Inhalt
Kein guter Tag für Krankenpfleger Paul. Seine schwangere Frau wurde entführt. Die Entführer verlangen von ihm, dass er einen schwerverletzten Mann, der sich aktuell im Krankenhaus befindet, eben aus diesem herausholt. Keine einfache Aufgabe, die außerdem den Haken hat, dass der Patient unter Mordverdacht steht und von der Polizei bewacht wird.
Kritik
Der französische Thriller Point Blank – Auf kurze Distanz ist in Deutschland zwar direkt auf DVD erschienen, konnte sich aber aus den Heimkinoregalen heraus recht schnell den Ruf einer kleinen Genre-Perle erarbeiten: Kurzweilig, rasant, aufs Wesentliche fokussiert und mit einem starken Gilles Lellouche in der Hauptrolle besetzt. Dass sich der Streamingdienst Netflix nun an einem Remake von Fred Cavayés zweitem Spielfilm aus dem Jahre 2010 versucht, lässt sich höchstens damit begründen, dass das amerikanischen Publikum immer noch nicht die Bereitschaft dazu aufbringt, sich Untertiteln zu stellen. Neue Impulse vermag dieser Point Blank dem Original nämlich nicht abringen – ganz im Gegenteil sogar. Joe Lynch (Everly – Die Waffen einer Frau) und Drehbuchautor Adam G. Simon (Man Down) vertrauen der Schlichtheit der Ausgangslage nicht.
Eigentlich handelt es sich bei Point Blank um einen zackigen High-Concept-Thriller, der nicht viel Zeit verschwendet, um zur Sache zu kommen. Die Eröffnung ist auch durchaus in der Lage, Lust auf mehr zu machen, wenn der Straßensöldner Abe (Frank Grillo, The Return of the First Avenger) aus dem Anwesen eines Staatsanwaltes flieht und sich daraufhin einen Schusswechsel über sieben Blocks mit seinen Verfolgern liefert. Die Kameraarbeit von Juan Miguel Azpiroz erweist sich dabei als überaus behände, setzt auf Plansequenzen und Dynamik, bis Abe schließlich von seinem eigenen Fluchtwagen über den Haufen gefahren wird. Nun darf sich Krankenpfleger Paul (Anthony Mackie, Avengers 4: Endgame) in Position bringen, um in eine Sache hineingezogen zu werden, mit der kein normaler Mensch in Verbindung gebracht werden möchte.
Vor allem nicht, wenn man – so wie Paul – kurz davor ist, zum ersten Mal Vater zu werden. Seine Freundin allerdings wird entführt und Paul dazu genötigt, Abe dabei zu unterstützen, das Krankenhaus unbemerkt wieder zu verlassen, ansonsten landet eine Kugel im Bauch seiner Liebsten. Point Blank setzt also erst einmal darauf, die ungleichen Charaktere dabei zu begleiten, wie sie irgendwie bemühen, bestmöglich aus dieser verzwickten Situation, die sich im Kern um einen USB-Stick dreht, wieder herauszukommen. Natürlich versucht sich der Film dabei zuvorderst daran, als klassischer Buddy-Movie zu punkten, in dem Abe und Paul sich erst einmal nicht sonderlich wohlgesonnen gegenüberstehen, um dann nach und nach zu merken, dass sie doch durchaus Sympathien füreinander hegen, weil sie beide im Prinzip für das Richtige einstehen. Mehr oder weniger.
Frank Grillo jedoch bleibt bis auf seine stählerne Physis weitestgehend ausdruckslos und schnaubt sich als – immerhin bulliges - Scott-Adkins-Abziehbild durch das Szenario, während Anthony Mackie, der demnächst an der Seite von Sebastian Stan mit Falcon & Winter Soldier seine eigene Serie spendiert bekommt, beweist, dass er Probleme damit hat, eine Hauptrolle adäquat auszufüllen. Macky fehlt es an Charisma und Präsenz, im Zusammenspiel mit Frank Grillo funktioniert der Falcon-Darsteller aber durchaus solide, weil er die pure Muskelkraft seines Kollegen mit einer zurückgenommenen Normalo-Mentalität frequentieren darf. Über die er allerdings im Verlauf der Handlung natürlich das ein oder andere Mal hinauswachsen muss, denn irgendwann steht Paul vor den Entscheidungen, die ihn letztlich dazu nötigen, den Abzug einer Waffe zu betätigen, um das Wohl seiner Familie zu schützen.
Dass Point Blank über seine schmale Laufzeit von nicht einmal 90 Minuten aber einfach keinen echten Spaß machen möchte, liegt daran, dass der Film seine in angenehmer Einfachheit gehaltene Prämisse irgendwann krampfhaft ausplustert. Da geht es dann nicht mehr nur darum, einen USB-Stick von A nach B und Paul zu seiner Frau zu bringen. Es entspinnt sich auch ein furchtbar dröger und erzählerisch wenig ergiebiger Handlungsstrang um korrupte Polizisten, was das Drehbuch von Point Blank wiederholt dazu nötigt, plumpe Haken zu schlagen, die diesen eigentlich kompakten, auf Tempo ausgelegten Action-Thriller unnötig ins Pseudo-Dramatische hochpusten und damit gnadenlos ausbremsen. Schlecht ist Point Blank letzten Endes nicht, aber dass seine wahre Qualitäten in der Genre-Reduktion liegen, hat er leider nicht begriffen.
Fazit
Das amerikanische Remake des französischen Action-Thrillers "Point Blank – Auf kurze Distanz" erweist sich insgesamt zwar nicht als durchweg schlechter Genre-Flic, allerdings wäre hier deutlich mehr möglich gewesen. Der Film von Joe Lynch verlässt sich nicht auf die angenehm zielgerichtete Ausgangslage und bauscht das Szenario zusehends unnötig auf. Frank Grillo und Anthony Mackie funktionieren zwar recht solide im Zusammenspiel, verfügen aber beide in diesem Fall nicht über die nötige Präsenz, um "Point Blank" als Buddy-Movie effektiv zu gestalten. Lieber zum Original greifen.
Autor: Pascal Reis