Inhalt
Kanada, 1930er Jahre. Everett Lewis (Ethan Hawke) lebt als Hausierer zurückgezogen an der Ostküste. Gegen die Einsamkeit und für etwas Ordnung in seiner kleinen Kate entscheidet er sich, eine Haushälterin zu engagieren. Aber auf seine Annonce meldet sich einzig Maud Dowley (Sally Hawkins). Als Kind an rheumatischer Arthritis erkrankt, ist sie sehr zierlich, humpelt und ihre Hände sind verkrüppelt. Maud hat nur einen Wunsch, weg von der Familie, die ihr nichts zutraut, und, sie will malen. Die ersten Ölfarben bekommt sie von Everett geschenkt. Da hat er längst erkannt, dass Maud als Haushälterin nichts taugt. Statt zu putzen bemalt sie lieber Stück für Stück das ganze Haus mit farbenfrohen Bildern. Doch trotz alledem oder gerade deswegen empfindet Everett mehr und mehr für Maud, auch wenn Liebe und zarte Gefühle bisher in seinem Leben nicht vorkamen.
Kritik
Geschichten über einfache Menschen, die sich trotz aller Widerstände aus der Masse hervortun, haben schon immer ihren besonderen Reiz gehabt. Sie schüren die Sehnsucht nach individueller Selbstverwirklichung und wecken die Hoffnung, dass jeder Einzelne über sich hinauswachsen kann, wenn der Wille vorhanden ist. Gerade die Helden, deren Weg ganz unten begann und zu Beginn dem Weg der meisten Menschen glich, finden schnell einen Platz im Herzen des Publikums. Wenn die Heldenfigur außerdem noch einen besonders steinigen Weg zu gehen hat, ist die Sympathie nahezu grenzenlos. Der neue Film der irischen Regisseurin Aisling Walsh trägt den Titel Maudie und erzählt Abschnitte aus der Biografie einer besonders zarten Person, die sich nicht durch äußere Umstände unterkriegen ließ. Maud Lewis ist eine junge Frau, die schon als Kind an einer schweren Form von Arthritis erkrankt ist und im kanadischen Neuschottland lebt. Später erobert sie als Malerin mit ihren Bildern die Welt.
Der von Regisseurin Aisling Walsh und Drehbuchautorin Sherry White behutsam entworfene Film konzentriert sich ganz auf seine beiden Hauptfiguren. Maud Lewis (Sally Hawkins) entflieht den Fängen ihrer unliebsamen Tante und bewirbt sich als Haushälterin bei dem wortkargen Fischhändler Everett Lewis (Ethan Hawke). Ein Landhaus an der kanadischen Küste stellt den intimen Mikrokosmos dar, in dem sich das Leben, die Liebe und die Kunst abspielen. Die körperlich eingeschränkte Maud beweist sich und der Welt, dass sie zu Eigenständigkeit fähig ist und entdeckt die Malerei für sich. Everett reagiert zu Beginn rauh wie der Küstenwind auf diesen Menschen, der ihm so nahekommt, wie vorher wohl kein anderer. Auf engstem Raum treffen die sensible Künstlerseele und das kantige Handwerkergemüt aufeinander. Trotz ihrer extremen charakterlichen Unterschiede verbindet Maud und Everett bald mehr als die Zweckgemeinschaft einer Haushälterin und ihres Arbeitgebers.
In blassen, fragilen Bildern entfaltet der Film die Weltsicht der Künstlerin. Die grobe kanadische Küstenlandschaft und das rustikale Landhaus bekommen in den intensiven, farbenfrohen Malereien von Maud einen vitalen Gegenpol geliefert. Mit ihrem temperamentvollen Wesen und ihrem Sinn für Ästhetik beseelt sie das einsam stehende Haus und den Alltag von Everett. Sally Hawkins vollbringt eine Meisterleistung, indem sie eine unheimlich zerbrechliche und zugleich willensstarke Frau spielt, die über sich hinauswächst. Ihre körperliche Einschränkung gerät nahezu in Vergessenheit, wenn sie selbstbewusst ihren Mitmenschen entgegentritt und mit einem Glanz in den Augen ihre künstlerische Ader entdeckt. Aber auch Ethan Hawke begibt sich mit Herz und Seele in die Figur des markigen Fischhändlers, der das Schweigen und die Stille liebt. In seinen Augen und seiner Mimik scheint der weiche Kern des Mannes durch, der sich in sein Innenleben zurückgezogen hatte – bis plötzlich diese zierliche, mutige Person in seinem Leben auftaucht und alle Gewohnheiten über den Haufen wirft.
Maudie berührt zutiefst, wird aber zu keiner Zeit sentimental. Mit kleinen Gesten und subtilem zwischenmenschlichem Geschehen erzählt der Film von einer Frau, die wie aus dem Nichts große Erfolge erzielt, dabei jedoch niemals ihre Bescheidenheit vergisst. Das Wunderbare an dieser Heldengeschichte ist, dass sie zu großen Taten ermutigt und den Keim der Hoffnung legt, ohne dabei über die Stränge zu schlagen. Maud verkauft zwar auch ein Bild an den Vizepräsidenten Nixon, bleibt aber bei Everett in dem ärmlichen Landhaus und ist glücklich, wenn sie mit ihm zusammen sein und ihre Bilder malen kann. Eine genügsamere Filmheldin findet man selten.
Fazit
Aisling Walsh erzählt in ihrem Film „Maudie“ auf feinfühlige Art und Weise aus dem Leben der schon früh an Arthritis erkrankten Künstlerin Maud Lewis. Aus dem Zusammenspiel von Sally Hawkins und Ethan Hawke entwickelt sich eine derart berührende Dynamik, dass einem das Herz aufgeht. Ein intimes Charakterdrama, das respektvoll mit der realen Biografie von Maud Lewis umgeht und in aller Bescheidenheit die großen Taten einer zarten Person andeutet. Ein graziles Glanzstück in der Filmlandschaft.
Autor: Jonas Göken