Inhalt
Immobilienmakler Steve Freeling zieht mit Gattin Diane und den Kindern Robbie, Dana und Carol Anne ins schmucke Vororthaus der Neubausiedlung Casa Verde. Die Freude weicht dem Entsetzen, als es zu spuken beginnt und Carol Anne Botschaften aus dem Fernseher empfängt. Ein Medium kann nur wenig helfen. Das Haus steht auf einem Friedhof, ist Tor zur Geisterwelt. Als Carol Anne ins Jenseits gezogen wird, holt Ma sie mit einem langen Seil zurück. Die Toten rächen sich und entfesseln einen Sturm von Katastrophen, denen die Familie knapp entkommt.
Kritik
Acht Jahre nach dem brillanten Blutgericht in Texas scheint Tobe Hooper mit Poltergeist bereits den nächsten Klassiker des Horror-Genres inszeniert zu haben. Zumindest könnte man das annehmen, wenn man die zahlreichen euphorischen Kommentare und Kritiken im Internet liest. Warum das nicht der Fall ist, soll später noch gezeigt werden. Vorerst müssen dem Film ein paar Eingeständnisse eingeräumt werden: Poltergeist ist allemal ein Kultfilm. Er hat maßgeblich Spukfilme geprägt, hat einige ikonische Bilder kreiert und findet sich heute noch regelmäßig auf Bestenlisten zur Halloween-Zeit. Es mangelt demnach weder an Einfluss, noch an Beliebtheit.
Dieser Film kommt mit einer interessanten Kombination mit Tobe Hooper am Regiestab und Steven Spielberg, der im gleichen Jahr Regie beim Kultfilm E.T. führte, als Produzenten daher, eine Mischung, die im Nachhinein für vielerlei Spekulationen gesorgt hat, Spielberg hätte diesen Film insgeheim inszeniert oder einen größeren Einfluss auf den kreativen Werdegang gehabt, als offiziell bekundet wurde. Diese Diskussionen sind natürlich insofern irrelevant, als dass die Qualität des Filmes und nicht die vermehrte Zuordnung in das kreative Schaffen des einen oder anderen Regisseur im Zentrum der Debatte stehen sollte. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass dem Film deutliche Einflüsse Spielbergs inne wohnen.
Poltergeist - und das sollte vor allem bei der Erstsichtung verwundern - ist bis auf wenige Ausnahmen ein sehr familienfreundlicher Film, was sich nicht nur auf die Zugänglichkeit der Zuschauerschaft, sondern auch auf den Inhalt bezieht. Besonders die erste Viertelstunde führt uns in das Leben einer friedlichen Vorstadt-Familie ein, was arg nach der "heilen" Welt schreit, die uns Spielberg regelmäßig vorsetzt. Es scheint die typisch brave Familie, die uns allzu oft bereits um die Ohren geschlagen wurde. Latent zeigen sich jedoch klar die Einflüsse der freiheitsliebenden, oft anarchistischen 70er-Jahre: Die Familie erscheint nicht reaktionär, perfekt oder glatt, sondern freiheitlich und antiautoritär, was sich zum Beispiel an der lockeren Haltung dem Drogenkonsum gegenüber festmachen lässt.
Generell muss man Poltergeist vor den Hintergrund der Strömungen innerhalb des Genres der 70er bis 80er-Jahre einordnen. Mit Halloween gelang ein Meilenstein, der das Subgenre des Slashers populär machte, woraufhin die Freitag der 13. -Filme folgten. Interessant am Subgenre des Slashers ist die autoritäre Haltung, die die Mörder oftmals einnehmen: Sie fungieren als Bestrafer. So gehört es in dem in Scream später auch überzeugend persiflierten Regelwerk dazu, dass Charaktere für Freizügigkeit bestraft werden. Es scheint nur logisch, dass sich dieses Subgenre gerade vor dem Hintergrund der 70er-Jahre herausbildete, um eine autoritäre Gegenhaltung einzunehmen. Ein aktuelleres Beispiel für eine derartige Herangehensweise stellt die Saw-Reihe dar, die mit dem Antagonisten eine Art Richter zu finden versucht. Können wir Poltergeist in gewissermaßen in diese Reihe einordnen?
Der Schritt eines Filmes mit einem eher konservativen Anstrich wäre es gewesen, die Familie für die freiheitliche Einstellung zu bestrafen. Hier wird jedoch ein Zwischenton getroffen, der weder Strafe noch Erlösung mit sich bringt. Die Schuld wird im letzten Moment von der Familie auf jemanden anderen übertragen. Der gewählte Ausweg fällt dabei leider recht plakativ aus und soll wohl einen pseudosubversiven Anstrich bekommen. Das Interessante und zugleich Unbefriedigende daran ist jedoch vor allem die Offenheit, die dieser Zwischenton ermöglicht: Eine Strafe kann man akzeptieren, sie kann Wut und Diskussion erzeugen. Eine Befreiung kann einen befriedigenden Abschluss bieten. Der gewählte Zwischenton sagt nur aus, dass die grausamen Ereignisse in keinem Zusammenhang mit der Haltung der Familie stehen.
Das erscheint urteilsfrei und realistisch, was wiederum eine befreiende Wirkung auf den Zuschauer hat. Auch angenehm, wenn natürlich auch diskursscheu, scheint der fehlende Gegenstand der Schuld zu sein. Während viele Horrorfilme mit der klaren "Sünde" arbeiten, zeigt Poltergeist nur ein Generation und deren Gedankengut, ohne es großartig abzuwerten. Hier liegt keine ideologische Bedenklichkeit vor, hier braucht man keinen Diskurs über reaktionäre Fantasien von Schuld und Sühne zu führen, hier kann man sich der Unterhaltung hingeben, die sowohl über Glanzmomente, als auch fundamentale Schwächen verfügt, was letztlich auch dazu führt, dass wir Poltergeist nicht als Klassiker bezeichnen können.
Ein Klassiker unterscheidet sich von einem Kultfilm insofern, dass er zeitlos erscheint, dass er bei wiederholten Sichtungen nicht an Qualität einbüßt. Gerade bei der Zweitsichtung fällt auf, dass es vor allem einzelne Momente, vereinzelte ikonische Bilder sind, die sich als stilprägend herausstellten und denen wir noch heute regelmäßig auf der Leinwand begegnen. Der Spannungsaufbau an sich verfügt über ein maßgebliches Problem, er löst sich zu früh in Visualität auf, versteckt zu wenig und wird zu früh zu laut. Und das trotz des recht cleveren Einfalls, die Paranormalitäten vorerst in aller Naivität als Banalitäten zu vermitteln.
Fazit
"Poltergeist" ist ein interessanter Kultfilm, der nicht nur einige intelligente Zwischentöne findet, die ab und zu leider in plakative Auswege münden, sondern auch ikonische Bilder. Zu einem Klassiker reicht es nicht, da der Film gerade beim mehrmaligen Sichten über konzeptionelle Probleme verfügt.
Autor: Maximilian Knade