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Mit seiner ersten Dogma-95-Produktion bricht der dänische Regisseur Lars von Trier in völlig neue filmische Regionen auf. Mit einer Mischung aus Homevideo und Dokumentation stellt er eine Gruppe junger Leute vor, die es sich zum Ziel gemacht haben, ihre "inneren Idioten" kennen zu lernen und dabei nicht nur an äußere sondern auch an eigene Grenzen stoßen.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Lars von Trier hat sich schon vieles gefallen und anhören müssen, über den Lauf seiner Karriere hinweg, die relativ schnell relativ steil abging. Rassist, Neo-Nazi, Frauenhasser, Menschenhasser, Alleshasser, Unmensch, persona non grata. Herr von Trier macht Menschen mit seinen Filmen für gewöhnlich Angst, weil sie nicht nur über Geschmacksgrenzen hinaus gehen, sondern deren Legitimation keines Blickes würdigen. Wenn ein Mensch etwas denken kann, dann ist es nicht Tabu. Warum auch, schließlich lernt man doch nur den wahren Wert von Gedanken, Taten und Ideen erst, wenn man diese offen ausbreitet und untersucht. Durch das Verstecken, Unterdrücken und Vermeiden hat sich noch nie Fortschritt generiert, wurde noch nie ein Ziel erreicht. Lars von Trier weiß das und ist gewillt, ehrlicher mit den Menschen und sich selbst zu sein, als der Kinogänger gewohnt zu sein scheint.

Nachdem der dänische Filmemacher 1996 das extrem emotionale Drama „Breaking The Waves“ inszenierte und Emily Watson („Everest“) die Filmwelt den Atem anhalten ließ, folgte er seinem Kollegen Thomas Vinterberg („Das Fest“) und verschrieb sich der Dogma95-Bewegung. „Idioten“ ist das erste Produkt, das aus diesem Karriereschritt hervorging. Und ehrlich gesagt ist das auch der perfekte Zug und ergibt großen Sinn, wenn man sich den Hintergrund des Filmes ein wenig vor Augen hält. Die Dogma-Bewegung hatte bekannterweise das Ziel, den Film auf seine reinste Form runterzubrechen. Keine Musik, keine Dollys oder Krane, nur die nötigste Ausrüstung und die Wahrheit vor der Linse. Dementsprechend rau ist „Idioten“ letztendlich geworden; das Mikrofon hängt immer mal wieder von oben ins Bild, manchmal ist gar der zweite Kameramann zu sehen, wie er seine neue Position einnimmt. Der Sex ist grafisch und nicht simuliert.

Von Trier erzählt eine Geschichte über die Suche nach Reinheit, der Suche nach Liebe und steckt diese Suche, diese Abkehr vom „Normalen“, vom Altmodischen, vom scheinbar Eingerosteten in ein Gewand der angeblichen Geschmacklosigkeit. Eine Suche, der auch das Manifest der Dogma-Bewegung zu Grunde liegt. Wenn das nicht passt. Das ist der Einklang von Form und Inhalt in der Stufe höchster Vollendung. Wie es sich für von Trier gehört, werden hier einmal mehr die Sehgewohnheiten des Publikums in den Dreck geschmissen - verärgertes Publikum in Cannes war die Folge. Doch aus der Befremdlichkeit, daraus, dass der Zuschauer sich fragt, ob er die Gaudi nun wirklich bis zum Ende durchstehen muss, oder ob der „Aus“-Knopf in bequemer Nähe greifbar ist, daraus zieht der Film seine Kraft. Er bringt den Zuschauer in eine Position absoluter Schwäche, um verstärkt aus ihr hervorzukommen.

Bis der Zuschauer sich aber aus der Asche erheben kann, muss er erst einmal zur Asche verpulvert werden. Lang ist der Weg und beschwerlich, der hinaus ins Licht führt aus der Hölle. Dem ersten Teil kann man so zustimmen, „Idioten“ als Hölle zu betiteln wäre jedoch zu weit gegriffen. Der Film zeigt Menschen, die sich als geistig Behinderte ausgeben, um die Gesellschaft auszuspielen, Lücken auszunutzen, Spaß zu haben, das reine Leben genießen zu können. „Er ist ein glücklicher Idiot, weil er ein glücklicher Mensch ist.“ Die Stellung der Wörter Idiot und Mensch ist hier entscheidend, zeugt sie doch von einem Wissen des Unperfekten im menschlichen Wesen. Die Idioten, also die Menschen die sich als Behinderte ausgeben, sind auf einmal die Menschen, die dem inneren Kern des Menschen näher sind, als der Zuschauer, der sich von den gezeigten Menschen angewidert abwenden will - und sich selbst damit hintergeht.

Aber sind die Figuren denn gemeint, mit der titelgebenden Verunglimpfung? Sind es doch die Zuschauer oder, ganz böse, gar die geistig Behinderten, die hier diffamiert werden? Die Menschen, die sich den Werken Lars von Triers verweigern und sich selbst einer tieferen Wahrheitsfindung verschließen, die könnten das wohl denken. Wahrscheinlich sind alle Fragen mit „ja“ zu beantworten, jedoch mit dem Unterschied, dass die Antwort gar nicht angreifend gemeint ist. Ein jeder hat schwarze, schlechte, negative Teile in sich. Sobald man sie nicht anerkennt, ignoriert und einschließt, gefährdet man die eigene Menschlichkeit. „Idioten“ ist damit ein Film, der oft als menschenverachtend abgetan wird - und dem damit ein riesiges Unrecht passiert. Aber das wäre ja weder das erste noch das letzte Mal in der Karriere des Lars von Trier. Der wird schließlich auch als Frauenhasser bezeichnet, sobald er einer Frau das Recht auf Selbstbestimmung gewährt.

Fazit

Mit „Idioten“ hat Lars von Trier ein tiefgreifendes Sozialdrama inszeniert, das auch gleichzeitig seine erste Arbeit unter der Dogma95-Flagge darstellt. Während allein schon die Prämisse (verständlicherweise) auf Ablehnung stoßen wird, sollte man nicht vorschnell urteilen und dem Film auf jeden Fall die Chance geben, den Zuschauer von sich zu überzeugen. Der Film ist in seinem Inneren tatsächlich das Gegenteil von dem, was der Zuschauer zunächst von ihm hält - und darin liegt seine Kraft, seine Aussage, sein Sinn. Bis das deutlich wird, nutzt der Film überaus dunklen, ja fast schon slapstickartigen Humor, der sich teils über die Figuren, viel mehr aber über den Zuschauer lustig macht. Zudem lässt er das Publikum immer wieder auflaufen, mit den Erwartungen und Vorstellungen, die sich als peinlich und mitunter menschenfeindlich offenbaren. Ein weit vorausschauendes Meisterwerk, in dem Lars von Trier sich selbst seelisch entblößt, einen Dogma-Film par excellence abliefert und zugleich das Publikum zur reinen Ehrlichkeit zwingt.

Kritik: Levin Günther

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