Inhalt
Der tibetanische Mönch Lama Norbu glaubt, in dem achtjährigen Amerikaner Jesse die Reinkarnation seines Lehrmeisters gefunden zu haben. Er reist nach Seattle, um ihm von den Lehren Buddhas zu berichten. Er erzählt dem Jungen die Geschichte Siddhartas, der vor 2.500 Jahren allen Luxus und Reichtum aufgab und auf dem Höhepunkt seines asketischen Daseins zu Buddha wurde. Norbu überredet Jesses Eltern, ihr Kind in ein Kloster nach Buthan zu schicken, wo es einer Prüfung unterzogen werden soll.
Kritik
"Die ganze Welt scheint zu träumen."
Mit dem durchaus gelungenen Auftakt seiner exotischen Trilogie, dem neunfach Oscar-prämierten Monumentalfilm Der letzte Kaiser, konnte Bernardo Bertolucci (Der letzte Tango in Paris) Filmgeschichte schreiben und sich als Auteur präsentieren, dessen Begeisterung für fremde Kulturen nicht nur auf dem ausweidenden Drang basiert, gefälliges Ausstellungskino zu kreieren, sondern auch die ernsthafte Reflexion über die der westlichen Gesellschaft weitestgehend unbekannten Bräuche und Rituale umfasst. Himmel über der Wüste setzte das inoffizielle Triptychon so erhaben wie hochklassig fort, erforschte die Wüste als archaische Projektionsfläche innerseelischer Beschaffenheit, fand aber, anders als die drei Jahre zuvor entstandene Puyi-Biographie, in erster Linie bei einem eher Arthaus-orientierten Publikum Anklang. Mit dem Abschluss dieses thematisch durchaus verknüpften Dreiteilers, Little Buddha, wurde Bertolucci das Privileg zuteil, die Berlinale im Jahre 1994 zu eröffnen.
Wo Der letzte Kaiser und Himmel über der Wüste aber filmtechnisch zu überzeugen wusste, weil sie nicht nur sensorisch erfahrbar waren, sondern auch den Intellekt des Zuschauers stimulierten, fällt Little Buddha vollkommen aus der Reihe. Mit der Geschichte um den schwerkranken Lama Norbu (Ying Ruocheng, Marco Polo), der nach Seattle reist, um die Reinkarnation des Siddhartha Gautama, dem Begründer des Buddhismus, zu finden, hätte Bernardo Bertolucci nun die Chance gehabt, einen Diskurs über die lebensweltlichen Auffassung zwei verschiedener Geistesleben anzustimmen. Im achtjährigen Jesse (Alex Wiesendanger, Der Nussknacker) findet Lama Norbu dann einen möglichen Kandidaten, in dem der indische Sagenprinz (Keanu Reeves, John Wick) seine Wiedergeburt vollstreckt haben könnte. Von diesem Punkt aus aber wird kein Gewissenskonflikt entworfen, der über das Glauben und Nicht-Glauben hinausgeht, sondern einzig das beschränkte Romantisieren ausgekostet.
Little Buddha verbleibt über seine üppige Laufzeit von 140 Minuten durchweg dem verklärenden Status eines gefälligen Bilderbogens treu. Die Aufnahmen in Seattle sind steril und von einem plump-dominanten Blaufilter überstülpt, das historische Indien hingegen erstrahlt, wie auch das heutige Bhutan, farbtrunken im märchenhaften Glanz. Natürlich hat diese idiotensichere Farbdramaturgie Methode, ist Little Buddha als mythenbehangene Vorspiegelung der Statuten einer Weltreligion darauf versessen, den im Buddhismus unbewanderten Zuschauer zu missionieren: Bernardo Bertolucci leistet hier Überzeugungsarbeit, aber vollbringt es zu keiner Zeit, der buddhistischen Lehrtradition Tiefe zu verleihen respektive Ambivalenzen abzuringen. Stattdessen verhaftet sich der Film tumben Glückskeksweisheiten und bleibt, wie auch das Süßgebäck, vor allem eine hohle Angelegenheit. Mögen die Breitwandbilder zum Teil wirklich imposant erscheinen, ist Little Buddha letztlich nicht mehr als ein artifizieller Bekehrungsversuch.
Fazit
Der Abschluss von Bernardo Bertoluccis exotischer Trilogie enttäuscht auf ganzer Linie: Anstatt einen packenden, ambivalenten Diskurs über die Geistesleben zweier vollkommen unterschiedlicher Kulturen zu formulieren, gefällt sich "Little Buddha" durchweg im Propagieren von Glückskeksweisheiten. Dass hier darüber hinaus auch noch ein vollkommen lebloser, grobstofflicher Bekehrungsversuch unternommen wird, erklärt "Little Buddha" erst recht für gescheitert. Immerhin sind die farbtrunkenen Breitbandbilder zum Teil schön anzusehen.
Autor: Pascal Reis