Inhalt
Pippa Lee ist perfekt. Das zumindest glauben ihr Mann Herb und viele gemeinsame Freunde, die ihre unerschütterliche Gelassenheit im Familienalltag bewundern. Doch die sanftmütige zweifache Mutter verbirgt eine wilde, problematische Vergangenheit und Unzufriedenheit über ein Leben, das mit einem 30 Jahre älteren Mann in völliger Selbstaufgabe zu enden droht. Als Pippa Chris kennenlernt, dessen Dasein wie das ihre in einer Sackgasse steckt, beginnt sie über Veränderung nachzudenken und findet sich dabei selbst.
Kritik
Das Leben der Titelheldin (Robin Wright Penn) von Rebecca Millers unentschlossener Komödie ist perfekt. Aber irgendwie ist es auch die Hölle. Das wird der idealen Gattin, Hausfrau und Mutter klar, als sie eines Tages den Schokoladenkuchen aufgefuttert findet. Das waren weder Diebe, die das makellose Ruhestandsheim in einer vornehmen Siedlung eingebrochen sind, noch Pippas ältlicher Ehemann Herb (Alan Arkin). Das sind die existenziellen Probleme, mit denen die Figuren den tempoarmen Plot vor dem Stillstand bewahren. Bevor die Spannung ins unerträglich steigt, kommt der Schoko-Schock: Pippa selbst, die „Ikone einer Künstlergattin“, wie sie ein Freund nennt, schlafwandelt plötzlich und stört das eintönige Idyll mit nächtlichen Aktionen. Man muss nicht Freud sein, um zu ahnen, dass da unterdrückte Gelüste im Unterbewusstsein gären und chaotische Triebe sich Bahnbrechen.
Die Eskapaden wecken Pippas Erinnerungen an ihre ungestüme Zeit als Teenager (Blake Lively) und ihre tablettenabhängige Mutter Suky (Maria Bello). Ihr altes Ich macht sich plötzlich wieder bemerkbar. Obendrein tritt der tätowierte Bad-Boy-Nachbar Chris in Pippas Leben. Wird Pippa sagen: Geh weg, junger wilder Keanu Reeves, ich mag lieber meinen langweiligen Pappityp Alan Arkin? Jeder Mensch führe mehrere Leben, sagt die Protagonistin einmal. Doch die Privatleben der Pippa Lee, die der Originaltitel ansagt, sind banale Stationen eines Spießerlebens, inklusive der obligatorischen phasenweisen Rebellion dagegen. Die Regisseurin stellt das als abenteuerliche völlig andere Leben hin, alle anderen nennen es einfach Pubertät und Midlife-Crisis. Mehr Kontur bekommt die Pippas Persönlichkeit dadurch nicht. Sie sei ein Rätsel, heißt es von ihr. Und das bleibt sie bis zuletzt, wenn auch kein sonderlich Spannendes. Mehr Neugier als die Rückblicke in ihre Vergangenheit weckt ihr chronischer Selbstbetrug. „The Private Lies of Pippa Lee“ wäre ein passenderer Filmtitel. Selbsttäuschung grassiert in der heilen Vorstadtwelt gleich einer Epidemie.
Pippas Kinder scheinen ihre Mutter insgeheim zu verachten und ihre Freunde für ihren Mangel an Individualität zu bemitleiden. Sogar Herb fühlt sich von ihrer Makellosigkeit und Fürsorge erstickt und tröstet sich mit Pippas Bekannten Sandra (Winona Ryder). Doch für einen bissigen Blick auf die Heucheleien des biederen Elitelebens fehlt Miller der Mut. Unfreiwillig verrät die Darstellung von Pippas wilder Zeit mehr über amerikanisches Spießbürgertum als die Haupthandlung. Ein paar sexuelle Experimente, bunte Pillen und Großstadtlichter sollen die Zuschauerfantasie anregen und schaffen doch nur Klischees. Ein bisschen infantiler Wankelmut soll einem als impulsive Abenteuerlust verkauft werden – vermutlich, damit sich das Zielpublikum aus etwa der gleichen Gesellschaftsklasse wie die Heldin so richtig rebellisch fühlen kann. Nachdem die Familie sie nicht mehr braucht , wagt die Hauptfigur einen Ausbruch, der der keiner mehr ist. Von Reeves erstem Auftritt an ist klar, dass am Ende mit ihm ein weiteres Leben der Pippa Lee beginnt. Anschaubar ist die Dramödie allein dank des Ensembles, das besser ist, als die triviale Romanverfilmung verdient
Fazit
Die Stärke der flatterhaften Episode ist ihr fast schon trashiger Humor, ihre größte Schwäche die Furcht davor, das im Film abgebildete Milieu ernsthaft zu kritisieren. „Highbrow for lowbrows, lowbrow for highbrows“ beschreibt Herb in einer Szene ein Buch und trifft damit den Kern der papierdünnen Handlung.
Autor: Lida Bach