Inhalt
Irland in den Vierzigerjahren: Christy Brown kommt als eines von insgesamt 22 Kindern einer armen Familie der Arbeiterklasse in der Hauptstadt Dublin zur Welt. Von kleinauf gelähmt, kann der Junge weder seine Hände benutzen, noch sprechen, das Geld reich hinten und vorne nicht, weder für einen gescheiten Rollstuhl, noch für Bildung. Doch während die eigene Familie ihn größtenteils mit durchzieht und kaum eine Hoffnung für ihn sieht, entdeckt Christy die Fähigkeit, mit seinem linken Fuß erst zu schreiben und dann zu malen. Mit den Jahren feiert er erste Erfolge als erfolgreicher Künstler, doch kann auch dieser bald nicht länger darüber hinwegtäuschen, dass Christy sich nach mehr als platonischer Liebe und Mitleid sehnt...
Kritik
Es gibt Schauspieler, die zeichnen sich dadurch aus, dass sie wie Tom Cruise in Mission: Impossible - Fallout die meisten ihrer Stunts selbst drehen, welche, sich runterhungern wie zuletzt Joaquin Phoenix für Joker, oder aber einfach grundsätzlich an ihre persönlichen Grenzen gehen wie Leonardo DiCaprio in The Revenant – Der Rückkehrer. Und dann gibt es noch diejenigen, die nochmal einen Schritt darüber hinausgehen und sich mit sogenanntem Method Acting dermaßen stark in ihre Rollen einfühlen, dass sie sich quasi darin regelrecht einrichten und sie leben.
Die absolute Speerspitze dieses durchaus nicht unmstrittenen Künstlerschlags dürfte dabei zweifelsohne Daniel Day-Lewis darstellen. Der irische Charaktermime, der bekannt dafür ist, dass er auch schon mal ein halbes Jahr mutterseelenallein in der Wildnis verbringt, um sich auf die Hauptrolle in Der letzte Mohikaner vorzubereiten und aufgrunddessen später die Besetzung als Aragorn in der Der Herr der Ringe- Die Gefährten ablehnte. Der trotz einer fast 40 Jahre andauernden Karriere, welche er mit Paul Thomas Andersons Der seidene Faden vor zwei Jahren offiziell beendete – die genauen Gründe dafür sind unklar – durch seine anspruchsvolle Rollenauswahl eine überaus überschaubare Filmografie sein Eigen nennt. In dieser tummeln sich zwar Titel wie Gangs of New York, There Will Be Blood oder Steven Spielbergs Lincoln, doch stützen sich all diese Performances nahezu ausnahmslos direkt oder indirekt auf historische Persönlichkeiten oder Begebenheiten.
Nicht anders verhält es sich mit Mein linker Fuß. Jim Sheridan, der mit Daniel Day-Lewis nach diesem Durchbruch auch die beiden IRA-Dramen Im Namen des Vaters sowie Der Boxer drehte, gab hier sein Debüt mit der Verfilmung eines Autobiografie-Bestsellers, der spürbar in den Ursprüngen der beiden Landsmänner verwurzelt ist. Wie Christy Brown, dessen Lebensweg sie hier filmisch aufarbeiten, stammen sie aus der irischen Hauptstadt Dublin. Und auch wenn zumindest Day-Lewis in anderen Kreisen aufgewachsen sein dürfte, so merkt man Mein linker Fuß spürbar die Verbundenheit von Vorlage, Hauptdarsteller und Regisseur an. Dabei scheint die Rolle des von Geburt an spastisch gelähmten Christy Brown geradezu wie gemacht für Day-Lewis' intensives Method Acting. Obwohl er zunächst nur in der Rahmenhandlung auftritt und die erste halbe Stunde sich per Rückblende der Kindheit von Brown zuwendet, so ist es doch von Minute Eins an durch und durch sein Film.
Auch wenn sich über die sehr eigenwilligen Allüren des dreifachen Oscarpreisträgers am Set sicherlich streiten ließe – ist doch heute allgemein bekannt, dass Day-Lewis selbst in den Drehpausen in seiner Rolle blieb und sich von Cast und Crew daher im Rollstuhl herumkarren ließ – so zahlt sich die eiserne Diszplin aus, die ihm durch die dauergebückte Haltung außerdem zwei gebrochene Rippen bescherte. Jede Bewegung, jede Geste, jedes Wort, das anfangs wie unter ständigen Qualen aus seinem zusammengepressten Mund kommt, wirkt in einem Maße authentisch, das bis heute seinesgleichen sucht. Präzise, konzentriert, niemals wie eine bloß einstudierte Schauspielübung, geschweige denn Mimikry wirkt seine Darstellung. Von der Auftaktszene an, in der er mit seinem linken Fuß u.a. eine Schallplatte auflegt – was ihm übrigens beim ersten Take in der finalen Schnittfassung gelang – ist klar: Daniel Day-Lewis spielt nicht nur Christy Brown, er IST schlichtweg Christy Brown.
Hugh O'Conor, der den jungen Christy buchstäblich verkörpert, steht dieser Wahnsinnsperformance obendrein in kaum etwas nach. Da Brown erst spät durch intensive Therapie nach und nach das Sprechen lernte, mimt dieser ihn in einer frühen Lebensphase, in der die Rolle sogar noch mehr auf Körpersprache und Mimik beruht. Jim Sheridan gelingt es hier, einfühlsam, aber niemals kitschig oder schönfärberisch, das Leben im Dublin der Nachkriegszeit nachzuzeichnen. Dabei ist es keineswegs so, dass Mein linker Fuß nicht Momente des Glücks, der Freude und des leisen Humors in sich birgt, zugleich ist es aber immer wieder aufs Neue beklemmend, wenn Christy trotz kleiner Erfolgserlebnisse immer wie auf den Boden der Tatsachen und der Ablehnung seines schlichten Andersseins zurückgeholt wird. Auch wenn der Film ihn in nur wenigen Szenen allein zeigt, er sonst stets umringt ist von einer Geschwisterschar, deren Anzahl sich im Verlauf auf sage und schreibe 22 hochschaukelt (von denen nur 13 überleben werden), schafft es Jim Sheridan, die innere Isoliertheit und Einsamkeit seiner Hauptfigur begreifbar zu machen.
