6.7

MB-Kritik

Stereo 2014

Crime, Thriller – Germany

6.7

Jürgen Vogel
Moritz Bleibtreu
Petra Schmidt-Schaller
Georg Friedrich
Rainer Bock
Helena Schoenfelder
Mark Zak
Fabian Hinrichs
Valery Tscheplanowa
Jürgen Holtz
Paul Faßnacht
Adrian Can
Julian Schmieder
Gerdy Zint
Sophie Melbinger
Petra Hartung

Inhalt

Erik will mit seiner Motorrad-Werkstatt in einer verschlafenen Kleinstadt zur Ruhe kommen und alles scheint perfekt. Die Beziehung mit seiner neuen Freundin Julia läuft wunderbar und auch ihre kleine Tochter Linda ist begeistert. Die Idylle endet jäh, als der mysteriöse Henry auftaucht, der Erik auf Schritt und Tritt verfolgt. Der versucht mit allen Mitteln, seinen bedrohlichen "Schatten" loszuwerden, aber erfolglos. Je mehr Henry in Eriks scheinbar heile Welt eindringt, desto mehr gerät diese aus den Fugen. Eine Katastrophe droht, als der brutale Gangster Keitel auftaucht und Julia in Lebensgefahr gerät. Auf einmal scheint Henry Eriks letzte Hoffnung zu sein - aber kann er dem Fremden trauen?

Kritik

Gutes, deutsches Genrekino – manche munkeln das hätte es noch nie gegeben, diverse Fachkreise deklarieren dieses Phänomen als längst ausgestorben und für andere ist dies eine völlig willkürliche Aneinanderreihung von Wörtern … doch HALT STOP! Mit Maximilian Erlenwein als Drehbuchautor und Regisseur in Personalunion schickt sich der Psycho-Thriller STEREO an, frischen Wind in die deutsche Kinolandschaft zu bringen. In seinem erst zweiten Langfilm nach SCHWERKRAFT schnappt er sich mit Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu zwei schauspielerische Schwergewichte für sein neues Werk. Dabei entsteht ein erfrischender Streifen, der deutlich aus der Masse an Dramen und Til Schweighöfer Produktionen (Hey Jungs, nehmt euch mal die ersten sieben Buchstaben eurer Nachnamen zu Herzen!) hervorsticht. Wir können auch anders!

Doch beginnen wir von vorne: Mit ruhigen Szenen tollen Kamerafahrten werden die Charaktere umgeben von idyllischer Landschaft eingeführt. Schnell wird jedoch klar, dass der Schein einer glücklichen Patchwork Familie rund um Erik (Jürgen Vogel), Julia (Petra Schmidt-Schaller) und deren Tochter Linda (Helena Schoenfelder) trügt. Mit dem Auftauchen des geheimnisvollen Henry (Moritz Bleibtreu), der immer tiefer in Erics Leben eindringt, beginnt eine düstere Reise in die Vergangenheit.

Der geneigte Fan wird bei der Geschichte ab einem gewissen Punkt ahnen, in welche Richtung diese sich entwickeln könnte. Doch die latente Vorhersehbarkeit tut der Spannung keinen Abbruch, denn es wird bis zum finalen Akt sehr geschickt an der Spannungsschraube gedreht. Die inhaltlichen Meilensteine ergeben mit der Zeit einen Sinn, beim nachträglichen sinnieren wird der rote Faden des „großen Ganzen“ deutlich erkennbar. Dabei spielt die tolle Atmosphäre eine große Rolle – "Stereo" weicht in allen visuellen Bereichen von der gewohnten (deutschen) Norm ab und zeigt dadurch das Geschehen in einem abwechslungsreichen Blickwinkel. Der Soundtrack, der durch düstere und stellenweise hypnotisch-basslastige Elektronikbeats glänzt (genial: Moderat - A New Error), verleiht der dichten Stimmung den notwendigen Schliff. Die kleinen, surrealen Momente unterstreichen zusätzlich das bedrohliche Ambiente. 

Mit Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu vereinen sich zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera zwei der besten Darsteller aus deutschen Landen, was sie auch hier wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen. Mit ihrem im wahrsten Sinne des Wortes facettenreichen Spiel verleihen sie den Charakteren die nötige Tiefe und Glaubwürdigkeit. Ein Sonderlob erhält Georg Friedrich, der als Gangsterboss Keitel mit österreichischem Slang eine lustige und dennoch sehr angsteinflößende Figur abgibt. 

Das Szenenbild und die Kameraführung sind sehr reif und können den Vergleich zu internationalen Produktionen bis hin zu den Großen in Hollywood durchaus standhalten – und das sicherlich bei weit geringerem Budget. Der Film bewegt sich erstaunlich leichtfüßig im Thrillergenre obwohl dies in Deutschland bei weitem nicht zur selbstverständlichen (Film)Kultur zählt wie zum Beispiel in Frankreich. Im besten Sinne sind Berührungspunkte zu Regisseuren à la David Lynch oder David Fincher sowie den Werken DRIVE und FIGHT CLUB erkennbar, ohne dabei diese Vorlagen billig zu kopieren. Dies klingt zunächst sehr hochgegriffen, doch sind dabei nur einzelne Versatzstücke und Ähnlichkeiten gemeint, die im relativen Verhältnis zum Gesamtwerk stehen.

Fazit

Düster, hart und kompromisslos – STEREO erklimmt zu Beginn des Jahres die Spitzes des deutschen Genrekinos. Die dichte Atmosphäre wurde in tolle Bilder gepackt und mit bedrückenden Bassklängen unterlegt. Bleibt zu hoffen, dass die großen Namen dem Werk eine gewisse Strahlkraft geben und den ein oder anderen ins Lichtspielhaus locken.

Selten sah deutsches Kino so gut aus!

Autor: Manuel Schäfer
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