Inhalt
Nach 25 Jahren reitet Silva auf einem Pferd durch die Wüste, um seinen Freund Sheriff Jake zu besuchen. Sie feiern das Treffen, aber am nächsten Morgen sagt Jake ihm, dass der Grund für seine Reise nicht darin besteht, die Erinnerungen an ihre Freundschaft zu vertiefen.
Der Film ist exklusiv ab dem 23. Mai bei ARTHAUS+ im Streaming
Kritik
Wer hätte wohl Anfang der 80er gedacht, dass der Regisseur von so schrillen Independent-Filmen wie Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande, Labyrinth der Leidenschaften oder Das Kloster zum heiligen Wahnsinn mal zu den wichtigsten Filmemachern der Welt zählen sollte? Pedro Almodóvar (Parallele Mütter) hat dies geschafft, ohne sich jemals auch nur ein kleines Stück zu verbiegen und vor allem ganz offen mit seiner Homosexualität umzugehen, was zu dieser Zeit als Person des öffentlichen Lebens absolut keine Selbstverständlichkeit darstellte. Dabei bedurfte es nicht mal eines öffentlichen Outings, seine Werke sprachen da für sich. Damit hat er einen unermesslichen Wert zur LGBT+-Community beigetragen, sich schon in Zeiten extremer Tabuisierung ganz selbstbewusst positioniert (man darf nicht vergessen, dass er dafür nur wenige Jahre vorher in seiner Heimat vermutlich auf Nimmerwiedersehen verschwunden wäre) und hat es ganz nebenbei geschafft, sich aus dieser bald unweigerlichen „Nische“ herauszuarbeiten, ohne seinen Weg grundsätzlich zu verlassen. Natürlich hätte er jederzeit auch ein gutbezahlter Auftragsregisseur in Hollywood werden können, doch selbst alle großen Filmpreise dieser Welt haben Pedro Almodóvar bis heute nicht verändert. Allein das ist außergewöhnlich, völlig unabhängig von dem, was sein Schaffen auch abseits der Kinoleinwand bedeutet.
Somit hat es auch 40 Jahre gedauert, bis er mit dem Kurzfilm The Human Voice (2020) erstmals einen englischsprachigen Film drehte. Wie gesagt, „nur“ ein Kurzfilm, und auch Strange Way of Life fällt mit seinen knapp 30 Minuten in diese Kategorie (mit The Room Next Door steht demnächst sein erster englischsprachiger Langfilm an). Interessant ist dabei die Thematik: angesiedelt im Wilden Westen wird die Geschichte von Sheriff Jake (Ethan Hawke, Leave the World Behind) erzählt, der den Mörder seiner Schwägerin zur Strecke bringen will. Unmittelbar zuvor schneit dessen Vater Silva (Pedro Pascal, The Last of Us) herein. Allerdings nicht nur, um Gnade für seinen Sohn zu ersuchen. Jake und Silva sind alte Weggefährten, haben vor 25 Jahren ihre Gefühle füreinander entdeckt und für einen kurzen Zeitraum auch ausgelebt. Doch das alles liegt lange zurück, wie aus einem anderen Leben. Auch jetzt verbringen sie wieder eine Nacht miteinander, was am nächsten Morgen aber nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass sich die Sachlage geändert hat. Jake hat einen – durchaus persönlichen – Job zu erfüllen und Silva hat naturgemäß damit seine Probleme. Der eigentliche Elefant im Raum bleibt dabei ihre so lange vergessene Beziehung, an deren Ende doch unmöglich ein Happy End stehen kann (?).
Moment mal: gab es da nicht schon mal so einen Film mit Cowboys…wie hieß der gleich? Damals wurde Pedro Almodóvar tatsächlich sogar vor Ang Lee die Regie des mehrfach ausgezeichneten Brokeback Mountain angeboten, er lehnte jedoch ab. Auch, da ihm das Drehbuch nicht zusagte. Kaum auszudenken, wenn er damals selbst mehr kreative Freiheit gehabt hätte. Wie selbstverständlich und intensiv er selbst in diesem ultra-begrenzten Rahmen damit hier hantiert, hätte Brokeback Mountain vielleicht wirklich dieses Meisterwerk werden können, zu dem es gerne gemacht wird. Ein Meisterwerk ist Strange Way of Life (selbst als Kurzfilm) zwar auch nicht, ist aber in seinen 30 Minuten so gut und interessant, dass seine limitierte Laufzeit beinah ein kleines Ärgernis ist. Das hat doch locker Potential für einen abendfüllenden Spielfilm, und eindeutig aus dem ganz oberen Regal. In der Kürze der Zeit kann natürlich keine richtig komplexe Geschichte erzählt werden und das Ganze wirkt mehr wie ein Appetizer für einen Langfilm, der (Stand jetzt) nie kommen wird. Absolut bedauerlich, denn das Gezeigte ist an und für sich großartig.
Die Mischung aus klassischen Westernmotiven mit einer tragisch-queeren Liebesgeschichte ist enorm interessant, inszenatorisch und darstellerisch exzellent und selbst in dieser komprimierten Form gelingt ein berührendes Ende, das keinerlei Pathos benötigt. Im Prinzip ein großartiger Film, der leider viel zu kurz ist. Ein perfekter Kurzfilm sollte seinem Medium angemessen sein, dieser ist dafür in allen Belangen praktisch überqualifiziert. Beinah pure Verschwendung. Sollte es jemals davon eine Langfassung geben, bitte her damit. Und es gibt wirklich genug tolle Kurzfilme, die danach den tragischen Langfilmtot gestorben sind. Dieser dürfte nicht dazu gehören (natürlich nur unter Almodóvar)
Fazit
Viel zu gut und ambitioniert für sein Format, ohne dieses damit abzuwerten. Manche Kurzfilme sind in ihrer Form ideal und manche könnten gerne eine ausführliche Adaption vertragen. Dieser hier wäre mit beinah gestraft damit, „nur“ in Kurzform zu existieren. Daher kann er an dieser Stelle auch nicht höher bewertet werden. Da bleibt so viel auf der Strecke. Schon krass, wenn man so eine Qualität einfach als eine Art „Fingerübung“ verwendet.
Autor: Jacko Kunze