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Ein Mann ist tot. Wer war es: der Ehemann, die Ehefrau oder der Bandit...? Bahnbrechender Episodenfilm über die vielfältigen Gesichter der Wahrheit.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Ein Samurai ist tot, seine Frau wurde vergewaltigt und ein Bandit wird verhaftet. Aber was ist passiert? Das ist, obgleich für viele auf den ersten Blick eindeutig, die große Frage in „Rashomon“. Den Handlungsrahmen bildet dabei das Zusammentreffen eines Mönchs, eines Bürgers und eines Holzfällers. Der Regen prasselt unaufhaltsam auf den Boden hinab und die Drei suchen Unterschlupf am historischen Tor Rashomon. Währenddessen wird die eingangs erwähnte Geschichte erzählt, doch nicht nur ein einziges Mal, ganze viermal wird sie wiederholt. Viermal aus unterschiedlichen Blickwinkel, so erlebt der Zuschauer die Sichtweise des Samurais, der Frau, des Banditen und des scheinbar nicht involvierten Holzfällers. Aber wer hat Recht?

So leicht lässt sich die Frage jedoch nicht beantworten und an dieser Stelle sei bereits verraten, dass es auch nach dem Film keine eindeutige Antwort darauf gibt. Akira Kurosawa ("Die sieben Samurai") packt sein komplettes Können als Geschichtenerzähler aus und verschachtelt die für sich genommen simplen Teilaspekte so geschickt ineinander, dass eine deutlich komplexere Struktur entsteht. Doch damit nicht genug, durch geschickte Kameraperspektiven und Figurenkonstellationen setzt „Rashomon“ seinen Zuschauer oftmals selbst in die Rolle des Entscheiders, beispielsweise indem er die Szenen vor Gericht aus der Sichtweise des gar nicht erst zu sehenden Richters zeigt. Denn das ist eine weitere Stärke des inhaltlichen Aufbaus, obgleich komplex verschachtelt hält er sich in der Menge der auftretenden Charaktere angenehm zurück. Dadurch gelingt es dem Film den übrigen Figuren genügend Platz einzuräumen und diese tiefergehend zu charakterisieren.

Auch Kurosawas Dauergast Toshiro Mifune („Zwischen Himmel und Hölle“) liefert einmal mehr eine völlig ausufernde Performance. Die Grenze zum Overacting lässt er in seiner überzogenen Gestik, Mimik und Körpersprache meilenweit hinter sich zurück und wirbelt somit unaufhaltsam durch die Szenerie. Was bei anderen Schauspielern oft für unfreiwillige Lacher sorgt, beherrscht Mifune in einer solchen Präzision, dass seine Darbietung zwar einerseits völlig realitätsfremd wirkt, andererseits innerhalb des filmischen Konstrukts gar meisterlich funktioniert. Die restlichen Darsteller erreichen zwar niemals den Grad an überbordende Ausdruckskraft wie Mifune, doch auch sie bemühen sich redlich um plastische und bedeutungsvolle Darbietungen, was wohl zu großen Teilen Kurosawas gekonnten Regieanweisungen zu verdanken ist. Die suggestiven Schauspielleistungen tragen unverkennbar zur Klasse des Films bei, ermöglichen sie es doch auf unnötige Dialoge zu verzichten und einen Großteil der Emotionen, Reaktionen, Meinungen und Beziehungen auf rein bildlicher Ebene dazustellen.

Final erweist sich „Rashomon“ neben seiner inszenatorischen und technischen Qualität vor allem als ein unglaublich intelligenter Film. Die individuellen Aspekte von Wahrheit und Erinnerung reflektiert er ebenso feinfühlig wie er die tiefere Bedeutung dieser für den Zuschauer erfahrbar macht. Eindrucksvoll zeigt Kurosawa, dass es für alle Situationen unterschiedliche Sichtweisen gibt und dass sich die objektive Wahrheit im Gewirr der persönlichen Motivationen oftmals nicht ausmachen lässt. Denn letztlich stellt sich immer noch die Frage, ob die einzelnen Parteien absichtlich lügen oder ob ihre Version schon längst zur eigenen Wahrheit geworden ist. Fakt ist, dass jeder Charakter in seiner eigenen Geschichte als ehrenwerte Figur auftritt. Ob das nun beabsichtigte Selbstdarstellung oder bereits unterbewusste Einbildung ist bleibt offen. Und genau das macht „Rashomon“ auch so interessant.

Fazit

Akira Kurosawas Meisterstück „Rashomon“ ist nicht nur ein formal herausragendes, herrlich übertrieben gespieltes und äußerst kurzweiliges Werk, sondern besticht vor allem durch eine extrem vielschichtige Auseinandersetzung mit Lüge und Wahrheit. Durch zahlreiche inszenatorische Kniffe setzt der Film den Zuschauer selbst in die Position des Beurteilers und letztlich bleibt es auch diesem überlassen, wie er den Film letztlich interpretiert. Ein Meisterwerk, das seiner Zeit weit voraus war und wohl auch noch in 50 Jahren mit ehrlicher Begeisterung aufgenommen werden wird.

Kritik: Dominic Hochholzer

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