Inhalt
Endlich, so hofft der unfreiwillige Mafia-Handlanger Jerry, kann er mit seiner Verlobten Samantha ein neues Leben in Las Vegas beginnen. Doch die Mafia lässt ihn nicht los: In einem letzten Auftrag soll er in Mexico eine seltene, angeblich mit einem Fluch belegte Waffe abholen und in die Staaten schmuggeln. Zunächst läuft alles glatt, doch dann wird die Pistole gestohlen. Während Jerry ihr schicksalsergeben hinterher jagt, wird Samantha auf dem Weg nach Las Vegas von dem Killer Leroy gekidnappt. Stück um Stück, Abenteuer um Abenteuer kommt sich das getrennte Paar wieder näher. Aber erst die ganze Geschichte der Pistole lässt sie erkennen, wie sie aus dem ganzen Durcheinander wieder herauskommen können.
Kritik
Er hört und hört einfach nicht auf. Vielleicht liegt genau da das größte Problem von „The Mexican“: Er will einfach nicht in seinen Abspann finden, er geht weiter, dreht sich weiter, windet sich weiter, obwohl man doch schon so manches Mal dem Glauben anheim fallen wollte, nun endlich das Finale eingeleitet zu bekommen. Bis „The Mexican“ wirklich sein Ende findet, vergehen 120 Minuten, die sich als äußerst variabel verstehen lassen; die doch mit gemischten Gefühlen zurücklassen, nie aber echten Groll evozieren, dafür ist Gore Verbinski zweiter Langfilm nach dem nonsenslastigen Unfug „Mäusejagd“ dann eben doch einfach zu sympathisch geraten. Jedoch erst einmal zurück auf Anfang. Interessant zu sehen ist, wie sich hier ein Regisseur wie Gore Verbinski, der sich inzwischen durch seine unfassbar erfolgreiche „Fluch der Karibik“-Trilogie und der (leider!) gefloppten (Italo-Western)-Hommage „Lone Ranger“ bis tief in das hochbudgetierte Blockbusterkino fräste, in der noch recht jungen Phase seiner Karriere so schlägt.
Man möchte kaum von einer klaren „Sturm und Drang“-Spanne sprechen, aus dessen Kern „The Mexican“ Gore Verbinski gebiert wurde, allerdings liefert Drehbuchautor J.H. Wyman ein tüchtiges Skript, welches den Regisseur geradezu anstachelt, nach Lust und Laune die Sau rauszulassen und sodann ein grelles Allerlei aus (Stil-)Elementen und genrespezifischen Verweisen wie Motiven zu kreieren. Das fängt schon bei Alan Silvestris Komposition an, die gleich mal die charakteristischen Trompeten eines Ennio Morricone in einem auditiv nicht weniger charakteristischen Western-Crescendo höchststimmungsvoll erklingen lässt. Aber wie soll es auch anders sein, wenn wir uns in „The Mexican“ nicht nur im feurigen Grenzland zwischen den Vereinigten Staaten und Mexico befinden, sondern weiter vordringen in die verstaubte Lande des Tequilas, der Tortillas und der Pistoleros. Ausgangspunkt ist dabei der tollpatschige Quatschkopf Jerry (Brad Pitt, „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“), der für die Gangster Bernie Nayman (Bob Balaban, „Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“) und Margolese (Genre Hackman, „Erbarmungslos“) eine Waffe namens „The Mexican“ aus Mexiko besorgen soll, die für seine Schuldenfreiheit sorgt.
Jerry hat sich in der Vergangenheit etwas zu sehr in die Enge getrieben und erntet nun unter Druck die Früchte seiner kindlichen Ungestümheit – ganz zum Unmut seiner temperamentvollen Freundin Sam (Julia Robert, „Der Krieg des Charlie Wilson“), die es alsbald mit dem Gangster Leroy (James Gandolfini, „Die Sopranos“) zu tun bekommt. Und wie das nun mal so läuft, verheddert sich Jerry schnell in einem Netz aus misslichen Zufällen und unbedachten Zwischenfällen, aus welchem er sich einerseits mit gepflegtem Kauderwelsch befreien möchte (einfach hinter jedes Wort ein O hängen, wird schon passen), andererseits aber auch zu gerne das Schicksal in seiner Entscheidungsgewalt walten lässt. „The Mexican“ ist etwas zu forciert auf Kult ausgelegt, die plakativen Quentin-Tarantino-Emulationsversuche sind nie so gewitzt und verwegen, wie sie auf dem Papier noch erschienen, genau wie wir Mexiko wahrscheinlich schon vor „The Mexican“ bereits einmal zu oft als Zerrspiegel amerikanischer Ideale gesehen haben, was den Effekt mit sich bringt, die totale Selbstkonfrontation aufzuwirbeln.
Dennoch ist „The Mexican“ durchaus ansprechend, wenn er sich als Diskurs über die virulente Kraft von Mythenbildung definiert und den Zuschauer an der überzeitlichen Rhetorik zweifeln lässt, im gleichen Schritt aber auch aufzeigt, wie abhängig er selbst doch von der Redekunst, den Ausschmückungen und Übertreibungen des Mediums ist. Im Endeffekt ist es einfach nur so, dass „The Mexican“ nicht enden möchte, er zieht sich, immer weiter, und lässt einen erst durchaus knackig aus der Hüfte geschossenen Film zäh erscheinen. Dass Brad Pitt immer schon das Zeug besaß, einen Film zu tragen, lässt sich auch an „The Mexican“ erkennen, in dem er aufgrund seiner unbedachten Art die Lacher auf seine Kappe nehmen darf. Der eigentliche Star des Films aber ist zweifelsohne der 2013 verstorbene James Gandolfini, der sich als sensibler Gangster mit dem Talent zur Beziehungsanalyse auch zu seiner Homosexualität bekennen darf, ohne das sich das Drehbuch im Folgenden auch nur einmal anmaßt, aufgrund seiner sexuellen Orientierung irgendwelche strunzdoofen Blödelgags zu zünden. Und das sind die Momente, die Highlights, in denen „The Mexican“ wirklich angenehm auf den Zuschauer einwirkt.
Fazit
Keine große Kunst und auch nicht der Kultfilm, den sich die Beteiligten von „The Mexican“ versprochen haben. Ein größtenteils sympathischer Gangster-Road-Movie bleibt Gore Verbinskis zweiter Spielfilm dennoch, der nicht nur durch James Gandolfini glänzt, sondern auch als Diskurs über die Mythenbildung durchaus interessant ist.
Autor: Pascal Reis