Inhalt
Die Lenders haben Untermieter, von dessen Existenz sie nichts ahnen: die nur zehn Zentimeter großen, menschenscheuen Borger. Nur deren Sprößling Ariette streift öfter neugierig durch die Wohnung - und wird eines Tages prompt entdeckt. Wider Erwarten erweist sich Menschensohn Pete jedoch als freundliches Wesen, und die beiden werden beste Freunde. Als der fiese Anwalt Ocious Potter die Lenders mit gemeinen Tricks aus ihrem Zuhause ekelt, beschließen die Borger, ihren ehemaligen Mitbewohnern zu helfen.
Kritik
Unerklärliches geht im Hause Lender vor. Andauernd nämlich verschwinden Sachen: Streichhölzer, Kugelschreiber, die Christbaumbeleuchtung, Batterien und der Knopf, den man gerade erst ans Hemd angenäht hat. Die von Peter Hewitt (Bill & Ted's verrückte Reise in die Zukunft) inszenierte Adaption des Romans von Mary Norton (Die Borger, 1952) gibt uns bereits nach wenigen Minuten die Antwort darauf, wohin es die verschiedenen Haushaltsgegenstände verschlagen hat: In einen Kosmos, der sich direkt unter unseren Füßen befinden. In den Kosmos der Borger nämlich. Eine Gattung winziger Menschen, quasi der Sagenwelt der Heinzelmännchen entsprungen, deren Devise das Borgen und nicht das Stehlen ist. Da die Borger und die Menschen in der Vergangenheit nicht unbedingt auf einen vertrauten Nenner gekommen sind, sind die Borger gezwungen, lautlos im Schatten zu leben.
Was noch heute durchaus an Ein Fall für die Borger begeistert, ist seine nicht wesentlich überholte Tricktechnik. Die Spezialeffekte, die der gleichen Methodik wie im 1980er Jahre Klassiker Liebling, ich haben die Kinder geschrumpft entspringen, schränken die immersive Wirkung des Films zu keiner Zeit ein. Stattdessen bereitet die Gegenüberstellung von Mikro- und Makrokosmos immer noch viel Freude und spielt ihre größte Stärke in den Momenten aus, in denen beide Welten kollidieren. Da begibt sich der Kopf der Borger-Familie, Pod Clock (Jim Broadbent, Legend of Tarzan) auf eine Erkundungstour durch die Küche der Lenders, die aus der Sicht des Winzlings wie ein überdimensionaler Abenteuerspielplatz wirkt – oder eben wie ein fremder Planet, den man niemals auf eigene Faust erschließen wird. Zu weitläufig, zu verwinkelt, zu bedrohlich.
Ein Fall für die Borger folgt einer typischen Moralvorstellung des Kinder- respektive Familienfilms. Natürlich müssen sich die 'phantastischen Wesen' mit einem Kind (in diesem Fall gespielt von Bradley Pierce, Jumanji) zusammenschließen, da die Erwachsenen hier entweder an den Seitenrand gedrängt werden (so wie die Eltern von Pete) oder in der Form einer gigantischen Antagonistenkarikatur auftreten (John Goodman, The Big Lebowski). Allerdings funktioniert diese transparente Gut-und-Böse-Dialektik in Ein Fall für die Borger durchaus, da John Goodman ein Vollblutschauspieler ist, der, wie gewohnt, in der Rolle des durchtriebenen Anwalts Ocious P. Potter ganz und gar aufgeht. Der Kampf zweier Familien um den Erhalt ihrer Existenz bleibt letztlich eine harmlose, aber durchaus kreative Hetzjagd, der das gewisse Etwas zwar fehlt, die aber mit dem Gefangensein im Inneren einer Milchflasche eine neue klaustrophobische Horrorvorstellung geschaffen hat.
Fazit
Nettes, familientaugliches Märchen, in dem sich Winzlinge (die Borger, die nicht stehlen, sondern nur borgen) zum ersten Mal mit einem Menschen zusammentun müssen, um den durchtriebenen John Goodman das Handwerk zu legen. Tricktechnisch ist "Ein Fall für die Borger" auch heute noch gut anzusehen, das Pacing stimmt; und doch fehlt dem Film das gewisse Etwas.
Autor: Pascal Reis