Inhalt
Koreas Unterwelt nennt ihn ehrfürchtig den 6-Millionen-Dollar-Mann, denn sein vernarbter gestählter Körper ist mit zahlreichen Stahlseilen zusammengeflickt. Der smarte Yoon ist DIE Kampfmaschine der Seouler Polizei. Für Verhaftungen braucht er weder Kugeln noch Handschellen. Ohne Rücksicht auf Verluste setzt er nur seine Fäuste ein – oder was ihm sonst gerade unter die Finger kommt. Doch den härtesten Kampf trägt er mit seinem bislang unterdrückten Inneren aus: Ausgerechnet der ultracoole Macho sehnt sich danach, eine Frau zu werden. Als er für die teure OP den Dienst quittiert, wittert der skrupellose Bruder eines inhaftierten Bandenchefs die Chance seines Lebens: Er will sich nicht nur gnadenlos an die Spitze der Unterwelt morden, sondern auch den in Geldnöten steckenden Yoon auf seine Seite locken. Zur Sicherheit hat er eine weitere geheime Schwachstelle des nach außen unantastbaren Ex-Cops ausgelotet und sich als Druckmittel gesichert ...
Kritik
Auf den ersten Blick mag „Man on High Heels“ wie der typische koreanische Actionthriller wirken. Da gibt es den im Zweikampf unbesiegbaren und legendären Cop, der mit seiner Vergangenheit ringt und den Job hinschmeißen möchte, zwei konkurrierende Gangsterbrüder, die mit illegalen Geschäften ans große Geld kommen wollen und die fatale Liebesgeschichte, die den Hauptcharakter mit sich selbst zweifeln lässt. Schaut man aber genau hin, dann ist es genau dieser Hauptcharakter und diese Liebesgeschichte, bei der „Man on High Heels“ neues Territorium betritt. Denn nicht nur ist der smarte Yoon homosexuell und weint um einen lang verstorbenen Schulfreund, sondern möchte auch mit allem, was er hat, zu einer Frau werden. Seine Angst bezieht sich so nicht, wie man es kennen mag, vor der Entdeckung böser, innerer Dämonen, sondern vor der weiblichen Seite in ihm, die er vor der Öffentlichkeit verbergen will. Yoon, der in ganz Seoul als der beste Kämpfer aller Zeiten gilt und als solcher schon zur Legende wurde, muss sich daher mit dem inneren Kampf beschäftigen, sein wahres Ich zu verstecken, oder seinen Ruf aufs Spiel zu setzen.
Es ist daher sehr schweres, aber auch sehr interessantes Terrain, auf dem sich „Man on High Heels“ bewegt. Doch all die Zweifel werden im Laufe der Zeit zerstört: Denn „Man on High Heels“ ist nicht nur ein guter Actionfilm, mit starken Darstellern, sondern behandelt das Thema des homosexuellen Hauptdarstellers, der zur Frau werden will, mit viel Feingefühl und passendem, teils extrem komischen Humor, der das Thema aber nie ins Lächerliche zieht. Ein großes Lob verdient dabei Hauptdarsteller Cha Seung-Won ("Blades of Blood"), der die schwierige Gratwanderung zwischen knallhartem Actionheld und zerbrechlicher Verunsicherung gekonnt bewältigt und sowohl äußerst bedrohlich, wie auch äußerst zerbrechlich wirkt. Aber auch der Rest des Casts macht seine Sache gut. Zwar sind viele von ihnen relativ klischeehafte Abziehbilder (wie zum Beispiel der immer wütende und brüllende Polizeichef), fügen sich aber gut in das Gesamtbild des Films ein.
Dass die Asiaten einen Hang zum Pathos haben ist kein Geheimnis und so strotzt auch „Man on High Heels“ vor Klischees und over the top-Momenten. Doch bis auf die extrem kitschigen Flashbacks, die immer wieder eingefügt werden, um dem Charakter von Yoon besser zu durchleuchten, fügt sich auch das pathetische Moment homogen in den Rest ein. Der Hauptantagonist zum Beispiel spielt seinen Charakter zwar total over the top, fällt damit aber nie aus dem Rahmen des Films heraus, wodurch er seine Figur mit der Performance auf jeden Fall zu einem coolen Gegenspieler macht. Letztlich hat die Musik einen großen Anteil daran, ob die klischeehafteren Momente funktionieren, oder nicht, da diese in „Man on High Heels“ oft zwischen super kitschig und super cool hin und her pendelt.
Die Action ist schließlich gewohnt stark und blutig, auch wenn man sich hier und da ein paar komplexere Kampfzüge gewünscht hätte. Zwar fällt den Machern einiges an Verrücktheiten ein (ein Kampf mit Regenschirmen im strömenden Regen zum Beispiel, bei dem Yoon zwar gegen ungefähr zwanzig ausgebildete Hitmen kämpfen muss, aber keinen einzigen Tropfen Wasser abbekommt), dennoch bleiben solche Szenen eher rar gesät, sodass man sie in den zwei Stunden Laufzeit an einer Hand abzählen kann. Das macht aber weit weniger als man zunächst annehmen könnte, denn „Man on High Heels“ erzählt eine durch und durch interessante Charaktergeschichte, die nicht nur absolut überzeugen kann, sondern einen auch wirklich emotional mitnimmt. Yoons Kampf mit sich selbst und der Frage, ob er sein wahres Ich in die Öffentlichkeit tragen kann, ist ebenso gut gelöst, wie auch frisch. „Man on High Heels“ ist so sogar fast mehr ein sehr gelungenes Charakterdrama, als ein wirklicher Actionfilm.
Fazit
Mit „Man on High Heels“ gelingt Regisseur Jin Jang ein überraschend tiefgründiges und emotional packendes Charakterdrama über einen Actionheld, der eigentlich lieber eine Frau sein möchte und mit der inneren Zerrissenheit kämpft, seine Karriere an den Nagel zu hängen, oder sich selbst zu verwirklichen. Mit einer Prise ordentlicher Action, sehr guten Schauspielern und einer gelungenen Inszenierung kann „Man on High Heels“ letztlich auch über manch allzu krassen Kitschmoment hinwegtäuschen.
Autor: Thomas Söcker