Inhalt
Marianne und Johan führen eine scheinbar glückliche Ehe. Doch schon seit langer Zeit werden Konflikte nicht mehr offen ausgetragen sondern verdrängt und belasten unterschwellig die Beziehung. Als der Streit eines befreundeten Paares in der Scheidung gipfelt und Johan zudem die 23-jährige Studentin Paula kennen lernt, zerbricht auch die Ehe von Marianne und Johan. Sie bekämpfen sich bis hin zur Selbstaufgabe, aber am Ende entsteht doch eine neue Liebe.
Kritik
Ingmar Bergman (Das siebente Siegel) war, obgleich immer seinen eigenen Regeln treu, ein überaus vielschichtiger und auch wandelbarer Regisseur. Seine mit Sternstunden gesäumte Filmografie beinhaltet zwei Werke, die sich allein durch ihre schiere Spielzeit von den übrigen Filmen des Meister absetzen. Während Fanny und Alexander in seiner über Jahrzehnten geschilderten Familiengeschichte den Höhepunkt in Bergmans erzählerischem Schaffen darstellt, zeichnet sich Szenen einer Ehe weniger durch seinen konkreten Inhalt, als vielmehr durch die komplexe Aufarbeitung des selbigen aus. Denn das, was passiert, ist mit wenigen Sätzen zusammengefasst. Wie Bergman das Scheitern einer Ehe jedoch in Bildern einfängt und in quälend langsamen Einstellungen auf den Zuschauer überträgt, ist einmalig.
Szenen einer Ehe bewegt sich hauptsächlich in jenem unbestimmten Spannungsfeld, dass beinahe jedem Zuschauer schmerzlich bekannt sein dürfte. Der schwierigste Moment einer Liebesbeziehung ist nicht ihr endgültiges Ende, sondern die vorausgehende Ungewissheit, in der Vertrauen und Zuneigung langsam bröckeln. Jene Zeit des Zweifels, in der man weder vor noch zurück weiß und jede Entscheidung als Fehler ansieht. Ingmar Bergman versteht sich gekonnt darauf genau diese Phase in ein filmisches Gewand zu kleiden, welches sich in erster Linie durch durchgehende Nahaufnahmen und tiefschürfender Dialoge auszeichnet. Beinahe unerträglich langsam gibt er sich dem Hin und Her einer scheiternden Ehe hin, beginnt mit Rissen in der Oberfläche, die sich alsbald zu unüberwindbaren Gräben entwickeln.
Ein wirkliches Ende will die Beziehung der beiden jedoch nicht finden und so ist das schmerzhafteste an der dargestellten Situation wohl das beidseitige Unvermögen die gemeinsame Zeit zu beenden, einen Schlussstrich zu ziehen und langsam zu vergessen. Oder eben wirklich zueinander zu finden, doch auch das scheint ihnen nicht vergönnt. Das ausgelutschte Zitat, dass beide nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander können, scheint bei Szenen einer Ehe genauestens zuzutreffen. Marianne und Johan stoßen sich ebenso ab, wie sie sich anziehen. Die Folge ist ein breites Gefühlsspektrum aus Selbsthass, Zweifel, jäh aufkeimender Glückseligkeit, Einsamkeit und zärtlicher Zuneigung, die Bergman in aller Intensität auf den gebannten Zuschauer überträgt.
So ist Szenen einer Ehe ein Film, der sich auch durch seinen inneren Stillstand artikuliert. Die Ehe von Marianne (Liv Ullmann) und Johan (Erland Josephson) begreift er losgelöst vom zeitlichen Fluss und stellt deswegen einige markante Momente über den jahrelangen Alltag. Besonders schmerzlich erscheint der Film auch deswegen, weil Bergman die immense Laufzeit dazu nutzt seine Figuren psychologisch so präzise zu zeichnen, dass sie so greifbar wie echte Personen wirken. Auch diese Authentizität trägt ihren Teil dazu bei, dass Szenen einer Ehe einen weiteren Höhepunkt im filmischen Schaffen von Ingmar Bergman darstellt.
Fazit
„Szenen einer Ehe“ ist neben „Fanny und Alexander“ das zweite große Mammutwerk im Oeuvre von Ingmar Bergman. Dementsprechend gilt es diesen Koloss, geformt aus Tränen, Schweiß, Liebe und Hass auf emotionaler Ebene zu bezwingen. Wer dabei erfolgreich ist, wird mit einem durchgehend einnehmenden, intelligent konzipierten und wirkungsvoll inszenierten Film belohnt, der auch dessen Zuschauer an die Grenzen seiner emotionalen Belastbarkeit treibt.
Autor: Dominic Hochholzer