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MANK handelt von der konfliktgeladenen Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Orson Welles (Tom Burke) und dem alkoholkranken Gesellschaftskritiker und Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman) während dessen Arbeit am Drehbuch zu „Citizen Kane“ im Hollywood der 1930er Jahre. Ab 4. Dezember 2020 exklusiv auf Netflix.
Kritik
Mank ist eine Herzensangelegenheit, die sich durch Generationen zieht. Alles begann mit dem Filmenthusiasten und Journalist Jack Fincher, der im Ruhestand begann ein Drehbuch zu schreiben. Thema: Die Entstehung des Meisterwerks Citizen Kane. Im Zentrum stand aber nicht Orson Welles, sondern der Autor und Dramatiker Herman J. Mankiewicz, genannt Mank. Als Jack Fincher das Script schrieb war sein Sohn bereits dabei sich mit Werbefilmen und Musikvideo einen Namen als Regisseur zu machen. 2003, im Alter von 73 Jahren, verstarb Jack Fincher, sein Sohn drehte da schon längst keine Commercials mehr. Jacks Sohn wurde zu einem der wichtigsten und besten Filmemacher Hollywoods. Sein Name: David Fincher. Sein neuer Film, sein erster seit sechs langen Jahren, beruht auf dem Drehbuch seines Vaters, welches er gemeinsam mit Forrest Gump-Autor Eric Roth noch poliert hat, den Credit im Vorspann aber allein seinem Vater überließ.
David Fincher hatte lange und hart für die Realisierung von Mank gekämpft, dass der Film nun von Netflix produziert wurde ist nicht sonderlich überraschend. Es gibt viele gute Gründe über Eigenproduktionen von Netflix zu mosern. Viele Filme und Serien wirken wie seelenlose Epigonen von aktuellen Trends, anderen täte eine kreative Kontrolle gut. Doch bei all den Verfehlungen bleibt der Streamingdienst ein artenreiches Biotop für allerlei von Inhalten. Eben auch solche Inhalte, die kein Studio so in die Kinos bringen würde. Ohne Netflix kein The Irishman, kein Roma, kein Mudbound, kein Okja, kein Marriage Story und sehr wahrscheinlich auch kein Mank.
Die Gründe dafür sind simpel: zu anspruchsvoll, zu speziell, zu teuer. Die ersten beiden Gründe dürften mit dafür sorgen, dass der Film von vielen bereits nach kurzer Zeit von der Netflix-Watchlist geworfen wird, denn David Fincher hält nicht viel von Erklärungen. Als Zuschauer wird man, wie von einem schlechten Schwimmlehrer, direkt ins kalte Nass geworfen, das im Falle von Mank das Hollywood zur Zeit des Zweiten Weltkriegs ist. Während in Europa die Bomben fallen, werden in Hollywood Träume fabriziert. Die mächtigen und kreativen Männer dieser Manufaktur heißen Louis B. Mayer, David O. Selznick, Charles Lederer, Marion Davies oder Ben Hecht. Wer jetzt nur mit dem Schultern zuckt, sollte sich daran gewöhnen, dies bei der Sichtung von Mank öfters zu machen. Wer sich hingegen mit der Historie von Hollywood auskennt, wird in David Finchers elften Spielfilm viel Freude finden. Das aber natürlich nicht nur durch diverse Anspielungen.
Mank ist eine durchgängige Verbeugung vor dem Kino der alten Tage. Der Ton hat manchmal Fehler, die schwarz-weißen Bilder sind famos sowie wunderschön und die gute alte Rückprojektionstechnik wird mit nonchalanter Selbstverständlichkeit genutzt. Das Ganze wurde so sensationell inszeniert, dass Mank niemals wie ein Imitat der damaligen Zeit wirkt. Es ist kein Film wie das Grindhouse-Projekt von Quentin Tarantino und Robert Rodriguez. Es geht Fincher nicht darum die Mittel der damaligen Zeit popkulturell auf effektive Art und Weise auszuschlachten! Es geht ihm wirklich darum das Damals für 131 Minuten wieder lebendig zu machen. Das ist ihm mit Bravour gelungen. Wer nach dem Drama nicht die Schönheit von Klarheit von schwarz-weiß Optik zu würdigen weiß, dem nicht mehr zu helfen. Mank ist Kino! Da ist es fast schon ironisch-amüsant, dass der Film exklusiv auf Netflix zu sehen ist (aus der für November 2020 in Deutschland geplante limitierte Kinoauswertung wird ja wegen Covid-19 leider nichts).
Neben dem Äußeren ist auch das Innere klassisch. Die Geschichte von Herman J. Mankiewicz, der mit gebrochenem Bein im Bett einer Ranch liegt und das Script zu Citizen Kane schreibt, dient dabei nur als Aufhänger. In ausgiebigen Rückblenden wird immer deutlicher, wie es sich der einst verehrte Autor und Alkoholiker mit den hohen Tieren Hollywoods verscherzt hat. Gary Oldman verkörpert Mank dabei so wunderbar nuanciert und facettenreich, dass eine Oscar-Nominierung auf ihn warten sollte. Der britische Darsteller nutzt die Bühne, die ihm Fincher bietet, formidabel aus. Mank ist nie ganz Sympathieträger und nie ganz Scheusal. Ein genialistischer Querdenker, der sich diplomatisch einem unfairen System angepasst hat und seine späte Rebellion ist gleichsam Befreiungsschlag sowie Kapitulation.
Die immer größer werdende Auflehnung von Mank gegen die Obrigkeit von Hollywood ist der zentrale Bestandteil des Films. Genau wie David Fincher wusste Herman J. Mankiewicz wie die Mühlen der Traumfabrik mahlen. So sehr die Netflix-Produktion auch (dem alten) Hollywood huldigt, so sehr werden die menschlichen und kommerziellen Makel offen dargelegt. In einer dynamischen Szene erklärt der Chef von MGM Manks jungen Bruder im Schnellschritt, dass es nur einen wahren Star des Studios gibt und das ist das Studio selbst. Am Ende des Marsches steht der große Boss vor seinen Angestellten und erklärt, so als ob er eine Revue anmoderieren würde, dass Entlassungen und Lohnkürzungen bevor stehen.
Mank der Film ist genau wie Mank die Figur. Es ist ein zittriges Wechselspiel aus Huldigung und Anklage, Aufstand und Untergang, geduldigem Narrativ und mitreißendem Chuzpe und jeder Menge Alkohol. Dazu noch bis in die kleinste Rolle glänzend besetzt. Ein Werk für Kenner der Materie, die diesen Film tief in ihr Herz einschließen werden. Danke Finchers, danke Netflix.
Fazit
"Mank" ist eine Liebeserklärung an Hollywood, einhergehend mit einer deutlichen Kritik an das System dahinter. Getragen wird das Ganze von der umwerfenden Inszenierung, dem tollen Script und Hauptdarsteller Gary Oldman. "Mank" ist ein Meisterwerk im schwarz-weißen Glanz. Der beste Film von David Fincher seit "Zodiac - Die Spur des Killers".