Inhalt
Eine Bauernfamilie in Jütland ist gespalten durch Religion, Wahnsinn und Liebe: Einer der Söhne hält sich für Jesus Christus und ein anderer Sohn darf seine große Liebe nicht heiraten.
Kritik
Es mutet wenig überraschend an, dass sich der Ursprung von Das Wort auf das gleichnamige Theaterstück eines dänischen Priesters zurückführen lässt. Einerseits formal, weil die strengen Bildkompositionen beinahe ausschließlich in karg eingerichteten Innenräum spielen, nur wenig Dynamik zulassen und selbst die Figuren in oftmals monologartigem Umfang eher zur Kamera respektive dem Zuschauer, als zu den anderen Charakteren sprechen. Andererseits inhaltlich, denn von Beginn an ist Das Wort vor allem eine Auseinandersetzung mit dem Glauben. Die Geschichte einer Familie, deren Alltag von christlichen Werten durchtränkt ist. Dabei hantiert Carl Theodor Dreyer (Die Passion der Jungfrau von Orléans) mit verschiedenen Ebenen der Glaubensintensität, kontrastiert diese und erzeugt damit ein Werk, das laut eigener Aussage „des Glaubens Triumph in dem skeptischen 20. Jahrhundert über Wissenschaft und Rationalität“ darstellt.
Wer sich nun bereits an die Werke eines anderen Skandinaviers, nämlich Ingmar Bergman (Das siebente Siegel), erinnert fühlt, der liegt tatsächlich nicht weit daneben. Die Unterschiede lassen sich vor allem im Detail ausmachen. Während Bergman oftmals eher zu einer kritischen Sicht auf den Glauben neigt, äußert sich Dreyer hier weitaus versöhnlicher. Gerade gegen Ende kommt er zu Erkenntnissen, die man sich so nur schwerlich von einem Bergman vorstellen könnte. Formal geht Dreyer hingegen noch einen Schritt weiter. Seine Einstellungen sind von einer Trägheit und Statik, die Bergman nur selten erreicht. Damit treibt Dreyer auch seinen eigenen Stil auf die Spitze. Für ein Spätwerk erwartungskonform, fließen in Das Wortauch viele Einflüsse seiner früheren Werke, was dem Film final einen sehr reifen Anstrich verleiht.
In einem gemächlichen Tempo führt Dreyer in den Film ein, steckt die spärlichen Handlungsorte und eine Handvoll zentraler Figuren ab, bevor wirklich etwas passieren darf. Zwei Familien stehen sich gegenüber, getrennt durch eine andere Auslegung von Religion und ihrem gesellschaftlichen Ansehen. Konfrontiert werden die beiden Familien dadurch, dass ihre zwei Jüngsten in der Liebe zusammengefunden haben und daher den Bund der Ehe eingehen möchten. Neben diesem offensichtlichen Spannungsfeld ist vor allem die Figur des Johannes interessant, einem ehemaligen Theologiestudenten, der jedoch wahnsinnig wurde und sich daher für den Sohn Gottes hält. Im Bezug zu den anderen Figuren wird dadurch auch eine Zwiespältigkeit im Glauben deutlich, denn während alle an Jesus Christus als biblische Erscheinung glauben, streiten sie Johannes Erscheinung ab und erklären ihn für geisteskrank.
Das Ende sorgt dann für eine Wendung, die dem Film in eine völlig andere Richtung lenkt. Während zuvor Statik und eine gewisse Engstirnigkeit dominiert haben, kommt es nun zu einem wortwörtlichen Wunder. Alles was zuvor auf eine fast schon übertriebene Art bodenständig und bürgerlich gewirkt hat, löst sich zugunsten dieser Erscheinung auf. Über weite Strecken haben Dialoge dominiert, doch im Ausklang gelingt es Dreyer den Film mit einer ehrfürchtigen Aura zu überziehen, welche das Finale prägnant untermauert. In seiner Endgültigkeit mag dieses Ende jedoch nicht wirklich zum vorangegangenen Film passen, denn dafür ist seine Aussage auch zu simpel gedacht. Zurück bleibt dennoch eine eigensinnige Faszination, die Dreyer nicht zuletzt seinem Gespür für wirkungsvolle Einstellungen zu verdanken hat.
Fazit
Carl Theodor Dreyer erzählt in konsequenter Tristheit von einem Leben, welches untrennbar mit religiöser Gläubigkeit verschmolzen ist. Die verschiedenen Ausprägungen dieses Glauben lässt er in Form von einzelnen Familienmitgliedern aufeinandertreffen und speist so den Film mit unlösbarem Konfliktpotential. „Das Wort“ fasziniert durch seine statischen schwarz-weiß Bilder und den spürbar tiefschürfenden Diskurs, den Dreyer über Glaube und Religion anstrebt, macht es sich gegen Ende jedoch eine Spur zu einfach im Vollenden seiner Gedanken.
Autor: Dominic Hochholzer