Inhalt
Der opulente Filmessay fügt Heterogenes aus Geologie, Ethnografie und Astronomie zu einem überraschenden Palimpsest zusammen. Sein Vorgehen erinnert an manche hybride Erkundungsmethode in der Gegenwartskunst und schließt an überlieferte Deutungsmodelle an, die Mensch und Kosmos, Elemente und Naturerscheinungen als organischen Zusammenhang sehen.
Kritik
Was Fern Silvas ersten Langfilm daran hindert, zumindest auf der rein visuellen Ebene einer experimentellen Collage von Zivilisations- und Landschaftsbildern zu bestehen, ist der reflexartige Anstrich eines tiefergehenden geschichtspolitischen Zusammenhangs. Letzen suggerieren willkürlich in den pompösen Bilderbogen des US-amerikanischen Regisseurs eingestreute Bezugspunkte der unzureichend aufgearbeiteten Kolonialvergangenheit des hawaiianischen Schauplatzes. Dessen vulkanische Insellandschaft ist so reich an einzigartigen Naturspektakeln, dass es für eindrucksvolle Aufnahmen nicht viel mehr braucht als das passende teure Kameraequipment und Zeit.
Von zweiter hatten offenkundig einige Regisseure zu viel im letzten Jahr. Das bescherte selbst dem radikal reduzierten Berlinale-Programm eine auffällige Anzahl an Lehrlauf-Filmen, die weniger über ihr vorgehaltenes Sujet aussagen als darüber, was bei den Machern im Regal stand. Von wegen Inspiration und so. Bei Silva waren es scheinbar ganze Sammelbände des National Geographic. An dessen monumentale Fotostrecken erinnert der um epische Eindrücke bemühte Schaubogen in den besten Momenten. Solche sind allerdings rar.
Das in der Beschreibung von irgendjemanden, der nicht weiß was Palimpsest beutetet, als „Palimpsest“ betitelte Potpourri verrät seine Banalität nicht nur in der unausweichlich touristischen Perspektive, sondern dem Hang zu auf Komik abzielenden Kuriositäten. Da hört dann eine Erwachsenenklasse Simon & Garfunkels „I Am a Rock“ oder es wird darüber debattiert, ob Dwayne Johnson deine passende Besetzung für die Rolle des ersten Königs Hawaiis Kamehameha wäre. Nicht nur diese Frage haben andere andernorts weit interessanter erörtert.
Fazit
Einerseits ist man irgendwie dankbar, dass Fern Silva sich anlässlich seines Langfilmdebüts nicht vor die Kamera setzt, um die Geschichte Hawaii von der vulkanischen Entstehung des Archipels an zu erklären und das Ganze dann in Manier Avi Mograbis „Die ersten x-tausend Jahre“ zu nennen. Andererseits wird sein mit skurrilen Markern erklärten politischen Bewusstseins ausstaffiertes Cross-over von Naturdoku und Experimentalfilm weder auf optischer noch inhaltlicher Ebene der kolonial- und naturhistorischen Komplexität der Materie gerecht.
Autor: Lida Bach