Inhalt
Eine Tochter aus gutem Hause pfeift auf die Regeln ihres Vaters und bückst mit ihrem Schwarm – auf die Kosten ihres alten Herren – nach Frankreich aus. Das Leben in Saus und Braus endet abrupt, als ihr Vater bei ihr auftaucht und offenlegt, dass er wegen eines Börsenchrashs bankrott ist. Fortan muss sie für ihren Lebensunterhalt tatsächlich arbeiten…
Kritik
Alfred Hitchcock war Zeit seines Lebens unglaublich selbstkritisch. Bald schleicht sich das Gefühl ein, dass sein Perfektionismus und Anspruch dazu führte, dass er viele seiner eigenen Arbeiten spätestens in der Retrospektive nicht mochte. Bei einigen schimmert das am Rande durch, bei anderen – insbesondere aus seiner frühen Schaffensphase -, nannte er das Kind direkt und vernichtend beim Namen. Besonders hart ging er mit Champagne ins Gericht, den er als persönlichen Karriere-Tiefpunkt bezeichnete. Sehr drastische Wort und auch wenn dieser sichtlich eher nebenbei abgefertigte Baustein nicht mal in der Nähe seiner besten Arbeiten auftauchen darf, diese harsche Abreibung hat er keinesfalls verdient. Im unteren Drittel der Hitchcock-Vita agiert er, allerdings nicht am Ende, da waren einige noch schwächer und belangloser. Wobei grundsätzlich festgehalten werden muss: Selbst die schwächsten Hitchcocks waren nie richtig schlecht. Und somit ist auch Champagne ein recht kurzweiliges Filmchen geworden, dessen Qualitätsanspruch nur nicht zu hoch gehängt werden darf.
Von Anfang an mit einer halsbrecherischen Schlagzahl versehen überrollen sich die Ereignisse zu Beginn praktisch und es dauert eine Weile, bis der Film ein für sich stimmiges, aber immer noch flottes Tempo gefunden hat. Das wirkt überhastet, hektisch, mitunter auch etwas gleichgültig im Feintuning (was zu der Einstellung des Regisseurs diesem Projekt gegenüber passt), beeinträchtigt den grundsätzlichen Unterhaltungswert aber nur bedingt. Schon früh ist klar, Champagne ist und wird nie mehr als ein rasantes Lustspiel sein. Eine völlig banale Komödie (übrigens Hitchcock’s erste reinrassige), die weder über echte Tiefe verfügt, aber wenigstens auch überhaupt keinen Anspruch darauf besitzt. Das ist für einen Hitchcock ungewöhnlich, denn obwohl bei im Entertainment immer an erster Stelle stand, einen Film ohne jegliche Ernsthaftigkeit oder einen inhaltlichen Wert sucht man selbst in seiner ausgiebigen Vita wie die Nadel im Heuhaufen. So lässig aus der Hüfte geschossen wirkt kaum eines seiner Werke, dafür zieht er sich sogar recht gut aus der Affäre.
Obwohl er selbst es offensichtlich nicht wahrhaben oder zugeben wollte, Champagne beinhaltet einige nette, kleine und witzige Einfälle und wirkt gerade in deren Inszenierung, im Timing wesentlich akribischer, als dass man Hitchcock ernsthaft attestieren könnte, er hätte gar kein Interesse an diesem Projekt gehabt. Vielleicht war er nicht so motiviert und wollte sich später nicht mit so ganz seichter, bedeutungsloser Kost identifizieren, seine Qualitäten sind trotzdem unverkennbar. Gerade im humoristischen Bereich, der bei ihm ja sonst eher eine Randerscheinung bleiben musste. Champagne zeugt von dem Talent eines waschechten Komödien-Regisseurs. Selbst die Texttafeln beinhalten teils scharfen Screwball-Witz, was alles andere als selbstverständlich ist. Der schnippische Unterton und das gute, flüssige und narrativ-gekonnte Szenen-Arrangement (als Beispiel wenn der angeblich bankrotte Vater das spärliche Diner bei der Tochter verlässt, um direkt danach sich wie Gott in Frankreich bedienen zu lassen), das macht schon was her. Außerdem prima besetzt, der Cast zeigt sich spielfreudig und allein von den markanten Gesichtern (beim Stummfilm noch wichtiger) treffend ausgewählt.
Fazit
Der oft verschmähte Hitchcock – auch von ihm selbst -, was er in dieser niederschmetternden Form keinesfalls verdient hat. „Champagne“ ist ein im Grunde genommen natürlich total belangloser Film ohne inhaltlichen Wert – was so aber auch auf die viele Komödien zutrifft. Erlaubt man ihm, genau das zu sein; eine einfache und rein dem Unterhaltungswert verantwortliche Gaudi, dann ist „Champagne“ weit weg von einem schlechten Film. Tendiert sogar eher nach oben. Dank einiger cleveren Ideen, guter Darsteller und der unbestritten starken Handwerkskunst des Regisseurs, obwohl er selbst darauf keinen Bock hatte. Muss man dann auch erst mal so hinbekommen.
Autor: Jacko Kunze