Inhalt
1915 an der Côte d´Azur. Als die unkonventionelle Andrée Heuschling sich dem großen Maler Pierre-Auguste Renoir als Modell anbietet, beginnt für die Familie Renoir ein neues Leben. Sie inspiriert den Impressionisten zu seinen letzten Meisterwerken der Kunst und hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei seinem Sohn Jean, der später als Filmemacher berühmt wurde. Über den ruhigen Alltag auf dem Anwesen an der Côte d´Azur zieht währenddessen der 1. Weltkrieg seine Schatten. Beide Söhne des Malers werden im Kampfeinsatz verwundet und kehren vorübergehend heim.
Kritik
Das Zentrum des Films sind Szenenbilder, die in überschwänglicher Schönheit schwelgen. Wie die Werke des großartigen Impressionisten Pierre-Auguste Renoir strahlen sie farbenfrohe, satte Lebenslust aus. In lichtdurchfluteten Ateliers und sonnenwarmen Landschaften sitzt der in die Jahre gekommene Künstler (gespielt von Michel Bouquet) vor seiner Staffelei und riskiert gewagte Blicke auf die betörende, zarte Haut seines Nacktmodells Andrée Heuschling (Christa Théret). Regisseur Gilles Bourdos („Ein Engel im Winter“, 2008) hat nicht nur mit seinem Kameramann Mark Lee Ping Bin einen Glücksgriff getätigt, sondern es kommt auch die Frage auf, welche Genies hierbei als Lichtbildner am Werke waren. Jede Szenerie ist es wert, in Stein gemeißelt zu werden. Und selbst das wäre nicht gerechtfertigt, denn die Farben sind der Ursprung der nahezu vollkommenen Bildkompositionen.
Zu Beginn folgt der Zuschauer der jungen Frau Andrée, die mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Anwesen der Renoirs ist, um sich dem Maler als Modell vorzustellen. Die jubelnde Atmosphäre eines Neubeginns wird von Schatten überzogen, sobald Andrée in das Privatleben des Künstlers eintaucht. Sie trifft auf seinen jüngsten Sohn Coco (Thomas Doret), der sie skeptisch und mit finsterer Miene begrüßt. Später heißt es, sie sei von einer Toten geschickt worden, denn Frau Renoir, die sie ihrer Ansicht nach eingeladen hat, ist längst verstorben. Auf faszinierende Weise wird die Lebensfreude, die sich im Alltag auf dem Anwesen und in den Bildern Renoirs widerspiegelt, durch verschiedenste Umstände getrübt, jedoch nie gänzlich bezwungen. Zum einen leidet Renoir an einer rheumatoiden Arthritis, die ihn dazu zwingt, dass er sich den Pinsel an die Hand binden lassen muss. Zum anderen macht der 1. Weltkrieg auch an einem abgelegenen Ort, wie es das Landhaus Les Collettes ist, seinen Einfluss geltend. Renoirs andere beiden Söhne Pierre (Laurent Poitrenaux) und Jean (Vincent Rottiers) haben sich gemeldet, um ihr Heimatland zu verteidigen und nur eine schwere Verletzung bringt Jean dazu, für einige Zeit zu seinem Vater zurückzukehren. So bahnen sich die durch Menschen verursachten, tragischen Ereignisse ihren Weg durch den bis dahin unversehrten Garten der Lebensfülle, den der alte Renoir hegt und pflegt.
In Anbetracht der visuellen Grazie des Films kommt die Erzählstruktur der Geschichte etwas zu kurz. Es ist nichts daran auszusetzen, wenn ein Regisseur sich an dem Hauptcharakter seines Films orientiert und folglich den Plot in gemäßigtem Tempo vorantreibt, doch darf dann nicht die Aussagekraft darunter leiden. Mit Begeisterung nimmt der Zuschauer bildhafte, intelligente Ideen des Großmeisters auf, wie zum Beispiel seine sogenannte Korkentheorie, die besagt, dass man sich im Leben treiben lassen müsse. Auch was die Technik und Malerei Renoirs angeht, werden nur spärlich Brotkrumen gesät, die vom Publikum mit Heißhunger verspeist werden. So äußert der Künstler an einer Stelle, dass die Struktur eines Bildes durch die Farbe bestimmt werde und nicht durch die Linie, was einen eindeutigen Hinweis auf die Veränderung seines Stils im hohen Alter darstellt. Von dieser Art Dialoginhalte hätte man durchaus weit mehr vertragen können. Nach dem Film ist das Auge gesättigt und rundum zufrieden, aber die Erinnerung entbehrt einen auch kognitiven Zugang zu Renoir als Maler und als Menschen.
Ein durchaus interessanter Aspekt ist der, dass Renoir sich selbst nie als Künstler bezeichnet hat, sondern als Handwerker gelten wollte. Diese Tatsache steht ganz im Gegensatz zu dem Bild, das der Film grundsätzlich vermittelt und das auch in der Realität bestanden haben muss. Denn er befand sich in einer Umgebung und führte sein Leben in einer Weise, die ausschließlich, womöglich sogar klischeehaft, auf vollkommenes Künstlertum hinweist. Davon abgesehen zeugt diese Selbstsicht von einer Bescheidenheit, die man durchaus, zumindest im Hinblick auf seine Kunst, mit Renoir in Verbindung bringen kann.
Da der Film auf Schriften von Jacques Renoir, einem Urenkel des großen Meisters, beruht, ist es ihm nicht als Schwäche anzulasten, dass der Titelcharakter nicht immer im Mittelpunkt steht. Denn die eigentliche Hauptperson des Films ist der Sohn Jean Renoir, der sich in das Modell seines Vaters verliebt und zusammen mit ihr seine Zukunft als Filmregisseur zu planen beginnt. Regisseur Bourdos schafft aber die Gratwanderung und erzählt gekonnt aus der Sicht des Sohnes das Leben des Malers, ohne sich dabei in Details anderer Charaktere zu verstricken. Die Ernsthaftigkeit, mit der er bei der Sache bleibt und die aufrechte Bewunderung für das Lebenswerk Renoirs sind zu jeder Zeit spürbar. So lässt Bourdos den Maler in einer Szene ein treffendes, wenn auch knappes Schlusswort seines Lebens sprechen:
„Der Schmerz geht vorbei, die Schönheit bleibt.“
Fazit
Die Künstlerbiografie „Renoir“ ist ein vortrefflicher, behutsamer Versuch, dem Werk des großen Impressionisten filmisch gerecht zu werden. Im Vordergrund stehen dabei die unglaubliche Farbenvielfalt von atemberaubenden Landschaften und Lichtfluten, die selten so genial eingefangen wurden. Ein kleiner, aber ausdrucksstarker Arthouse-Film, der ein nicht ganz ausgereiftes Drehbuch durch solide Schauspielleistungen und eine begeisternde, lebensbejahende Atmosphäre wettmachen kann. Bilder wie aus einem Guss und Charaktere, die anrührend in Szene gesetzt wurden. Nicht nur für Renoir-Fans eine Empfehlung.