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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Die Vorgeschichte zu X, in welcher wir erfahren, wie aus der jungen Pearl eine blutrünstige Mörderin wird. 

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Nackte Haut ist in Ti Wests (The House of the Devil) Prequel zu seinem Pornografie-Horror Liebesbrief X nur in einer Szene zu sehen, bewusst gerahmt durch die Ästhetik eines Filmprojektors: Die junge, titelgebende Farmerstochter Pearl (Mia Goth, A Cure for Wellness) wird in einem dörflichen Kino, irgendwo in Texas des Jahres 1918, still und heimlich Zeuge eines des ersten pornografischen Zelluloidstreifens, ihre erste Begegnung mit unkeuscher Sexualität. Gefangen in den Rollenmustern einer herangezogenen Hausfrau, frustriert wartend auf ihren Ehemann, der als Soldat im ersten Weltkrieg unterwegs ist, gequält von ihrer strikten Mutter Ruth (Tandi Wright, Love & Monsters), erwacht beim Anblick des Schmuddelfilmes etwas in Pearl. Mit Mia Goths darstellerischem Gegenpart Maxine aus Wests X, in welchem Pearl 61 Jahre später als alte Frau mörderische Jagd auf die Protagonisten machen wird, hat sie den großen Traum vom Ruhm und nach der bedingungslosen Liebe der Anderen gemein. Genauso ist sie sich sicher: Sie ist ein Star, die ganze Welt wird ihren Namen kennen.

War Maxine mit selbstbewusster Promiskurität im Vorgänger gesegnet, wohnt in Pearl ein mörderischer Drang, wenn sie gleich zu Beginn eine dahergelaufene Gans mit ihrer Heugabel aufspießt. Im Zeichen von Dorothy aus Der Zauberer von Oz träumt Pearl von der Flucht vom elterlichen Farmhaus, mit mörderischen Konsequenzen für die, die sich ihr in den Weg stellen. Ihre blutige Origin-Story  stellt dabei sowohl auf optischer, inhaltlicher wie auch auf struktureller Ebene die konsequente Inversion von X dar: Das flimmernde Filmkorn des 1970 angesiedelten Filmes wird in der Welt von 1918 eingetauscht gegen übersaturiert, gesättigte Farben, reminiszierend an die Melodramen von Powell / Pressburger oder eines Douglas Sirk. Durch diesen knallbunten Technicolor-Stil hüllt West seinen Film in ein täuschend märchenhaftes Gewand welches Pearls zunächst noch unschuldiges, vom amerikanischen Traum des Versprechens von Reichtum und Berühmtheit überzeugten, Weltbild abbildet. Inhaltlich gesehen grenzt sich Pearl von seinem Vorgänger in der Hinsicht ab, dass sich West trotz seiner erneut referenziellen Optik hier jeglicher Nostalgie verweigert und stattdessen mit einem kontemporären Bezug aufwartet: Das 1918 von Pearl ist von der Pandemie der Spanischen Grippe befallen,Menschen trauen sich nur noch mit Masken in fremde Häuser und überall herrscht eine ungreifbare Paranoia. Die Geschichte selbst könnte in seinen feministischen Bezügen rund um die Emanzipation einer jungen Frau aus gesellschaftlichen Rollenmustern, wie auch die Zurückeroberung ihrer Sexualität, wenn Pearl schließlich vom Ehebruch mit einem attraktiven Filmprojektionisten (David Corenswet, Look Both Ways) träumt, angesichts der sich immer mehr einschränkenden Frauenrechte innerhalb der Vereinigten Staaten, aktueller nicht sein. 

Statt von der Vergangenheit zu träumen holt Ti West die Gegenwart in seinen Film. Daraus ergibt sich eine deutlich ambivalentere Perspektive auf eine Frau, die ausziehen wollte, die Welt zu begeistern und letztendlich nur im Blutvergießen ihr Ventil für die eigene Frustration fand, eine Frustration für letztlich nichts anderes als die eigene Talentlosigkeit. Was Maxine aus X, trotz der Überschneidung durch die Darstellung von Mia Goth,  welche am Drehbuch mitschrieb und sich hier in jeder Sekunde den gesamten Film unterwerfen lässt,  von Pearl unterscheidet, ist das sie eben jenen "X-Factor" hatte, welcher sie letztendlich triumphieren ließ. Pearl hingegen, so sagt es uns der Film, war schon als junges Mädchen nichts besonderes und Wests Origin Story wirft aus dieser Perspektive ein tieftrauriges Licht auf die andere Seite des amerikanischen Traumes, auf eben die, die es nicht geschafft haben. Das alles prägt auch die Struktur und den Ton seines Filmes, welcher, statt furios zu explodieren, tragisch implodiert. Einfache Antworten und bekannte Genremuster konsequent zurückweisend mutiert Wests Origin-Story zum Abbild einer scheiternden Seele, welche sich auf Goths liebäugelnden Gesicht abzeichnet und dieses schließlich zur verstörenden Fratze verzehrt.

Fazit

Deutlich cleverer als sein Vorgänger wird Ti Wests Spin-Off "Pearl" lediglich die enttäuschen, die sich Splatter und Gorefest wünschen. Stattdessen aber bekommt man ein wundervoll nuanciertes Psychogramm einer Mörderin geboten, welches es dem Publikum nie zu leicht macht und Hauptdarstellerin wie Co-Drehbuchautorin Mia Goth ein grotesk-buntes Podest baut.

Kritik: Jakob Jurisch

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