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Schwarz-weiß-Thriller von Hitchcock aus dem Jahre 1934 (noch in der britischen Schaffenszeit, bevor er nach Hollywood ging), von dem er 1956 selbst ein Remake schuf.
Kritik
Aller Anfang ist schwer. Dass selbst ein späterer Meisterregisseur wie Alfred Hitchcock (Das Fenster zum Hof) nicht einfach so vom Himmel fällt, beweisen einige Filme aus seinem Frühwerk. Zwischen unterdurchschnittlichen Auftragsarbeiten und einigen schlichtweg uninteressanten Projekten finden sich aber auch frühe Höhepunkte, allen voran der meisterhafte Stummfilm Der Mieter oder der erste britische Tonfilm Erpressung. 1934 war diese sprunghafte Zeit jedoch vorbei. Mit Der Mann, der zuviel wusste veröffentlichte der Master of Suspense den kommerziell erfolgreichsten Film seiner englischen Schaffensperiode. Die Anerkennung von Zuschauer und Kritiker kommt jedoch nicht unbegründet, besticht die Produktion doch durch zahlreiche typische Elemente und wirft bereits einen weiten Schatten auf eine große Karriere voraus. Auch deswegen wird der Film oftmals als erster richtiger Hitchcock bezeichnet.
Der Film beginnt in St. Moritz, stellt uns die Eheleute Bob (Leslie Banks) und Jill Lawrence (Edna Best), sowie deren Tochter Betty (Nova Pilbeam) vor und lässt die Situation alsbald eskalieren. Ein flüchtiger Bekannter wird ermordet, offenbart den beiden daraufhin geheime Informationen und im Umkehrschluss wird ihre Tochter von der beschuldigten Verbrecherbande entführt. Was dann folgt ist der flott inszenierte Versuch den Status Quo wiederherzustellen. Über 75 Minuten läuft das durchgehend flüssig und mit einer ordentlichen Portion Spannung, wirklich hingeben kann man sich dem Film dennoch nie. Dafür wirkt er zu kantig und auch ein Stück weit zu gleichgültig.
Darstellerisch sticht hier vor allem Peter Lorre (M – Eine Stadt sucht einen Mörder) hervor, der mit diesem Film sein englischsprachiges Debüt gab. Der Sprache war er daher noch nicht sonderlich mächtig und so musste er seine Dialogzeilen kurzerhand nach Gehör auswendig lernen. Seiner Leistung tut das jedoch keinen Abbruch und durch seine eigensinnige Präsenz mimt er den rigorosen Kriminellen gekonnt. Eingebettet in das Konstrukt einer Sekte verleiht das nicht nur dem Anführer, sondern der kompletten Organisation eine mysteriöse Bedrohlichkeit. Und auch wenn man die lebensbedrohliche Gefahr der Bob und seine Tochter Betty ausgesetzt sind dem Film nicht komplett abnimmt, so schafft es der Finale Showdown doch dezente Spannung zu generieren.
Natürlich ist Der Mann, der zuviel wusste auch eindeutig ein Produkt der damaligen Zeit. 1934 hatte sich der Tonfilm bereits flächendeckend durchgesetzt und im Vergleich zu den ersten Gehversuchen der neuartigen Technik konnte man bereits komplexere Ideen umsetzen. Daher wirkt es weniger überraschend, dass der geplante Mord im Mittelpunkt des Films während einer orchestralen Aufführung stattfindet und dann durch ein weiteres auditives Element, einem Schrei, verhindert werden kann. Im Kontext des neuartigen Tonfilms sind das natürlich schöne Ideen, von einem modernen Standpunkt betrachtet aber maximal eine nette Spielerei. Gewissermaßen trifft das auf den kompletten Film zu, der zwar durchaus funktioniert, für heutige Sehgewohnheiten aber unter einigen Problemen leidet.
Fazit
Der erfolgreichste Film den Alfred Hitchcock in England gedreht hat besticht durch ein angenehmes Tempo und einige gute Ideen, die auch in späteren Werken des Meisters Anwendung finden. Dennoch kann sich „Der Mann, der zuviel wusste“ nicht ganz aus der Masse ordentlicher Thriller abheben und so sorgen kleinere Probleme für einen nicht ganz runden Film.
Autor: Dominic Hochholzer