Inhalt
Gustav Mahler bekommt einen für seine 20 Jahre jüngere Frau Alma gedachten glühenden Liebesbrief von Walter Gropius in die Hände und ist fürchterlich eifersüchtig. Schwer angeschlagen reist er im Sommer ins holländische Leiden, um sich beim Psychoanalytiker Sigmund Freud das Leid von der Seele zu reden. Doch statt Trost zu spenden, bohrt Freud in der Wunde und zwingt den Freund zur Konfrontation mit unbequemen Wahrheiten.
Kritik
„Die große Frage, die ich trotz meines dreißigjährigen Studiums der weiblichen Seele nicht beantworten kann, ist: was will das Weib eigentlich?“, gestand der reale Freud. Percy und Felix Adlon verwenden besagtes Zitat in ihrem ausufernden Psychodrama nicht. Stattdessen legt das Regie- und Autorenduo dem Publikum seine eigens persönliche Antwort auf den Präsentierteller, wobei selbiger Präsentierteller ein theaterhaftes Setting voller Secession-Pomp ist. Überall Jugendstil, von Stuck und Klimt. Letzter (Manuel Witting) darf sogar kurz vorbeischauen. Da erlagen die Filmemacher wohl der Versuchung, in einem Film über eine derart kunstsinnige Epoche einige namhafte Zeitgenossen paradieren zu lassen. Des Weiteren erscheinen noch Walter Gropius (Friedrich Mücke), Alexander von Zemlinsky (Matthias Stein), Alfred Roller (Michael Rotschopf), Berta Zuckerkandl-Szeps (Johanna Orsini-Rosenberg), Anna von Mildenburg (Nina Berten), Max Burckhard (Max Mayer), Bruno Walter (Michael Dangl) und Carl Moll (Karl Fischer).
Ja, die Versuchung. Mit ihr kämpft der Titelheld quasi leibhaftig. Der Film kehrt den Antisemitismus von Gattin Alma (Barbara Romaner) diskret unter den Teppich und klebt wie die männlichen Figuren an der frenetischen Faschistin. Ihr egomanisches Chargieren soll die Antwort auf Freuds Frage sein. Das Weib will bei den Adlons bewundert werden, und zwar für ihr Genie. Solches attestieren die Filmemacher ausschließlich Männern, was die männlichen Protagonisten vor ein echtes Problem stellt. Die Lösung? Einfach Anerkennung heucheln. Zwar verspotten die Regisseure den Konservativismus des Komponisten, definieren aber paradoxerweise die einzige relevante weibliche Figur über ihre Sexualität. Die „Künstlergattin“ ist das eigentliche Zentrum der Handlung. Der von Johannes Silberschneider als nervöses Musikgenie gespielte Mahler schrumpft neben ihr zum bockigen Nervenbündel. Auf die Couch legen darf er sich trotzdem nicht, das darf keiner. Couchfans werden vom Titel also grausam in die Irre geführt (wo sich die Figuren auch einmal wiederfinden). Freud (Karl Markovics) dient als bloßer Stichwortgeber für ausführliche Seelenexzesse der Mahlers. Der Plot kreist in Anlehnung an Freud um die Frage: Wen will das Weib eigentlich?
Den väterlichen Komponisten Gustav, den jüngeren, aber weniger begabten Zemlinsky, Architekten Gropius, den akkurat vor der Leinwand stehenden anderen Gustav, nämlich Klimt? Den Burgtheaterintendanten Max Burckhard gar? Alle dürfen wie im Laientheater, an welches der Film erinnert, kurz auf die Bühne stolpern und sich vorstellen, damit jeder versteht, dass hier ein historischer Promi auftritt. Der Analytiker und sein Patient sind unterdessen beim Du: „Gustl“ - „Sigi“. Die Lächerlichkeit führte schon vorher Regie. Da liegt der entblößte Mahler christusgleich in Almas Schoß, während Frau und Schwiegermutter ihm mit der Waschschüssel die letzte Ölung spenden. Das Wetter spiegelt unübersehbar die Stimmungen der Figuren. Wiederholt wird der Sturm als Sinnbild innerer Aufruhr beschworen, still ruht der See, wenn das Ehepaar trauert und das Dunkel seiner Seele erkundet Mahler bei Nacht. Dabei strahlt mitunter ein Scheinwerfer vom Filmset durch die Gardine.
Fazit
Das manierierte Gebaren der Figuren wirkt aufgesetzt und ihre hysterischen Spleens drollig bis lachhaft. Das Interesse an Hintergründigkeit fehlt, der Mut zum Affront ebenso. „Das Unbewusste ist viel moralischer als es das Bewusste wahrhaben will“, erkannte Freud. Nach fast zwei Stunden Filmtherapie weiß man das selbst.
Autor: Lida Bach