Inhalt
1965 wird der Pilot Dieter Dengler auf einer streng geheimen Bombenmission über Laos abgeschossen. Nach einem qualvollen Fußmarsch landet er schließlich in einem höllischen Gefangenenlager tief im undurchdringlichen Dschungel Vietnams. Um dem sicheren Tod zu entgehen, bereitet der furchtlose Deutsch-Amerikaner akribisch einen Fluchtplan vor und avanciert so zum Hoffnungsträger für seine Mitgefangenen. Nach dem gelungenen Ausbruch beginnt jedoch eine wahre Odysee für die Männer. Unter tragischen Umständen verliert Dieter Dengler seine Begleiter und gelangt bald an seine körperlichen und mentalen Grenzen. Nach Wochen wird er völlig ausgehungert von U.S.-Soldaten gerettet und zum gefeierten amerikanischen Kriegshelden.
Kritik
Als der kleine Dieter Dengler während des zweiten Weltkrieges Zeuge davon wurde, wie ein Kampfflugzeug der alliierten Kräfte seine Heimatstadt im Schwarzwald bombardierte, packte ihn keinesfalls die Todesangst. Er wurde vielmehr Teil einer epiphanischen Erfahrung, als er für wenige Sekunden von seinem Versteck auf dem heimischen Dachboden in die Augen des Piloten blicken könnte, dessen Kabinendach offenstand und Schutzbrille hochgeklappt war. Dass einem diese Anekdote wenig geheuer scheint, versteht sich von ganz allein, allerdings ist sie elementar, um das Wesen des mit 18 Jahren in die Vereinigten Staaten emigrierten Dieter Denglers zu begreifen: Er hat sich schon von Kindesbeinen an danach gestrebt, Flügel verliehen zu kommen – und das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat ihm die Chance im militärischen Kreise der United States Navy ermöglicht.
Das allerdings ist nicht die Geschichte, die über Dieter Dengler an dieser Stelle erzählt werden soll, aber dennoch wichtig ist, um das große Ganze, welches sich um seine Person wickelt, nachzuvollziehen. Kinotauglicher, was an dieser Stelle etwas ungewollt abschätzig formuliert scheint, erweist sich der Umstand, dass Dengler der einzige von 500 US-Soldaten war, die es aus eigener Kraft geschafft haben, der laotischen Gefangenschaft zu entfliehen. Und genau darum geht es Werner Herzog (My Son, My Son, What Have Ye Done) in Rescue Dawn, dem filmischen Äquivalent zu seiner preisgekrönten ZDF-Dokumentation Flucht aus Laos aus dem Jahre 1998. Es geht um die Flucht eines Mannes, der sich nicht nur den unmenschlichen Verhältnissen des Rebellenlagers der kommunistischen Miliz Pathet Lao gestellt hat, sondern auch der Urgewalt der undurchdringlichen Dschungels.
Es vergehen kaum mehr als 15 Minuten, bis Dengler (Christian Bale, American Psycho) über dem – eigentlich neutralen – Laos abgeschossen wird und sich nach einer Bruchlandung geradewegs in den Kampf um das eigene Überleben begibt. Während ihm die Milizen auf den Fersen sind und ihn alsbald in das Gefangenenlager verfrachten, ist Dengler vorerst der grünen Hölle ausgeliefert; der Hitze, den Insekten, der Orientierungslosigkeit. All dessen, worüber er sich mit seinen Kameraden zuvor noch lustig gemacht hat. Schon hier wird deutlich gemacht, dass Werner Herzog mit Rescue Dawn sein durch Filme wie Aguirre, der Zorn Gottes und Fitzcarraldo erfolgreichstes Leitmotiv weiterentwickelt: Der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Natur. Rescue Dawn aber ist auch die Umkehrung dessen, ist Dengler doch nicht als Abenteurer gekommen, sondern ein Gestrandeter, der schnellstmöglich einen Ausweg aus diesem so erhabenen wie tödlichen Landschaftspanorama sucht.
In der Gefangenschaft, in der er tagtäglich misshandelt und gedemütigt wird, unterstreicht Werner Herzog weitergehend, dass es nicht das Lager selbst ist, welches ihn festhält, sondern der Dschungel, der hier das wahre Gefängnis darstellt und Wärter wie Insassen gleichermaßen in den Wahnsinn treibt. Was an Rescue Dawn dabei wahrlich begeistert, ist die alles durchdringende Körperlichkeit: Die ausgemergelten Leiber, die Angstzustände, die sukzessive übergreifenden Geisteskrankheiten – zusammen mit Christian Bale, Steve Zahn (Joyride – Spritztour) und Jeremy Davies (Der Soldat James Ryan) wird auch der Zuschauer Opfer der vorherrschenden Zustände. In berauschenden Bildkompositionen und einer gleichwohl unmittelbaren, teilweise dokumentarisch anmutenden Kameraarbeit geht es Rescue Dawn um die lebensumwälzende Begegnung mit dem Dschungel als alles verschlingender, alles zersetzender Organismus. Nur selten gibt er Menschen wieder frei, bevor er sie verdaut hat.
Wo Rescue Dawn anfangs noch gerne als 60 Millionen schwerer Blockbuster beschrieben wurde, eröffnet sich letztlich doch der Blick auf das gleichermaßen geliebte wie verhasste Autorenkino des Werner Herzog, der sich auch hier seinen Themen und seinem Stil bis ins Irreale treu gelieben ist. Und mag dieser Film eine in seiner spürbaren Authentizität auslaugende, brillant gespielte Seherfahrung sein (Steve Zahn liefert hier zweifelsohne die Performance seines Lebens und bietet dem sich wieder extrem ausgehungerten Christian Bale gekonnt die Stirn), am Ende, nach Rück- und Schicksalsschlägen, ist es auch de Erlösungsgeschichte eines Mannes, der sich eigentlich nur hoch in die Lüfte schwingen wollte. Nicht, weil er sich aus einem patriotischen Ansporn Amerika verpflichtet fühlt, sondern weil ihm kein anderes Land auf der Welt die Möglichkeit gab, seinen Traum zu verwirklichen. Dass Dieter Dengler noch vier weitere Flugzeugabstürze überlebte, spricht wohl ganz allein für sich.
Fazit
Die alles durchdringende Körperlichkeit, die Werner Herzog mit "Rescue Dawn" freilegt, wird noch lange im Gedächtnis bleiben. Die Koryphäe des deutschen Nachkriegskino überzeugt hier indes mit einer authentischen, auslaugenden und brillant gespielten Seherfahrung, die sich meisterhaft mit dem Lieblingsthema des Regisseurs auseinandersetzt: Dem Kampf zwischen Mensch und Natur.
Autor: Pascal Reis