MB-Kritik

Requiem for Mrs. J 2017

Comedy, Drama

Mirjana Karanović
Srđan 'Žika' Todorović
Mira Banjac

Inhalt

Jelena hat genug vom Leben. Vor einem Jahr ist ihr Mann gestorben, jetzt fühlt sie sich müde und einsam, trotz zweier Töchter und der Schwiegermutter, die mit ihr die Wohnung teilen. Am Todestag ihres Mannes, am Ende der Woche, will sie sich das Leben nehmen – die Pistole liegt schon bereit. Doch vorher sind noch einige Dinge zu erledigen: Ein geborgter Sessel muss an den Nachbarn zurückgegeben werden, die Lebensversicherung ist zu kündigen. Der Steinmetz soll ihr Porträtfoto auf dem Grabstein anbringen, und auch der Mitgliedsausweis der Krankenversicherung ist zu erneuern. Dafür braucht Jelena allerdings den Nachweis, dass sie in den vergangenen 20 Jahren fest angestellt war. Nach und nach begreift die ruhige, bescheidene Frau, dass nichts einfach ist in einem Land, das zwischen Agonie und Aufbruch hin- und herpendelt. Die Verwaltungen sind überfordert, Jelenas einstige Firma ist bankrott, die verbliebene Belegschaft schlägt die Zeit tot. Und bald ist die Woche vorüber.

Kritik

Früher hat Jelena (Mirjana Karanovic) gesungen. So wunderschön, dass alle mit einstimmten. Eine ehemalige Kollegin der alternden Protagonistin, die der jugoslawische Regisseur Bojan Vuletic auf den letzten Schritten eines erschöpfenden Lebenswegs begleitet, erinnert sich daran. Es fällt schwer, sich Jelena unbeschwert vorzustellen. Ihren Job hat sie verloren, dass ihr Gatte verstorben ist, wissen die Ex-Kollegen nichtmal. Die greise Großmutter haust bei ihr in einer Hinterkammer. Ihr einziger Weg hinaus führt in die Küche und wieder zurück. Ihr wortloses Auftauchen ist eine geisterhafte Vorahnung des Schicksals, das die Hauptfigur erwartet. Tag für Tag sitzt sie untätig in der schäbigen Wohnung mit ihren Töchtern fest. 

Die Jüngere (Danica Nedeljkovic) geht noch zur Grundschule, aber flucht in vulgärster Sprache und filmt heimlich Sexvideos mit ihrem Handy. Die Ältere (Jovana Gavrilovic) kann den Tag kaum erwarten, an dem ihre apathische Mutter endlich den Haushalt verlässt, ob tot aus der Tür getragen oder zu irgendeinem typischen Seniorenhobby ist dabei einerlei. „Ich kann nichtmal mehr deinen Anblick ertragen“, schreit sie in die tote Hässlichkeit des Wohnzimmers, „Wenn du mir nicht helfen kannst, geh dich wenigstens aus dem Weg!“ Das tut die Nicht-Heldin der mitleidlosen Farce auf die gescheiterten Hoffnungen und falschen Fortschrittsversprechungen eines maroden Systems.

Bevor Jelena den am Todestag ihres Mannes geplanten Suizid ausführen kann, will sie ihre Familie absichern. Doch um ihre Rentenzahlungen einzulösen, braucht es Nachweise der Arbeitszeiten. Sie zu erhalten ist eine Sisyphusarbeit, ein aberwitziges Anrennen gegen behördliche Windmühlen, die allesamt stillstehen. In Wartezimmer, die Musterbeispiel deprimierender sozialistischer Architektur abgeben, sitzen in trister Kleidung gekleidete Wartende mit starrem Blick. Sie warten wie Jelena, vermeintlich auf ein Dokument, tatsächlich aber auf das Ende. Die Zuschauer warten ähnlich müde und niedergeschlagen wie die Figuren.

Fazit

Die Hölle ist ein Behördenvorzimmer. Von eierschalenfarbenen Tapeten umgeben sitzen arme Teufel an Schreibtischen, auf denen Aktenberge und Computer von 1990 einstauben. Mit stillem Humor führt Vuletics bittere Satire die bürokratischen Absurditäten einer in Stillstand und Agonie gefangenen Nation vor. Das Verlassen des Kinosaals ist angesichts des überwältigenden Trübsinns des Trauerspiels befreiend.

Autor: Lida Bach
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