Inhalt
In einer postapokalyptischen Welt lebt Momma mit ihren Zwillingssöhnen Nolan und Samuel in einer einsamen Waldhütte. Der enge Zusammenhalt schützt sie vor dem Bösen und den Gefahren des Waldes. Momma warnt ihre Kinder, das Haus nur zu verlassen, wenn sie mit langen Stricken verbunden bleiben – sonst droht der Tod. Doch als einer der Jungen Zweifel bekommt, wird das Band zwischen ihnen durchtrennt und ein schrecklicher Überlebenskampf beginnt.
Kritik
Die Erwähnung von Alexandre Aja lässt bei Horrorfans sicherlich das Herz höher schlagen. Der französische Regisseur hat mit Filmen wie High Tension, einem unvergessenen Klassiker der New French Extremity, und dem Remake von The Hills Have Eyes bereits seinen festen Platz im Genre gefunden. Auch im Creature-Feature-Bereich hat er mit Crawl Akzente gesetzt – seinem bis dato erfolgreichsten Werk. Nach dem Netflix-Science-Fiction-Thriller Oxygen kehrt Aja nun mit Never Let Go auf die große Leinwand zurück und liefert erneut einen atmosphärisch dichten Horrorbeitrag ab.
Never Let Go erzählt die Geschichte von Momma (Halle Berry), die mit ihren beiden Söhnen Nolan (Percy Daggs IV) und Samuel (Anthony B. Jenkins) in einer postapokalyptischen Welt ein abgeschiedenes Leben in den Wäldern führt. Fernab jeglicher Zivilisation haben sie sich eine eigene Zuflucht erschaffen, und die wichtigste Regel lautet: Zusammenbleiben und niemals die schützende Verbindung aus langen Stricken, die das Haus mit der Außenwelt verbinden, durchtrennen. Denn jenseits dieser Sicherheit lauert das Böse und der sichere Tod. Doch als die Vorräte zur Neige gehen und Mommas Verhalten zunehmend merkwürdiger wird, beginnt einer der Söhne an ihrer Führung und dem Leben im Wald zu zweifeln.
Der Film startet beeindruckend und entfaltet durch sein Setting eine intensive Atmosphäre, die sofort fesselt. Zwar erinnern die Grundzüge der Geschichte an Werke wie Bird Box oder It Comes at Night, doch Never Let Go schafft es, eine eigene Wirkung zu entwickeln – nicht zuletzt dank der exzellenten Kameraarbeit von Maxime Alexandre. Alexandre, der das Genre bestens kennt, zaubert Bilder, die gleichzeitig bedrohlich und befreiend wirken. Sie spiegeln die Ambivalenz der abgeschiedenen Freiheit wider, die gleichermaßen Schutz und Bedrohung verkörpert.
Halle Berry (The Union, Bruised) als Momma liefert zu Beginn eine solide Performance ab, doch die eigentlichen Stars des Films sind die beiden Kinderdarsteller Percy Daggs IV (Die letzten Tage des Ptlolemy Grey) und Anthony B. Jenkins (The Deliverance). Ihre beeindruckende Präsenz entfaltet sich spätestens ab der Filmmitte mit voller Wucht und stiehlt Berry zunehmend die Show. Obwohl sie sich sichtlich bemüht, bleibt ihre Darstellung von Momma oberflächlich und ohne die nötige Tiefe, die diese ambivalente Figur erfordert. Man spürt, dass sie im Genre nicht zu Hause ist und es ihr sichtlich schwerfällt, facettenreich und nuanciert zu spielen. Somit sind es die Kinder, die Never Let Go zu weiten Teilen tragen. Auch das Drehbuch bleibt hinter den Möglichkeiten zurück: Altbekannte Motive werden aufgegriffen, ohne sie mit frischen Ideen zu bereichern. Was zu Beginn spannend erscheint, entwickelt sich im weiteren Verlauf nicht über bekannte Pfade hinaus. Gerade angesichts der interessanten Prämisse hätte man hier mehr erzählerische Raffinesse erwarten dürfen.
Die visuellen Effekte erfüllen ihren Zweck, aber sie bewegen sich nicht auf innovativem Terrain. Bedrohung und Spannung sind spürbar, doch kreativer Mut in der Gestaltung bleibt aus. Immerhin bietet der Film einen psychologischen Aspekt, der gegen Ende für einen unerwarteten Schlag in die Magengrube sorgt – ein Element, das sicherlich Anlass für Diskussionen bietet.
Fazit
"Never Let Go" ist ein atmosphärisch dichter und handwerklich gekonnt inszenierter Horrorfilm, der jedoch unter einem schwachen Drehbuch und einer mäßigen Hauptdarstellerin leidet. Die große Stärke des Films sind die beiden Kinderdarsteller. Sie schaffen es, sowohl das Herz als auch das Nervenkostüm des Publikums in Beschlag zu nehmen und sind zweifellos das emotionale Zentrum des Films.
Autor: Mike Kaminski