Inhalt
Kurt (Til Schweiger) und Lena (Franziska Machens) ziehen gemeinsam in ein altes, renovierungsbedürftiges Haus außerhalb der Stadt, um näher bei Kurts sechsjährigem Sohn, dem kleinen Kurt (Levi Wolter), und Exfrau Jana (Jasmin Gerat) zu sein. Doch bevor ihr Patchwork-Familienglück so richtig beginnen kann, kommt der kleine Kurt bei einem Unfall ums Leben – und lässt drei Erwachsene zurück, die nicht wissen, wie sie mit diesem tragischen Verlust weiterleben sollen. Während der große Kurt sich völlig zurückzieht und - wenn überhaupt - fast nur noch mit Kurtis Mutter spricht, versucht Lena, gefangen zwischen ihrer eigenen Trauer und dem Wunsch Kurt zu trösten, ihre Rolle in dieser nicht mehr existenten Familie zu finden. Mithilfe ihrer Erinnerungen an die schönsten, komischsten und bedeutendsten Momente mit ihrem Kind versuchen die drei Erwachsenen – Jeder für sich und alle gemeinsam – auf ihre eigene Art und Weise mit der neuen Situation umzugehen.
Kritik
Es war einmal ein junger (naja, auch schon bald 30, aber da er sich heute noch wie 25 gibt…) Schauspieler namens Tilmann Valentin Schweiger aus dem schönen Freibug, der Anfang der 1990er Jahre mit der Rolle des Ruhrpott-Brolls Berti in Manta, Manta erstmals der breiten Masse bekannt wurde. Wenige Jahre später wurde er durch die Hauptrollen in Erfolgsfilmen wie Der bewegte Mann, Männerpension oder Knockin‘ On Heaven’s Door zum kommerziell erfolgreichsten deutschen Darsteller. Es folgten sogar kleine Rollen in internationalen Produktionen, obwohl sich schon früh herauskristallisiert hatte, dass Til Schweiger nicht gerade ein besonders begnadeter oder gar wandelbarer Darsteller war. Dafür war sein Erfolg durchaus beachtlich und normalerweise könnte man in seiner Position damit äußerst zufrieden sein, aber der Til, der war zu Höherem berufen. Als Produzent, Regisseur und Drehbuchautor war er sporadisch schon seit den späten 90ern aktiv, aber so richtig Fahrt als Allround-Filmemacher nahm er 2005 mit Barfuss auf, der von Publikum und (sogar noch) Kritik recht positiv aufgenommen wurde. 2007 folgte dann schließlich Keinohrhasen und damit hatte unser Til seine Erfolgsformel gefunden, die er seitdem unermüdlich wiederholt.
Dass Herr Schweiger seit diesem Film keine regulären Pressevorstellungen zulässt, da er sich vom bösen, missgünstigen und neidischen Feuilleton gemobbt fühlt, ist bezeichnend für die sonderbare Parallel-Welt, die sich der einst akzeptable, da schlicht nicht störende Mime seitdem aufgebaut hat. In der er auf fundierte Kritik beleidigt und patzig reagiert und sich selbst auf ein Podest gehoben wird, dass leider oft genug mit kommerziellen Erfolg auch noch gestützt wird. Dabei war Keinohrhasen gar nicht mal so schlimm. Beileibe kein guter Film, nicht mal in der Nähe davon, aber für sich genommen ist der zu verkraften. Das Fatale an ihm, ist das Prinzip des schweigerischen Filmemachens, für das er die Blaupause darstellte und durch seinen Erfolg dem Schöpfer eine Qualität und Wertigkeit suggerierte, die tatsächlich nie vorhanden war. Es wurde immer schlimmer und schlimmer, vorerst gekrönt von dem ekelhaft-scheinheiligen Demenz-Schmierentheater Honig im Kopf. Das sich verständnis- und liebevoll im Umgang mit daran erkrankten Menschen verkaufen wollte, in Wahrheit aber zwischen Da-macht-der-wirre-Oppa-Quatsch-Sketchen und verlogen-weltfremden Rührseligkeiten hin und her wechselte. Da hat sich Til Schweiger endgültig in der Blase verrannt, dass ihm die Filmwelt zu Füßen liegt (wie gut so was anderswo ankommt, hat ja das eigene Remake Head Full of Honey eindrucksvoll bewiesen). Und über die unsäglichen Midlifecrisis-Machwerke Klassentreffen 1.0 – Die unglaubliche Reise der Silberrücken & Die Hochzeit verlieren wir an dieser Stelle lieber keine Worte, sonst kommen wir nie mehr zum eigentlichen Grund dieser Zeilen.
