Inhalt
Die junge Mei lebt in einem kleinen Dorf in China und will nur eines: raus aus dem Kaff. Tatsächlich landet sie eines Tages in der nächsten Großstadt direkt in den Armen eines Kleinganoven, der aber schon kurz darauf von einer Kugel tödlich getroffen wird. Mei nimmt dessen gespartes Geld und geht nach London. Dort holt sie ein 70-jähriger Engländer von der Straße und heiratet sie. Doch dann verliebt sich Mei in den Inder Rachid und wird von ihm schwanger. Rachid aber will zurück in die Heimat, und Mei ist wieder auf sich allein gestellt.
Kritik
Sie habe eine Geschichte von einem Mädchen gehört, das wie eine Kirschblüte war, erzählt die junge Mei (Huang Lu). Bevor es verwelken würde, stürzte es sich in den Tod. Die Protagonistin gleicht jenem Kirschblütenmädchen. Sie hat einen miesen Job in einem schäbigen Imbissstand und praktisch keine Chance. Trotzdem packt sie alles, was nach einer Chance aussieht und lässt sich lieber treiben, bevor sie in der Enge der Provinz eingeht. Farbige Titelkarten kommentieren die Episoden auf Meis Weg und reflektieren die Ereignisse mit sarkastischem Witz: „Jede Mutter will nur das Beste für ihre Tochter“. Das Beste ist für die Mutter ein Parteikader, mit dem Mei sich verabreden soll. Doch die unangepasste Heldin spürt, dass sie keine Zeit mehr hat. Bevor sie in der Trostlosigkeit ersticken wird und flieht in die Stadt, wo sie in einem Bordell strandet.
In ihrem gesellschaftskritischen Drama zeichnet die chinesische Regisseurin Guo Xiaolu ein eindrucksvolles Bild einer modernen Frau auf der Suche nach Freiheit und einer Gesellschaft zwischen rasendem kapitalistischem Fortschritt und ideologischer Rückständigkeit. Schnörkellose, unter die Haut gehende Bilder zeigen den verzweifelten Kampf um Selbstverwirklichung und Freiheit. Fast anonym erscheint Mei zuerst. Die Offenheit der Landschaft und der Settings vermittelt nicht Freiheit, sondern Leere. Alles ist trist und leer, moderne Gegenstände wirken wie Relikte einer fremden Welt. Der MP3-Player eines Bekannten ist einer dieser magischen Gegenstände. Darauf Musik zu hören für Mei einer der wenigen Fluchten aus der Monotonie ihres Alltags. Der jugendliche Besitzer ist nur ein flüchtiger Bekannter, einer der Männer, von denen Mei sich in den nächsten Ort ins Kino bringen lässt oder auf deren Motorroller sie mitfährt. Meis Einsamkeit scheint ihr die Sprache zu rauben. Nur selten wird in der episodischen Handlung gesprochen.
Worte sind überflüssig, die nüchternen Bilder sagen genug. Selbst in Meis Beziehung zu dem kriminellen Spikey (Wei Yi Bo) gibt es kaum Worte. Beide wollen in den Westen. Eine Aufnahme des Big Ben hat er an die Wand seines kargen Zimmers geheftet. Vor einem ähnlichen Bild lässt sich die Protagonistin in einem Fotogeschäft ablichten. Das Bild verbindet die beiden Rastlosen, deren Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Nach dem Intermezzo mit Spikey schafft es Mei nach England. Dort erlangt sie eine Aufenthaltsgenehmigung über eine Ehe mit dem alten Mr. Hunt (Geoffrey Hutchinson). Glück ist etwas anderes. Immer gibt es etwas, was die junge Frau gefangen hält. Armut, lokale Grenzen, eine Beziehung. Doch Huang Lu verleiht ihrer Heldin eine beeindruckende innere Stärke. Die Hauptfigur ist kein Opfer, sondern eine Kämpferin, deren Freiheitsdrang sinnbildlich für den vieler junger Chinesen steht. In Sprüngen prescht die Handlung voran, ohne dass die Kontinuität abreißt. Die authentische Geschichte finden hat ihren eigenen Rhythmus.
Fazit
Mit „She, A Chinese“ vertritt die Regisseurin ein junges, weltgewandtes chinesisches Kino, das sich gegen die Zensur stellt. Gemeint ist damit nicht nur die staatliche: „Die größte Zensur ist die kommerzielle Hollywoodmaschinerie, welche uns alle Möglichkeiten nimmt“, sagt Guo, „Gegen Filme wie “King Kong“ und „Harry Potter“ haben wir keine Chance.“ Ein Grund mehr, das exzellente Drama anzusehen.
Autor: Lida Bach