Inhalt
Mit seiner Liebesromanreihe "Miserys Child" hat Schriftsteller Paul Sheldon (James Caan) ein ganz heißes Eisen im Feuer. Die Bücher gehen millionenfach über die Ladentheke, doch sieht sich Paul in einer kreativen Sackgasse. Er fährt nach Silver Greek, um wie immer ein neues Buch zu schreiben, wird bei der Rückfahrt jedoch von einem Blizzard überrascht. Sein Glück, dass ihn die ehemalige Krankenschwester Annie Wilkes (Kathy Bates) schwerverletzt aus dem Wagen bergen kann. Annie pflegt Paul in ihrem Haus gesund und gesteht ihm, größter Fan von ihm und vor allem der Misery-Romane zu sein. Doch als sie vom Tod ihrer geliebten Figur erfährt, ist es vorbei mit der Fürsorge. Annie rastet aus und zwingt Paul mit Gewalt, einen neuen Roman zu schreiben...
Kritik
Wenn Stephen King Romane verfasst, ist gerne etwas Autobiografisches darin enthalten, und auch für "Misery" entlieh er eigene Erfahrungen für Elemente dieses Psychothrillers. So stringent Paul Sheldon seine Bücher angeht, so scheinbar berechnend verpasste auch King seinem Protagonisten einige Eigenarten, die für die Story von Bedeutung sind. Es braucht anfangs nicht viel, um die Person zu definieren, weitere Einzelheiten hob sich der Autor für den weiteren Geschichtsverlauf auf, was sehr gut in die Ereignisse passt. So erfährt der Zuschauer etwas über Sheldons familiären Hintergründe, ein wenig beruflichen Background eingangs, aber auch nicht mehr als dringend nötig.
Wichtiger ist selbstverständlich die Figur der Annie, die sehr sprunghaft reagiert und damit ein ganzes Spektrum von lieblich-naiv bis hin zu manisch-aggressiv abdeckt. Anfangs wird man nie wissen, zu welchen emotionalen Ausbrechern die Frau imstande ist, was überrascht und in der Figurenzeichnung für erzählerische Dynamik sorgt. Das ist auch nötig, denn abgesehen von Großstadtbüro und dem lokalen Sheriff´s Department spielt sich das Geschehen ausschließlich in Annies Haus ab. Es wird hier nun kein "Haunted House"-Horror aufgezogen, sondern bleibt bei seinen beiden Hauptfiguren und konstruiert ein Psychoduell der besonderen Sorte.
Wenn auch Storys dieser Art Gefahr laufen, unrealistisch zu werden, kann sich "Misery" gerne von diesem Dilemma freisprechen. Da passt vielleicht nicht jedes Bausteinchen in das Mosaik hinein, aber die recht direkte, einfache Erzählweise birgt so manche Überraschung mit eindeutiger Erklärung. So unberechenbar Annie auch sein mag, einen Grund findet man immer - und der klingt meist logisch. Würde es das nicht tun, hätte sich die Geschichte einen dicken Bären aufgebunden, denn lebt der Plot gerade davon. Da das Kammerstück jedoch oft zu überzeugen weiß und nur marginale Löcher offenbart, funktioniert der Film, basierend auf Kings Ausführungen, sehr wohl.
Auch kann Regisseur Rob Reiner mit seinem Filmteam für die passende Atmosphäre sorgen. Das Bild wirkt jetzt zwar weniger cineastisch, sorgt aber in den richtigen Momenten für eine Mordsspannung. Während es in harmlosen Situationen sehr gediegen zugeht, sorgt Reiner in Spannungsszenen für ein ordentliches Maß altmodischen Thrills, inklusive unheilvoller Lichtgebung und schiefen Kameraeinstellungen. So wird Annies Charakter in all seinen Facetten der richtige Look verpasst, dass man als Zuschauer am liebsten vor der Leinwand zurückweichen würde, beispielsweise wenn sie in Slashermanier den Bildschirm ausfüllt. Mit entsprechenden Kameralinsen zeichnet sich die Darstellung etwas surrealer aus, was in der örtlichen Enge für Abwechslung sorgt.
Fehlte nur noch eine passende Performance, und hier machte eindeutig Kathy Bates das Rennen. Sie hatte hier den schwierigsten Part auszufüllen, findet aber in jeder Einstellung die richtige Tonlage. Die komplette Bandbreite vom Mauerblümchen bis hin zur ausrastenden Psychopathin wirkt in manchen Szenen leicht überzogen, was jedoch in beabsichtigter Weise wunderbar funktioniert. Und Bates nutzte ihre Chance, das ganze Rollenspektrum vollends auszuspielen, da war der Gewinn des Oscars mehr als nötig. Dadurch in den Hintergrund getreten war James Caan, der trotz der übermächtigen Kathy Bates ebenfalls sehr positiv in Erscheinung trat. Im Gegensatz zur Figur der Annie muss sich sein Charakter erst aus der Perplexität herauswinden und stellte damit eine Identifikationsfigur für den Zuschauer dar. Ganz anders, gar schrullig, darf noch das betagte Filmehepärchen Richard Farnsworth und Frances Sternhagen aufgeführt werden, die dem Film durch ihre trockenhumorigen Kabbeleien die nötige Auflockerung verpassen.
Fazit
Nimmt man mal den kammerspielartigen Bühnencharakter beiseite, entfaltet sich mit "Misery" ein gelungenes Psychoduell, das mit einfachsten Mitteln für eine Mordsspannung sorgt. Mit einer grandiosen Leistung seiner beiden Hauptdarsteller konnte Rob Reiner mit wenig Aufwand viel bewirken, so dass man als Zuschauer nie in die Verlegenheit gelangen möchte, der Natur zum Opfer zu fallen. Nach dem stark verfremdeten "Shining" ist "Misery" also die bis dato beste Buchverfilmung des Meisters des Horrors gewesen.
Autor: Sascha Wuttke