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Die Insel Mandø an der dänischen Westküste ist nur bei Ebbe zu erreichen und beherbergt gegenwärtig nur noch 27 Einwohner:innen. Sturmwarnungen und Überschwemmungen gehören für sie zum Alltag. Filmemacher Juan Palacios stellt die Insel und die Gemeinschaft vor, die akut vom Klimawandel bedroht ist.
Kritik
- Gesehen im Programm des Filmfests Bremen 2025 -
Etwas mehr als 250 Menschen bewohnten einst die dänische Insel Mandø – heutzutage beziehen nur noch 27 ein Haus auf dem kleinen Land, dass tagsüber nur bei Ebbe zu erreichen ist. Mit dem zunehmenden Klimawandel sieht sich die kleine als auch alternde Gemeinschaft konfrontiert, doch an einem Wegzug denkt sie nicht – wie zum Beispiel der Landwirt Gregers. Filmemacher Juan Palacios (Inland) begleitet ihn zu einem Zeitpunkt, an dem er sich für die dänische Ausgabe von „Bauer sucht Frau“ bewirbt. Parallel kümmert Gregers sich um seinen Betrieb, mit an seiner Seite sein schwarzweiß-gefleckter Hund.
Als Regisseur und gleichzeitiger Kameramann fängt Palacios in „As The Tide Comes In“ die Landschaft jener dänischen Gezeiteninsel in atmosphärischen Bildern ein. Darüber hinaus präsentiert er eine kleine Gemeinschaft, die zwar hartnäckig im Angesicht der für ihr Eigentum bedrohlichen Natur bleibt, dafür aber kurioserweise sich nicht komplett von der Welt beziehungsweise vom Festland isoliert. So nutzt die Betreiberin des einzigen Tante-Emma-Ladens auf Mandø einen Computer mit halbwegs aktuellem Betriebssystem und surft auch in der Dunkelheit. Und selbst Gregers ist nicht davon abgeneigt, am Tage eine Drohne in die Luft steigen zu lassen und damit die Straßen und Deiche zu erkunden. Abseits davon hat er seinen naiven Traum von einer schönen Frau, die mit ihm zusammen auf der Insel wohnt. Mit einem älteren Herrn tauscht er sich über ein Profil auf einer Dating-Plattform aus.
Technologisch hält sich die Gemeinschaft über Wasser, doch bei den sich häufenden Fluten erschwert sich das Verwalten von Hab und Gut. Wenn man noch die Demografie von Mandøs überschaubarer Bevölkerung in Betracht zieht, steht diese Gemeinschaft vor einem existenziellen Scheideweg: Möchte sie auf der Insel das Leben ausklingen lassen und dafür die Deiche erhöhen? Oder sollten wir die nächsten fünf, zehn oder 20 Jahre im Voraus denken und aufs Festland ziehen? Die Beantwortung der Frage übernimmt im Notfall der steigende Meeresspiegel.
Er erzählt lieber eine zu lang geratene Geschichte rund um Gregers sowie die anderen Menschen. Dafür legt er Einstellungen für die Bewohner aus, wenngleich der dokumentarische Aspekt gewahrt werden soll. Wäre der Streifen noch fürs Fernsehen ausgerichtet, würde eine Akustikgitarre die Inszenierung von Mandø begleiten. Klatsch und Tratsch als auch die Eigenheiten auf der Gezeiteninsel zeigt somit der spanische Filmemacher – eine nicht unübliche Sturmankündigung lächelt die 100-Jährige Mie Leverentz dann gerne einfach weg. In einer anderen Szene halten Gregers und ein Junge auf einer kleinen Bootsfahrt einen amüsanten Smalltalk über auseinandergehende Vorstellungen von einer Frau beziehungsweise Freundin. Beides mag lustig für den Moment sein und dem Film seine Sympathien verleihen, aber der Ernst der Lage bleibt auf der Strecke liegen. Im 17. Jahrhundert war der Pegelstand bei einem Hochwasser so hoch, dass die Insel zeitweise komplett getilgt wurde. Als Stichwort im Film fällt die Veränderung, der sich die Menschen stellen müssen. Denn so wie hier präsentiert, stirbt die Insel an der dänischen Westküste ihren ganz langsamen Tod. Dem Konservatismus der Gemeinschaft dabei auf den Zahn fühlen, das macht Palacios nicht.
Fazit
Mit einladenden bis teils eindrücklichen Bildern der prekären Gezeiteninsel Mandø inszeniert Regisseur Juan Palacios keinen Abgesang auf das dort lebende Völkchen. Angereichert mit Gossip, zeigt er eine alternde Gemeinschaft, die zwar technologisch nicht komplett abgehängt ist, aber trotz der natürlichen Veränderungen standhaft bleiben will. Das mündet in eine sympathische, etwas langatmige Bestandsaufnahme, die das allumgebende Problem für die Einwohner:innen nur zeigt. Vor den Konsequenzen und schweren Fragen drückt sich diese Dokumentation.
Autor: Marco Focke