6.4

MB-Kritik

Schock 2023

Drama, Crime

6.4

Deniz Arora
Sandro Di Stefano
Anke Engelke
Denis Moschitto
Marissa Möller
Aenne Schwarz
Torsten Voges
Fahri Yardım

Inhalt

Bruno (Denis Moschitto) ist Arzt, hat aber seine Approbation verloren. Jetzt näht er Wunden und kümmert sich um Patienten, die lieber außerhalb des Systems im Verborgenen bleiben. Als ihm die Anwältin Kreber (Anke Engelke) das Angebot macht, einen leukämiekranken Kriminellen zu behandeln, wird sein Ehrgeiz geweckt. Mit der Entscheidung, die Behandlung zu übernehmen, gerät er jedoch nicht nur zwischen die Fronten des organisierten Verbrechens, er stellt sich damit auch gegen Giuli (Fahri Yardim), den Mann seiner Schwester Laura (Aenne Schwarz), der ein Widersacher von Brunos neuem Patienten ist. So wird für Bruno der Grat seines Handelns immer schmaler und das Spiel immer gefährlicher – bis ihm die Dinge entgleiten.

Kritik

Gesehen im Rahmen des Film Festival Cologne 2023.

Nach der Vorführung von Schock erklärten und , dass ihr gemeinsamer Film kein großes Budget zur Verfügung hatte. Es sei ein Tatort-Budget. Mit diesem Begriff werden gleich auch Vorstellungen und Erwartungen geweckt. Biederes, teutonisches Kino. Formalitäten, so oft und so lange durchgespielt und durchgenommen, dass sie die meisten auswendig können. Und auch wenn der u. a. von ARTE sowie WDR unterstützte Film sich nicht freimachen kann davon, in altbekannten Habitaten unterwegs zu sein, ist er dann eben doch kein Tatort, sondern tatsächlich ein Genre-Film. Einer, der sich komplett auf seine eigene Strömung verlässt. Natürlich bedeutet das auch, dass uns dutzende kleinere und größere Klischees begegnen. Wie die verpackt werden wirkt erfrischend unverblümt. Es ist ein direktes Werk. Nicht ganz frei von Längen, aber auch innerhalb diese Elegien lassen sich interessante Aspekte sowie Elemente finden.

Dazu gehört, wie uns das Drehbuch von Hauptdarsteller Denis Moschitto (Aus dem Nichts) und Co-Regisseur Daniel Rakete Siegel (Im Knast) die zentrale Figur näher bringt. Wir erfahren immer nur Bruchstücke von Bruno. Durch einzelne narrative Partikel entsteht nach und nach ein Mosaik. Eine Beschreibung eines Charakters, der die meiste Zeit einsam wirkt. Ein Getriebener, der die kriminelle Unterwelt medizinisch versorgt. Der Grund für seine gescheiterte Karriere als Arzt, die Distanz zu seiner Schwester (, Servus Papa, see you in Hell), die halbseidenen Kontakte zu Apothekern (Daniel Wiemer, Merz gegen Merz) sowie einer Mafia-Anwältin (Ankel Engelke, Frau Müller muss weg), das alles ist der Erzählung nicht egal, aber sie zwängt es dem Publikum nicht auf. Es sind oft Details am Wegesrand, die Bruno nach und nach ausformen. Aber egal wie viel man davon mitbekommt oder mitnehmen möchte, nie steht außer Frage, dass Bruno von der ersten Sekunde an Richtung Abgrund unterwegs ist. Zunächst mit kleinen Schritten, irgendwann mit erhöhten Tempo.

Das alles wird unverblümt und unmittelbar präsentiert. Trotz magerem Budget sieht Schock verdammt gut aus. Er folgt einer unterkühlten, urbanen Ästhetik, die jede Anwandlung von Hoffnung im Keim erstickt. Das wuchtige Sounddesign sowie die musikalische Untermalung von DJ Hainbach rollen dafür den passenden Klangteppich aus. Wenn Bruno mit seinem mittelklassigen Honda durch die Straßen von Köln fährt, wenn er in Bordellen Zähne zieht, wenn er mit Blick auf die Opern Passagen im Fitnessstudio sich verausgabt. Das sind alles Momente, die dafür sorgen, dass sich Schock echt anfühlt. Hier gibt es keine Aufnahmen vom Kölner Dom. Die Stadt am Rhein dient als Moloch. Als Ansammlung von grauem Beton, verblassten Graffitis. Eine Welt, in der Gangster (überzeugend gegen den Strich gecastet: , Jerks) verkochte Nudeln mit Tomatensauce aus dem Glas essen. Ein Ort so bitter und qualvoll, dass hier nur schlimme Dinge passieren können.

Und das tun sie auch. Die Abwärtsspirale nimmt Fahrt auf und der große Fall, da ist Schock sehr auf klassischen Bahnen unterwegs, lässt natürlich auch Unschuldige nicht außen vor. Die große Eskalation am Ende, sie erscheint wie der letzte Konsonant, im Durchbuchstabieren einer sich anbahnenden, irgendwann unerschütterlichen Tragödie. Platz für Heldentaten, große Posen oder gar Optimismus bleibt da nicht. Am Schluss bleiben nur noch Trümmer. Das ist eindringlich, vielleicht sogar ein wenig zu sehr forciert, aber immer mit einem klaren künstlerischen Grundgedanken dahinter. Nichts, was einen wirklich fordert (mal abgesehen von einer bösen Szene mit einem Daumen), aber was einen wirklich als Zuschauer*in gefangen nimmt. Zu verdanken ist das neben der Regie vor allem der Besetzung. Denis Moschitto wurde leider schon oft unter Wert verkauft und die Chancen, dass Schock zum Kassenhit wird, darf als eher marginal angesehen werden. Sei‘s drum. Er hat das, was ein guter Schauspieler benötigt: Talent, Ausdruck und Anziehungskraft. Drei Qualitäten, die sich auch in Schock finden lassen.

Fazit

"Schock" überzeugt als intensiver Genre-Film mit starker Umsetzung und Atmosphäre, trotz begrenzter Mittel. Die künstlerische Qualität verdient Anerkennung, auch wenn der Titel gelegentliche Längen aufweist. Schade, dass er es (vermutlich und zu Unrecht) in der deutschen Kinolandschaft schwer haben wird.


Autor: Sebastian Groß
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