Trotz der Schilderung der Armut und Willkür, die dafür sorgt, dass die Familie den jungen Christy lange in einer Holzkarre durch die Gegend schieben muss, ehe genug Geld für einen Rollstuhl angespart ist, ist Sheridans Film aber auch immer wieder ein hoffnungsvolles Werk. Wenn der junge Christy unerbittlich gegen seinen Körper ankämpft, unter Anstrengung mit seinem linken Fuß Kreide aufnimmt, zu kritzeln, schreiben, später zu malen beginnt oder aber seine Behinderung sogar mal pffifig ausspielt, sind das Augenblicke, die selbst den autoritären Vater nicht ungerührt und daraufhin stolz seinen Sohn als „echten Brown“ anerkennen lassen.
Zum gefühligen Rührstück wird Mein linker Fuß deswegen trotzdem nicht. Dafür wirkt vor allem das Miteinander der Familie und auch das Verhältnis der Eltern zu wahrhaftig und deutlich wie aus dem Leben selbst gegriffen. Auch geht Sheridan mit seinen Figuren überaus sensibel um und bewahrt selbst den augenscheinlich herrisch aufspielenden Ray McAnally davor, ein bloßes Abziehbild zu sein. Herzstück des Films ist, neben Daniel Day-Lewis natürlich, aber ohnehin die ebenfalls oscarprämierte Brenda Fricker. Grandios verkörpert sie zum einen die treusorgende Glucke, die die immerzu auf der Schwelle zur völligen Armut stehende Famillie am Laufen hält, dabei eine ähnlich verbissene Kämpfernatur ist wie ihr gelähmter Sohn, ebenso aber auch immer wieder von Zweifeln erfüllt wird.
Die feine Figurenzeichung kommt vor allem dann zum Tragen, wenn Christy mit den Jahren immer mehr Eigenschaften von beiden gleichermaßen in sich vereint und mal dazu neigt, im Selbstmitleid zu versinken, nur um daraufhin voller Tatendrang zu sein. So sehr man Jim Sheridan und seinem Co-Autor Shane Connaughton dies aber auch anrechnen kann, umso mehr hapert es dann doch etwas mit der Entwicklung der Erzählung. Und obendrein tappt Mein linker Fuß dabei leider auch etwas in die typische Falle vieler formelhafter Biopics und Buchverfilmungen. So muten einige Ereignisse teilweise doch etwas wie flott hinteinanderweg abgearbeitete Buchkapitel an, denen es an wirklicher Tiefe fehlt. Auch die beschwerliche Lernkurve, die Brown zu meistern hatte, wirkt im Film buchstäblich allzu leichtfüßig und macht aus dem unbeholfen stammelnden Christy überaus zügig einen wortgewandten Hamlet-Liebhaber.
Während ein an für sich besonders prägendes Ereignis, nämlich die Begegnung mit anderen körperlich Beeinträchtigten, ganz ausgespart wird, widmet der Film dem für die Entwicklung essentiellen Verhältnis zu der Ärztin Eileen Cole zu wenig Zeit. Hauptsächlich Day-Lewis' intensivem Spiel ist es zu verdanken, dass eine der späten Schlüsselszenen dennoch funktioniert. Und obwohl Jim Sheridan sich die meiste Zeit auf seinen Protagonisten konzentriert, so ist es doch dieser Moment, wo die Kamera mit einem Mal abrückt von ihm und per Schwenk die Reaktionen der verschämten Restaurantgäste rundherum einfängt. Sheridan geht hierbei zwar klar auf Distanz zum Verhalten des eifersüchtigen Christy, der sich stur mit Whisky einen Kater antrinkt, schlägt aber zugleich auch den Bogen zu dessen Kindheit, die ebenso geprägt ist von Ablehnung, Verlegenheit und platonischer statt romantischer Liebe, nach der er sich letztlich so sehr sehnt.
Zu innerem Frieden und Glück sollte Christy Brown schlussendlich aber dennoch finden, und trotz der Andeutung seiner späten Alkoholsucht endet der Film mit dem Erfolg als geachteter Schriftsteller und Maler sowie seinen schrulligen, aber herzlichen Annäherungsversuchen an die Krankenschwester Mary Carr. Und statt dass einen der Film obligatorisch daran gemahnt, dass ihn der plötzliche Erstickungstod im Jahr 1982 ereilen sollte, weißt uns der Schlusstext darauf hin, wann er seine zukünftige Frau heiratete. So hat Mein linker Fuß schließlich trotz einer bewegenden Geschichte eines Mannes, der Zeit seines Lebens im Sitzen oder Liegen verbrachte und bis zum Schluss seine Hände nicht benutzen oder laufen konnte, etwas ungemein Zupackendes, Lebensbejahendes an sich.
Fazit
"Mein linker Fuß" mag zwar erzählerisch eher auf recht konventionellen Pfaden wandeln und biopictypisch vereinzelte Elemente zu stark verkürzen oder vereinfachen, dennoch gelang Jim Sheridan ein einfühlsames, hoffnungsvolles Drama über einen scheinbar hoffnungslosen Fall, was vor allem schon allein aufgrund der sensationellen Leistung seines alles überragenden Haupdarstellers mehr als nur sehenswert ist.