Inhalt
Plastik ist billig und praktisch. Wir sind Kinder des Plastikzeitalters. Kunststoffe können aber bis zu 500 Jahre in Böden und Gewässern überdauern und mit ihren unbekannten Zusatzstoffen unser Hormonsystem schädigen. Wussten Sie, dass Sie Plastik im Blut haben? Regisseur Werner Boote wirft in seinem investigativen Kinodokumentarfilm PLASTIC PLANET einen kritischen Blick auf unsere Plastik-Welt und will zum Nachdenken anregen. Er stellt Fragen, die uns alle angehen: Warum ändern wir unser Konsumverhalten nicht? Warum reagiert die Industrie nicht auf die Gefahren? Wer ist verantwortlich für die Müllberge in Wüsten und Meeren? Wer gewinnt dabei? Und wer verliert?
Kritik
Andy Warhol (Lonesome Cowboys) hat es kommen sehen. „I want to be plastic“, verriet der Pop-Art-Künstler, als nicht abzusehen war, dass jede*r zukünftig ein bisschen Plastik sein würde. Chemische Bestandteile des aus Erdöl erzeugten Kunststoffs sind im menschlichen Blutkreislauf nachweisbar. Eine Plastikschicht überzieht laut Meeresbiologe Charles Moore die Erde. Gleichzeitig ist das umstrittene Material in Medizin, Technologie und Industrie unverzichtbar. Der perfekte Stoff für eine Doku. Leider ist Werner Boote (Population Boom) nicht der perfekte Regisseur.
Wer seinen inszenatorischen Stil kennt, geht vorsorglich vor dem Holzhammer in Deckung. Im das Publikum infantilisierenden Belehrungston verquirlt der österreichische Filmemacher längst bekannte Fakten mit sensationalistischen Übertreibungen, Trivialitäten, Verallgemeinerungen und abwegigen Suggestivfragen, die für seine unzureichende Recherche exemplarisch sind: “Ist Plastik unser Golem? Zerstört die wunderbare Schöpfung ihren Schöpfer?“ Wer keine Ahnung von einer Thematik (wie jüdischer Folklore oder Literaturklassiker) hat und zu faul ist, sich zu informieren, sollte darüber nicht vor der Kamera schwadronieren.
Sind Gummienten Serienmörder?
Bootes Priorität sind nicht Aufklärung oder Problembewusstsein, sondern selbstdarstellerische Meinungsmache. Selbst die realen gravierenden Auswirkungen des Materials wirken in diesem Kontext unglaubwürdig. Differenzierte Untersuchungen und fachkundige Erläuterungen ersetzt polemischer Aktionismus. Programmatisch dafür ist der Spruch seiner im Supermarkt verklebten Sticker: Plastik tötet. Sind Gummienten Serienmörder? Mit charakteristisch sexistisch gefärbter Pseudoargumentation wird impliziert, Plastik diene ausschließlich dezidiert weiblichem Konsumexzess und Körperkult (Filmbeispiel: Brustimplantate), während es Männern existenziell bedroht: „Plastik verringert die Spermien-Produktion und blockiert Testosteron“.
Noch schlimmer: „Es werden mehr weibliche Babys geboren.“ Auf derart alarmistischen Abwegen erwartet man als Nächstes einen Incel mit der Theorie, Plastik sei die Geheimwaffe einer Frauenweltverschwörung, die Männer mit Riesenbrustimplantaten erschlagen will. Stattdessen verkündet lediglich „Plastinator“ Gunther von Hagen, das Leben beginne und ende mit Plastik. Widerstand sei zwecklos, mahnt Boote. Ernie aus der Sesamstraße wird das Kichern schon vergehen, wenn er wegen seines Quietsche-Entchens an Krebs verreckt und vom Plastinator plastiniert wird.
Fazit
“Da habe ich als Kind schon gern dran gerochen“, gesteht der Enkel eines Plastikproduzenten. Haben Werner Boote schädliche Plastikdämpfe etwa das Hirn vernebelt? Jedenfalls ist das Plastik-Pamphlet des Möchtegern-Michael-Moore weder seriös, noch informativ oder unterhaltsam. Albern bis reißerisch wird Halbwissen mit populären Ängsten und geläufigen Fakten zu einer Boulevard-Reportage aufbereitet. Weder findet eine sachliche Auseinandersetzung mit den gravierenden ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen übermäßigen Plastikverbrauchs statt noch eine objektive Schaden-Nutzen-Bilanz.
Autor: Lida Bach