Inhalt
Im Jahr 1978, als Erich Mielke, der Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit, nach einem beeindruckenden Sieg in der DDR-Meisterschaft die Kabine von Dynamo Dresden betritt, schlägt die ausgelassene Stimmung in reines Entsetzen um. Denn fortan soll sein Lieblingsverein, der Berliner FC Dynamo, die DDR-Oberliga dominieren. Dies markiert den Beginn einer denkwürdigen Ära, geprägt von ausgeklügelten Manipulationen und fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen. Doch unter den benachteiligten Spielern und Fans formiert sich Widerstand, der sich auch auf den Straßen zeigt und bald das Ende der DDR einleitet.
Kritik
Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl war die Stasi die größte und am breitesten aufgestellte Geheimpolizei der Welt. Sie kontrollierte und überwachte das Leben in der DDR in allen Lebensbereichen und natürlich blieb auch der Sport nicht verschont. Der Sport war in der DDR das Aushängeschild, um es auf die internationale Landkarte zu schaffen und den Klassenfeind zu übertrumpfen, weshalb natürlich viel in die Sportler investiert wurde. Meistens standen Einzelsportler im Fokus, weil sich ihre Erfolge bei Olympischen Spielen besser verkaufen und man mehr Medaillen erringen konnte. Doch wie im Westen war der Fußball im Osten genauso die beliebteste Sportart. Weshalb man diesen Bereich natürlich organisieren, steuern und überwachen musste. Der Fußball lieferte erstaunliche Freiräume, nicht nur auf dem Spielfeld, sondern ebenso auf den Tribünen sorgte der Sport für ein kurzes Gefühl der Freiheit. Es war für viele Fans ein Ausbruch aus dem Alltag, ein Ort, an dem sie sich austauschen und feiern konnten und an dem der lange Arm des Staates sie nicht erreichen konnte. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass das Ministerium für Staatssicherheit sich bald danach sehnte, hier die Kontrolle zu übernehmen.
Hierfür hatte sich Stasi-Chef Erich Mielke seinen Lieblingsverein, den BFC Dynamo, dessen Ehrenvorsitzender er war, auserkoren und der Club sollte fortan den Fußball in der DDR dominieren. Mit 10 Meisterschaften ab 1979 war der Verein national kaum aufzuhalten, wobei der Verein von vielen fragwürdigen Entscheidungen profitierte, sowohl auf als auch außerhalb des Platzes. Der Dokumentarfilm Stasi FC beleuchtet diesen rasanten Aufstieg des Stasi-Vereins aus Berlin und legt großen Wert darauf, sich nicht nur auf den Fußball zu beschränken, sondern sich gleichermaßen das System der Stasi vorzunehmen. Bevor es überhaupt um den Fußball und den BFC Dynamo geht, liefern die Regisseure Daniel Gordon (Hillsborough), Arne Birkenstock (Beltracchi - Die Kunst der Fälschung) und Zakaria Rahmani erstmal einen Überblick über das perfide Überwachungssystem der DDR und das Leben im Alltag, vor allem der Sportler. Im weiteren Verlauf lassen die drei Regisseure ehemalige Spieler und Trainer, aber auch Fans und Historiker zu Wort kommen, die anschaulich von ihrem Leben und ihren Erfahrungen berichten und der Doku dadurch mehr Authentizität und Spannung verleihen.
Besonders interessant sind die Erzählungen aus dem Alltag der Sportler, die davon berichten, wie sie stets überwacht wurden und wie sie bei Auslandsreisen im Hotel eigentlich fast schon eingesperrt und wie sie dort auf Schritt und Tritt verfolgt wurden. Dennoch gelang es einigen Spielern bei dieser Gelegenheit zu fliehen und hiervon erzählt die Doku ebenfalls. Es werden die Flucht von Falko Götz, Dirk Schlegel und Lutz Eigendorf geschildert, aber trotz der vielen interessanten Fakten und der guten Aufarbeitung bleibt die Dokumentation recht oberflächlich. Nie geht man tiefer ins Detail, nie führt man Informationen ein, die neu sind und dem fachkundigen Publikum überraschen können. Stasi FC ist durchaus sehenswert und liefert einen umfangreichen Einstieg in die Geschichte um den BFC und die Verbindung zur Stasi, aber die Geschichten sind bekannt. Man verpasst die Chance, die systematische Kontrolle des Fußballs noch weiter darzustellen oder sich mit den vermeintlichen Mythen um Spielmanipulationen durch Schiedsrichterentscheidungen zugunsten des BFC detaillierter auseinanderzusetzen. Auch die tragische Geschichte des Lutz Eigendorf, dem Idol und der Galionsfigur des BFC hätte man mehr Raum einräumen können. Eigendorf floh in den Westen, ließ Frau und Kind zurück und setzte seine Karriere im kapitalistischen Westen fort und wurde zur antikommunistischen Symbolfigur. Um seinen frühen Tod ranken sich bis heute Legenden. War es Mord? Eine Racheaktion der Stasi für die Blamage und Demütigung durch Eigendorf? Oder nur ein tragisches Unglück? Dieses Thema hätte wahrlich eine eigene Doku gefüllt, man hätte sich aber mehr als nur die reine Faktenwiedergabe gewünscht. Stasi FC ist trotzdem gut, spannend und abwechslungsreich umgesetzt und liefert insbesondere Nichtkennern einen großen Einblick in das Thema.
Fazit
„Stasi FC“ liefert einen großen informativen Überblick über die Stasi, ihre Methoden und den Fußball in der DDR. Die Doku ist ein idealer Einstieg für alle, die sich mit dieser Thematik näher befassen wollen und eignet sich gleichermaßen für alle, die sich nicht für den Fußball interessieren, denn dieser stellt eher den Aufhänger in der Dokumentation dar, ohne zu sehr im Mittelpunkt zu stehen. Vielmehr geht es um die Sportler, die Fans und den allmächtigen Staatsapparat. Dennoch kratzt die Doku leider zu oft nur an der Oberfläche, wenn es eigentlich gerade spannend wird.
Autor: Andy Mieland