Mit Lieber Kurt versucht sich Til Schweiger nach Honig im Kopf wieder an einer grundsätzlich ernsten Thematik - diesmal sogar augenscheinlich wirklich. Die Adaption des 2019 erschienen Romans Kurt von Sarah Kuttner handelt von dem plötzlichen Tod eines 6jährigen und wie sehr dies das Leben der getrenntlebenden Eltern (Til Schweiger & Jasmin Gerat, Gott, du kannst ein Arsch sein!), aber auch der neuen Lebensgefährtin des Vaters (Franziska Machens, Der Menschenfeind) beeinflusst. Und wie geht das ein Til Schweiger an? Es dauert keine vier Minuten und man sieht schon seinen nackten Hintern, beim „Einbumsen“ des neuen Eigenheims. Okay, zu dem Zeitpunkt ist ja noch nichts Tragisches passiert und es kann noch ohne schlechtes Gewissen mit dem üblichen Stil verfahren werden. Soll heißen es gibt glattgeleckte Bilder wie aus einem Werbespot für Vollwaschmittel, dudelnde Dauerbeschallung auf der Tonspur, zweideutige Flachwitze zum - je nach Zielgruppe - beschämt ins Prosecco-Glas oder die Capri-Sonne prusten („Wir sind im Verkehr stecken geblieben“) und dem ewig vitalen & potenten Mitfünfziger mit dem 25 Jahre jüngeren Begattungsobjekt, dessen lallendes Nuscheln immer so klingt, als hätte er leicht einen sitzen. Schweiger voll in seinem Element. Dazu etwas niedliches Altkluggescheiße eines Kindes, Business as Usual.
Nach gut einer halben Stunde soll sich das aber dramatisch ändern – sollte man annehmen. An der Bildsprache änderst sich freilich nichts, nur jetzt sind halt alle immer traurig und verzweifelt und die Musik wechselt von heiter zu melancholisch, wenn auch genau so penetrant und belästigend wie zuvor. Da das Repertoire aus dem Fips-Asmussen-Archiv aber noch nicht gänzlich verschossen ist, gibt es immer mal wieder Rückblenden in unbeschwerte Zeiten. In denen der kleine Kurt vor versammelter Mannschaft neben den altersentsprechenden Furz-und-Kacka-Sprüchen auch einige frivole Schenkelklopfer zum Besten gibt, die im Hause Schweiger offenbar aus dem Mund eines 6jährigen nicht nur möglich (als wenn die so was verstehen würden), sondern nur umso lustiger sind. Was sich übrigens ebenso durch seine Filme zieht, darum wundert das kaum noch. Das ist nicht nur schwer peinlich und unnötig, sondern in diesem Falle auch noch extrem selbstschädigend. Denn nicht nur aufgrund der Thematik hätte Lieber Kurt ein ganz interessanter, mindestens brauchbarer, Film werden können. Was macht der Tod eines Kindes nicht nur mit den Eltern, sondern in wie weit entfremdet er auch eine an sich glückliche Beziehung? Da gibt es für sich genommen sogar Szenen, die im Normalfall gar nicht schlecht wären. Wenn sie denn nicht in Grund und Boden inszeniert wären und entweder zerschnitten, überdramatisiert oder unzureichend gespielt wären. Im Idealfall auch alles auf einmal.
Es gibt in dem Film keinen Moment, der (höchstens) 20 Sekunden ohne Schnitt auskommt und in über 2 Stunden gibt es mit Sicherheit keine 5 Minuten (nicht am Stück, insgesamt) ohne Hintergrundmusik. Weil Schweiger gar nicht weiß, wie man Filme anders inszenieren kann und einem eine Intention nicht nur grob einprügelt. Das ist quasi der Gegenentwurf zu jedem Film von Michael Haneke (Liebe). Das ist immerhin ein Stückweit weniger unangenehm als seine letzten, anmaßenden Unverschämtheiten, da man ihm hier wenigstens den Versuch eines ernsten Films an manchen Stellen abnehmen kann. Was natürlich postwendend wieder ad absurdum geführt wird, wenn es durch den üblichen Humor versucht wird „aufzulockern“. Aber das kann er vermutlich (inzwischen) gar nicht mehr besser. Da muss man schon mit dem erkennbaren Anliegen zwar nicht zufrieden sein, aber minimal schuldmindern ins Gericht gehen. Als Lichtblicke können noch Franziska Machens und vor allem Peter Simonischek (Nur Gott kann mich richten) gesehen werden, die nichts für das Drumherum können und durch ihre Darstellung erkennen lassen, dass sich nicht alles an einem Schweiger-Film schlecht sein muss. Der Rest ist mal wieder hart am Unzumutbaren. Mal gucken, mit was uns der Breisgau-Bertolucci demnächst auf den Wecker fällt. Gedropped wurde hier ja schon mal „Kugelschreibär“. Würde es verwundern?
Fazit
Schrecklich, was Til Schweiger einem hier wieder vorsetzt. Wie er so eine Thematik mit den für ihn üblichen Mitteln wieder verhunzt und auch noch meint, er selbst könnte so eine auf dem Papier fordernde Rolle auch noch selbst überzeugend spielen. Da sich unter dieser desaströsen Selbstüberschätzung irgendwo eine eindeutig interessante Geschichte versteckt, ein paar Szenen anders inszeniert wirken könnten und den meisten Darstellern kein echter Vorwurf zu machen ist, gibt es hier einen Gnadenpunkt. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass einige andere Schweiger-Filme der letzten Jahre tatsächlich noch deutlich schlimmer waren. Unter normalen Bedingungen kaum zu glauben.
Autor: Jacko Kunze