kann. Besagtes Paradox vermisst man nun schmerzlich.
Fazit
In seiner Gore-Freundlichkeit wird „Thanksgiving“ Freunde des genüsslichen Gemetzels mehr als zufrieden stellen, was aber nur bedingt darüber hinweg täuscht das Eli Roths Film dennoch Scheuklappen anhat. Brutale Spitzen lassen dennoch wirklichen Exzess vermissen, gerade wenn sich Roth hier besonders moralistisch gibt.
Autor: Jakob Jurisch