Inhalt
Der Film erzählt die wahre und berührende Geschichte des ersten farbigen Clowns, der im frühen 20. Jahrhundert nach Paris kam und zusammen mit seinem Showpartner und dem weißen Clown Footit das Publikum Abend für Abend begeisterte. Cocolat und Footit wurden als Duo zu einer gefeierten Attraktion, die weit über die Grenzen Frankreichs populär wurde.
Kritik
Auf der Leinwand wehrt sich Clown und Artist Raphael Padilla, genannt Chocolat, gegen die Karikatur, die ein Plakatzeichner von ihm vorstellt. Gegen die verzerrte Darstellung von Regisseur Roschdy Zem kann der von Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“) verkörperte Titelcharakter heute nichts mehr sagen. So kann die Geschichte des populärsten farbigen Künstlers der Belle Epoque unbeirrt ihre eigenen Bias vorführen. Der Klassismus und Chauvinismus sind die zynische Pointe des konventionellen Plots vom Aufstieg und Fall eines Stars, der vorgibt, Diskriminierung und Vorurteile anzuprangern. Mit dem Leben des realen Chocolat hat der bunte Kostümfilm, inspiriert von einem Sachbuch und einem Bühnenstück Gérard Noiriels, dabei nur noch ein paar Eckpunkte gemeinsam.
Im Jahr 1897 mimt der als Sohn kubanischer Sklaven geborene Hauptcharakter im schäbigen Zirkus von Monsieur und Madame Delveaux (Frédéric Pierrot, Noémie Lvovsky) einen Kannibalenkönig. Der ehemalige Star-Clown George Footit (James Thierrée) erahnt Chocolats komödiantisches Talent und macht ihn zu seinem Show-Partner. Die von Footit ausgearbeitete Nummer ist in ihrer Art ein Novum und macht das Duo zur Attraktion. Chocolats Ambitionen reichen kaum über ein besseres Gehalt hinaus, doch Footit denkt weiter und für seinen Partner gleich mit. Als der Entrepreneur Joseph Oller (Olivier Gourmet) ihnen ein Engagement im Pariser Nouveau Cirque anbietet, ist das für beide die große Chance. Das Großstadtpublikum ist begeistert, doch während der introvertierte Footit gewissenhaft an ihrer Routine feilt, frönt sein Freund dem Glücksspiel, Luxus und Affären. Dieser Leichtsinn und die latente homosexuelle Eifersucht Footits stellen die Männerfreundschaft auf die Probe. Frauen wie die Zirkusartistin Camille (Alice de Lencquesaing) betrachtet die Inszenierung lediglich als dekorative Sexobjekte. Dass die feine Gesellschaft den Hauptcharakter als Lachobjekt behandelt, wird hingegen angeprangert.
Der Held fordert mit Recht, nicht nach Aussehen und sozialer Herkunft bewertet zu werden, bewertet jedoch seinerseits andere Menschen danach. Zu seiner späteren Frau Marie (Clotilde Hesme) sagt er, seine Zuneigung zu ihr sei etwas anderes als seine Affären, denn: „Sie sind die Witwe eines Arztes und Sie sind schön.“ Einen Widerspruch sieht die Inszenierung in dem Klassendenken und der Oberflächlichkeit des Protagonisten nicht; im Gegenteil soll die Szene romantisch wirken. Die Verachtung der Autoren gegenüber weiblichen Charakteren offenbart sich bereits bei der fiktiven Figur der boshaften, gierigen Madame Delveaux, die Chocolat bei der Polizei anschwärzt. Im Knast bekommt der unbedarfte Spaßmacher von seinem gebildeten Zellennachbarn Victor (Alex Descas) wie ein Vorgänger von Spike Lees „Malcolm X“ Unterricht in Rassismus. Eine größere Beleidigung als „Neger“ oder „Affe“ ist aber immer noch „Mädchen“. Nach dem Schlüsselerlebnis im Gefängnis pocht Chocolat auf seinen Geburtsnamen und seine künstlerische Integrität. Das endet ähnlich tragisch wie bei einem gewissen Shakespear-Helden, dem sich der Filmheld so geistesverwandt fühlt.
Fazit
Businessmann Oller scheint recht zu behalten, wenn er Chocolat vor dessen eigenem Idealismus warnt: „Soweit ist die Welt noch nicht.“ Die Filmwelt ist hier offenkundig nicht so weit, dass sie einem schwarzen Künstler seine eigene Kreativität bestätigt und Menschen unabhängig von Klasse und Geschlecht respektiert.
Autor: Lida Bach