Inhalt
Als Sohn eines reichen Großbauern im Zillertal scheint der Lebensweg des 18-jährigen Elias (Jakob Mader) vorbestimmt zu sein: Bald schon soll er in die Fußstapfen seines Vaters treten und den Hof der Familie übernehmen. Doch der sensible junge Mann kann die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllen und schlittert in eine schwere Sinnkrise. Um wieder zu Kräften zu gelangen, schickt ihn Elias’ Vater auf eine Auszeit – zunächst auf die Hochalm „Märzengrund“ mitten in den Tiroler Alpen und schließlich noch weiter hinauf, immer höher, bis weit über die Baumgrenze. Hier endlich findet Elias das, wonach er sich unten im Tal immer gesehnt hat: die bedingungslose Freiheit.
Kritik
Die titelgebende Alm, auf die der eremitische Hauptcharakter vier Jahrzehnte lang der Zivilisation entflieht, bis ein Tumorleiden zu seinem unfreiwilligen Rettungstransport ins Tal führt, bleibt in Adrian Goigingers (Hi Fonyód!) zweitem Langfilm abstrakter Sehnsuchtsort. Dessen gleichsam existenzielle und spirituelle Ausstrahlung auf den begüterten Großbauernsohn Elias (jung: Jakob Mader) bleibt ein Mysterium im mehrfachen Sinne. Dort oben ist er der Welt nicht nur fern, sondern näher bei Gott, der verstorbene Mitmenschen wie an einem irdischen Petrus vorüberziehen lässt.
Dieses visionäre Motiv verweist auf die zentrale Schwäche der Story, die paradoxerweise den zwischenmenschlichen Kontakt, dem Elias in jungen Jahren den Rücken kehrt, beständig sucht. Zudem ist die Überhöhung psychosozialer Divergenz als Gottesnarretei eine problematische Instrumentalisierung gesellschaftlicher Stigmatisierung im Dienste einer christlichen Botschaft. Die christliche Metaphorik verstärkt den Kitschfaktor der schwelgerischen Aufnahmen malerischer Berglandschaft, sondern konterkariert die sich aufdrängende Kritik an katholischen Moralmaßstäben. Letzte sind entschiedener Faktor einer gesellschaftlichen Entfremdung, die sich nie vollends erschließt.
Warum sich der verschlossene Protagonist nicht der Gegenkultur der 68er zuwendet oder sein Vermögen zur freien Lebensgestaltung verwendet, kann auch Johannes Krischs (Freud) intensive Darstellung des alten Elias nicht enthüllen. Die psychologische Leerstelle steht paradigmatisch für die biografischen Auslassungen der Adaption Felix Mitterers (Andreas Hofer: Die Freiheit des Adlers) gleichnamigen Bühnenstücks. Selbiges basiert auf der realen Figur des Simon Wildauer, für den die Berge wohl auch ein Schutzort waren: vor einer drohenden Internierung in Innsbrucks berüchtigter Irrenanstalt, die nur flüchtig Erwähnung findet.
Fazit
Seine faszinierendsten Themen streift Adrian Goigingers ambitioniertes Aussteiger-Drama nur: psychiatrische Diagnostik als Instrument der Bestrafung individuellen Aufbegehrens gegen ein christliches Moralpatriarchat; Stigmatisierung physischer Reaktion auf toxische Lebensumstände als „psychische Erkrankung“; die (Un)Möglichkeit einer vollständigen Loslösung von sozialen Kontakten. Während sich die Inszenierung auf ländliche Milieustudie und Familienpathologie konzentriert, bleibt der Hauptcharakter letztlich ein Rätsel. Dennoch besticht die Theateradaption durch hervorragende Besetzung, erhabene Gebirgskulissen und aufrichtige Empathie für einen Protagonisten buchstäblich außerhalb des Sozialgefüges.
Autor: Lida Bach