Inhalt
Die Familie Stamper verdient ihr Geld seit Generationen als Holzhändler. Familienoberhaupt Henry führt das Unternehmen mit harter Hand. Als sie sich weigern, den gewerkschaftlichen Streikaufrufen zu folgen, ziehen sie sich den Zorn ihrer Nachbarn zu. Ausgerechnet jetzt taucht auch noch völlig überraschend der vor Jahren mit seiner Mutter abgehauene, jüngste Sohn Leeland wieder auf der Matte.
Kritik
Für seine zweite Regiearbeit nach Die Liebe eines Sommers (1968) suchte sich Hollywood-Star Paul Newman (Der Clou) die Adaption des Romans Sometimes a Great Notion von Ken Kesey heraus, dessen Erstlingswerk Einer Flog über das Kuckucksnest einige Jahre später äußerst erfolgreich ebenfalls den Weg auf die große Leinwand finden sollte. Wie auch für Newman in der Funktion des Regisseurs war das Buch für Kesey das zweite Werk seiner danach kaum noch stattfindenden Karriere. An den Erfolg dieser beiden Romane konnte er nie wieder anknüpfen.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die Familie Stamper, die als Holzfäller- und Händler arbeiten. Henry Stamper (Henry Fonda, Spiel mir das Lied vom Tod) gibt dabei ganz klar den Ton an. Tradition und harte Arbeit stehen bei ihm an erster Stelle, sein Wort ist Gesetz. Sein ältester Sohn Hank (Paul Newman selbst) kommt ganz nach seinem Vater und stellt dessen wenig kompromissbereiten Führungs- und Lebensstil niemals in Frage. Ganz zum Leidwesen seiner Frau Viv (Lee Remick, Das Omen), die sich inzwischen jedoch damit abgefunden zu haben scheint. Eines Tages steht ganz unvermittelt Hank’s Halbbruder Leeland (Michael Sarrazin, Grüne Augen in der Nacht) wieder vor der Tür. Dieser flüchtete vor vielen Jahren mit seiner Mutter vor Henry’s Dominanz. Der Tod seiner Mutter warf ihn später heftig aus der Bahn, nun will er einen Neuanfang mit seiner Familie wagen. Sein Vater ist wenig begeistert von seinem langhaarigen College-Boy und lässt ihn das jede Minute spüren. Dennoch nimmt er ihn wieder bei sich auf, unter der Bedingung das er im Familienbetrieb mit anpackt. Als sich der sture Henry weigert, am flächendeckenden Streik der Holzfäller teilzunehmen, kommt es zu ernsthaften Konflikten mit den Kollegen. Die Lage droht zu eskalieren.
Sie möchten Giganten sein ist – im positiven Sinne – ein amerikanischer Heimatfilm. Natürlich nicht gleichzusetzen mit dem, was wir hierzulande darunter verstehen. Es ist ein Film, der einen tiefen Einblick in das Herz der US-amerikanischen Gesellschaft liefert, exemplarisch dargestellt durch die Familie Stamper. Erzkonservativ, republikanisch, patriarchisch geführt. Mit der überraschenden Rückkehr des „verlorenen“ Sohns und Halbbruders bekommt die andere Seite der Gesellschaft ein Gesicht. Liberal, Konventionen und Traditionen kritisch hinterfragend, auf der Suche nach einem eigenen, alternativen Lebensmodell. Der innerfamiliäre Konflikt ist übertragbar auf den einer Gesellschaft im Umbruch, kurz nach Woodstock, Easy Rider und während am anderen Ende der Welt immer noch ein furchtbarer Krieg wütet. Dieses alles thematisiert der Film zwar nicht direkt, dennoch spiegelt der Kontrast der ungleichen Brüder und besonders der zu dem herrischen, engstirnigen Vater eben dieses unmissverständlich wieder.
Der Film schildert den langsamen Niedergang einer Familie, die an ihrer Unbelehrbarkeit und ihrem Egoismus droht zu zerbrechen. Eingefangen in beeindruckenden Aufnahmen und mit einem hervorragenden Cast versehen könnte Sie möchten Giganten sein wirklich ein großes, amerikanisches Epos sein, womit der frei übersetzte deutsche Titel ziemlich zutreffend ist. Unglücklicherweise auch im negativen Sinne. Denn zum ganz großen Wurf fehlt es Paul Newman’s zweiter Regiearbeiten an der wirklich kritischen Auseinandersetzung mit seinen Figuren und der Thematik. Auch wenn er aufzeigt, dass das rücksichtlose und engstirnige Verhalten der männlichen Stampers zum Teil auch ihr Verderben heraufbeschwört, letztendlich verteidigt er ihr fragwürdiges Verhalten sogar ein wenig. Am Ende hat Hank fast alles verloren, dennoch stellt er nichts in Frage. Im Gegenteil, mit einer rotzigen Jetzt-erst-recht-Attitüde zeigt er es seinen Kritikern und Zweiflern. Dieser Schluss heroisiert ihn als unerschütterlichen Individualisten, der sich keinem Druck von außen beugt oder sich von so überbewerteten Dingen wie Vernunft oder Empathie verbiegen lässt. Das hinterlässt eines etwas seltsamen Beigeschmack zu einem ansonsten durchaus interessanten und insgesamt dennoch recht sehenswerten Film, der sich durch diese ambivalente Aussage am Ende nicht unbedingt einen Gefallen tut.
Fazit
Wunderschöne Aufnahmen und hervorragende Darsteller machen die zweite Regiearbeit von Hollywood-Legende Paul Newman zu einem handwerklichen Genuss, die moralische Aussage am Ende ist dafür leider etwas zwiespältig. Nichtsdestotrotz ein absolut interessantes Werk, das Unterhaltung und Anspruch gleichermaßen bedient.
Autor: Jacko Kunze