Inhalt
Dina und Michael, er Arzt, sie Schauspielerin, sind eigentlich glücklich in ihrer Beziehung, bis Michael beginnt, laut über eine Trennung nachzudenken. Die Frage „Könnten wir nicht glücklicher sein als in dieser Konstellation?“ steht im Raum. Aber Dina sagt: „Nö.“ In fünfzehn Situationen und über sieben Jahre hinweg begleiten wir das Paar, wie es sich durchs Leben laviert und dabei versucht, die Liebe nicht aus den Augen zu verlieren. Wie es versucht, den eigenen Eltern gerecht zu werden, im Beruf nicht unterzugehen und selbst gute Eltern zu sein.
Kritik
Dietrich Brüggemann (Renn, wenn Du kannst) ist ein streitbarer Mensch. Das bewies er nicht nur mit seinem Pamphlet gegen die Berliner Schule, sondern auch mit der medialen Aktion #allesdichtmachen, die vor einigen Wochen dem zweiten Corona-Sommer in Deutschland ordentlich Gesprächsstoff einbrachte. Bei der ganzen ausgelösten Debatte, die ihn teilweise zu einem Verschwörungsclown hochstilisierte, wurde eines vergessen: Brüggemann ist ein grandioser Filmemacher. Seine Filme gehören zum frischesten, was das deutsche Kino in den letzten 20 Jahren zu bieten hatte. Egal ob Komödie oder Drama, sein Name garantiert facettenreichen Filmspaß. Daher war es schon etwas traurig, dass er zuletzt nur beim Tatort hinter der Kamera aktiv war. Stolze sechs Jahre nach seinem letzten Kinofilm meldet er sich nun aber mit Nö wieder zurück.
Die Geschichte von Arzt Michael und Schauspielerin Dina klingt auf dem Papier nach dem handelsüblichen Beziehungs-Trara. Es geht um die Haltbarkeit der Liebe, die Erwartungen von innen und außen und all die typischen Dinge, die so eine Beziehung eben mit sich bringt. Zu Beginn stellt Michael die These auf, dass die beiden sich vielleicht trennen sollten. Dinas „Nö“ als Antwort ist nicht nur Titel des Films, sondern auch zeitgleich der Startschuss für ein zweistündiges Rekapitulieren einer Liebe. Dargereicht wird dies mit 15 Tableaus, die eine Zeitspanne von mehreren Monaten und Jahren abdecken. Die Kamera bleibt dabei meist starr. Nur 14 Schnitte besitzt Nö, wirkt aber dennoch niemals statisch.
Mehrerer Gründe sorgen dafür, dass sich der Film sehr vital und beschwingt anfühlt. Zum einen erlaubt es Brüggemann der Kamera immer mal wieder sich zumindest von ihrem Ankerpunkt zu lösen und liefert dadurch einen Tracking Shot ab, der bereits sehr früh im Film klarmacht, dass bei Nö surreale und absurde Momente ein Zuhause gefunden haben. Genau diese herrlichen Übertreibungen sind dann auch noch ein Faktor, warum sich zwei Stunden Nö nicht unbedingt kurzweilig, aber halt auch niemals langweilig anfühlen. Trotz der altbekannten Thematik überrascht Brüggemann seine Zuschauer immer wieder und setzt dabei vor allem auf quasselnden sowie skurrilen Witz, sei es eine OP die zur Therapiestunde wird oder Stuhlgang in ein offenes Grab. Bei Nö waren wohl Fans des schwedischen Regisseurs Roy Andersson (Songs From the Second Floor) tätig.
Das alles würde aber natürlich ohne die formidable Besetzung nicht funktionieren. Anna Brüggemann(3 Zimmer/ Küche/ Bad) als Dina und Alexander Khuon (Lara) als Michael brillieren in ihren Rollen. Zuletzt eine solch glaubwürdige, lebensnahe und unterhaltsame Liebe (wenn es dann wirklich eine ist) präsentierte uns das deutsche Kino zuletzt 2018 mit Laura Lackmanns wunderbarem Zwei im falschen Film. Beide Filme gehören zu dem Beweis, dass hierzulande eben doch mehr möglich ist als sperrige Kunstinstallation, die auf eine Festivalleinwand projiziert wird, oder Brüllaffen-Komik für die Massen der Multiplexe. Es gibt ein frisches deutsches Kino. Ein Kino welches weder dumm noch elitär ist. Nö gehört dazu.
Fazit
15 Tableaus, 14 Schnitte und dennoch ist "Nö" dynamischer, künstlerischer, verspielter, unterhaltsamer und erinnerungswürdiger als das meiste, was das deutsche Kino zuletzt mit dem Stempel ‚Beziehungsfilm‘ herausbrachte. "Nö" ist empfehlenswert für alle die, die wieder einen Puls beim deutschen Film spuren wollen – und bei Fans von Roy Andersson.
Autor: Sebastian Groß