Inhalt
Marc Schrader (August Diehl) hat es nur knapp geschafft, die Polizeischule abzuschließen. Einer Razzia in einer Disco kaum entgangen, erpresst ihn der eigenwillige Hauptkommissar Minks (Christian Redl) für ihn in der Jugendszene zu recherchieren - denn dort geschehen eigenwillige sowie verstörende Morde. Leichen, denen Teile der Haut entfernt wurden, führt das ungleiche Duo auf die Spur von skrupellosen, knallharten und kompromisslosen Tattoo-Sammlern.
Kritik
Eines muss man dem Langfilmdebüt von Regisseur & Autor Robert Schwentke (Der Hauptmann) lassen: da wird wenigstens mal versucht, deutsches Genre-Kino nicht nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit entsprechend eingeschränkten Mitteln auf die Beine zu stellen, sondern der internationalen Konkurrenz auf der großen Leinwand die Stirn zu bieten. Zumindest in der Theorie. Was dabei herauskommt, steht auf einem anderen Blatt Papier, aber den Ansatz gilt es nicht genug zu loben. Am Ende des Tages kommst du damit hierzulande natürlich nicht weit und somit war es kein Wunder, dass der gebürtige Stuttgarter danach sein Heil jenseits des Großen Teichs suchte und dort durchaus auch fand. Mit Filmen wie Flightplan – Ohne jede Spur, den beiden R.E.D.-Filmen oder Die Bestimmung – The Insurgent konnte er sich in Hollywood zumindest als Auftragshandwerker halbwegs etablieren. Sein Affinität zum generischen, aber eben aus kommerzieller Sicht sicheren Hollywood-Thriller tritt schon bei Tattoo deutlich zu Tage und ist in dieser Form Fluch und Segen zugleich.
Segen aus der Warte, als dass sich der Film vom Look und Ablauf eben überdeutlich an bekannten US-Vorbildern orientiert und somit schon mal eine breite Masse auf den ersten Blick anspricht. In hoffnungslose, triste Bilder getaucht und unterlegt von einem (wirklich guten) unheilvollen Score werden desillusionierte (Klischee)Figuren durch stockfinstere und gerne auch stark verregnete Berliner Hinterhöfe, klinisch sterile Ateliers und allerlei andere trostlose, aber in dieser Präsentation schnell auch abgenutzt und beinah prätentiös-gezwungen wirkenden Sets gejagt, auf der Suche nach einem skrupellosen, modernen „Pelzjäger“. Die Idee um einen Schwarzmarkt mit von ihren Träger*innen abgeschälten Tattoos ist reizvoll und bietet natürlich Raum für einige drastische Momente, die der Film zwar nicht in krasser Splatter-Manier ausschlachtet, aber trotzdem für die ein oder andere Situation sorgt, die man in der deutschen Filmlandschaft (auf dem Niveau) eher selten zu Gesicht bekommt. Damit holt man ein sträfliches vernachlässigtes Publikum ganz klar ab und rein auf diverse Einzelsequenzen fokussiert funktioniert der Film sowohl von seinem Effekt wie seiner Präsentation zweifellos.
Der Fluch bei der ganzen Angelegenheit ist zum einen ein gewisser Identitätsverlust. Tattoo wirkt so zwanghaft orientiert an den großen Vorbildern aus dem Ausland, dass er so unglaublich künstlich und konstruiert wirkt. Das geht sogar so weit, dass die berüchtigte Box-Sequenz aus der wohl deutlichsten Inspirationsquelle Sieben mehr oder weniger direkt kopiert wird. Da lässt sich leider kaum noch von Zufall sprechen und erscheint – trotz des natürlich immer noch unbestreitbar drastischen Effekts – fast schon etwas armselig. Generell ist der Plot nicht gerade die große Stärke des Films. Da gibt es reichlich Ungereimtheiten, nicht schlüssige Charakterzeichnungen und insgesamt eine Groschenroman-Attitüde, die schon stark an die Ergüsse eines Sebastian Fitzek erinnern. Wer hier mehr als ganz stumpfe Berieselung erwartet, dürfte sehr heftig ernüchtert werden, rein inhaltlich ist das nicht mehr als Baukasten-Prinzip ohne jedwede Substanz.
Alles in allem ist Tattoo trotzdem kein kompletter Fehlschuss, denn allein sein Vorhaben gibt ihm schon so was wie ein Alleinstellungsmerkmal und reduziert auf seine handwerkliche Umsetzung ist das völlig okay. August Diehl (23 – Nichts ist so wie es scheint) ist eh immer eine Bank, sein Co-Star Christian Redl (Die Päpstin) ist viel besser als seine eindimensionale Rolle und wenn man überhaupt keine größeren Ansprüche stellt, kann man sich von diesem niemals langweiligen Thriller auf Strandkorb-Niveau schon seine Zeit vertreiben. Besser als nichts, und das ist leider bis heute der Standard im deutschen Genre-Kino. Auch mehr als zwanzig Jahre später.
Fazit
Dank der guten Hauptdarsteller und einer handwerklich soliden Inszenierung kann „Tattoo“ kurzweilig-stumpfe Unterhaltung gewährleisten, alles andere besteht leider nicht dem genaueren Blick. Der Plot ist konstruierter Thriller-Kokolores, der heutzutage auch von ChatGPT nicht schlechter im ersten Entwurf ausgespuckt werden würde und das sichtliche Anbiedern am Hollywood-Kino fällt nicht immer positiv auf. Für den kurzfristigen Zeitvertreib aber mit Abstrichen dennoch geeignet.
Autor: Jacko Kunze