Inhalt
Sommer 1990. Ein Bauernhof an der deutsch-deutschen Grenze, die seit Kurzem keine mehr ist. West-Familienmitglieder kommen zu Besuch, alle tasten sich an die ungewisse neue Zeit heran, der Alltag bleibt, der Sommer ist heiß. Sohn Johannes hat für seine Freundin Maria und sich den Dachboden zum kleinen Idyll gemacht. Maria liest Dostojewski, streift durch die Wiesen und widmet sich auch sonst der Suche nach dem Existenziellen. Die Begegnung mit Henner, dem um einiges älteren Nachbarn, wird zum Prüfstand. Zum Sog. Schicksal.
Kritik
Thüringen 1990. Ein Jahr nach der Wende ist die erste Euphorie in der ostdeutschen Provinz fast schon verflogen. Marias Oma freut sich über Sahne aus der Sprühdose. Marias Freund Johannes (Cedric Eich, Kühn hat zu tun), mit dem Emily Atefs (Mehr denn je) 19-jährige Protagonistin aus dem Nachbarort auf dem Hof seiner Eltern wohnt, träumt vom Fotografie-Studium in Leipzig. Seine Mutter (Jördis Triebel, Die drei ??? - Erbe des Drachen) die Maria wie eine Tochter aufnimmt, ließt jetzt Brigitte. Klingt ermüdend und ist es auch. Nicht nur für Maria.
Die dörfliche Tristesse trieft geradezu von der Leinwand des Berlinale Palasts, wo das Liebesdrama im Wettbewerb läuft. Da kann die Kamera noch so ausgiebig in goldenen Feldern, Sommerwind und Flussplätschern schwelgen und Häuser Playmobil-Spielsets aussehen lassen. Doch die von Marlene Burow (Kitz) markant gespielte Hauptfigur will nicht raus, wie das Publikum aus dem Kinosaal, sie will - ja was eigentlich? Liebe, Lust, Leiden wie in einem der russischen Literaturwälzer, die sie verschlingt? Die Regisseurin verrät es nicht.
Daniela Kriens Romanvorlage schon: Kochen und Kinder mit dem über 20 Jahre älteren Henner (Felix Kramer, Warten auf'n Bus), der trinkt, Maria bespuckt, würgt, objektiviert, sexuell bedrängt und zu Verschwiegenheit drängt. Was nach Missbrauch aussieht - zumal Maria in der Buchvorlage 16 ist - ist für Atef „das Begehren einer jungen Frau, weibliches Begehren“, dass sie besonders bei einer jungen Frau auf die Leinwand bringen wollte. Als gäbe es nicht unzählige Filme, die jungen Mädchen Verlangen nach großväterlichen Sexualpartner unterstellen.
Fazit
Die Mär von der minderjährigen Verführerin, dem weiblichen Lebensziel Kinder und Küche, dem schmierigen Säufer als begehrenswerten Partner, der seine Partnerin nur wegen seiner Dostojewski’schen Dämonen misshandelt und erniedrigt, wird in keiner Form besser, weil eine Regisseurin sie inszeniert. Im Gegenteil. Warme Goldtöne färben neben der Nachwende-Provinz auch eine missbräuchliche Beziehung schön. Jördis Triebel, die gewohnt überzeugend ihre Paraderolle der patenten Ost-Arbeiterin gibt, politische Phrasen und Soft-Porno-Schauwerte potenzieren die kunstsinnige Prätention einer seichten, sexistischen Schmonzette.
Autor: Lida Bach