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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

In einem prunkvollen Barockschloss begegnet ein Mann einer Frau und erzählt ihr, sie hätten vor einem Jahr eine Affäre miteinander gehabt und diese Zusammenkunft verabredet, um gemeinsam ein neues Leben zu beginnen. Obwohl die Frau, die sich in Begleitung eines anderen Mannes befindet, sich ernsthaft bemüht, kann sie sich an das angebliche Liebesverhältnis und das Versprechen nicht erinnern. Das hindert sie jedoch nicht daran, den Schauplatz zusammen mit dem geheimnisvollen Fremden zu verlassen.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Schon der Titel dieses Films ist womöglich eine einzige Lüge, mindestens aber eine unzuverlässige Behauptung, die es skeptisch zu hinterfragen gilt. Alain Resnais‘ Letztes Jahr in Marienbad beginnt mit der Erzählstimme eines Mannes, die sich außerhalb des Bildes über Minuten hinweg wiederholt. Es sind die Schilderungen eines endlos Reisenden, der sich durch die Korridore, Hallen und Galerien eines prachtvoll eingerichteten Hotels bewegt. Die Stimme bleibt zunächst isoliert, ohne dazugehörigen Körper, während die Kamera im dämmerschlafähnlichen Zustand durch die beschriebenen Räumlichkeiten gleitet. Die barocke Architektur zeugt von einem wunderschönen Bauwerk, das aus dem 17. oder 18. Jahrhundert stammen könnte, wobei der namenlose Erzähler davon berichtet, schon oft durch dieses gegangen zu sein. Die Monotonie, die in dessen Stimme liegt, entwickelt sich zu einem hypnotischen Sog, genauso wie der Regisseur mit seinem Film das offensichtliche Ziel verfolgt, den Betrachter zu hypnotisieren. 

Kurz darauf ist der Mann zu sehen, der sich zwischen zahlreichen anderen Person, die ebenfalls anonym bleiben, durch das Hotel bewegt. Das Ziel seiner ruhelos wirkenden Wanderungen ist eine hübsche Frau, die der Mann in ein Gespräch verwickelt. Er versichert ihr, dass sie sich genau ein Jahr zuvor schon einmal begegnet sind, an genau diesem Ort. Ihre Begegnung soll etwas ausgelöst haben, gemeinsam seien sie durch den Schlossgarten gewandert, hätten sich einander angenähert, bis die Frau gar beschlossen habe, ihren Mann für ihn zu verlassen. Verblieben wären sie mit damit, sich ein Jahr später an demselben Ort wiederzutreffen. Die Frau begegnet dem Mann hingegen wie einen Fremden und will sich an nichts davon erinnern, was er ihr immer wieder im Detail zu schildern vermag. 

Den Rahmen des inhaltlich Greifbaren hat Letztes Jahr in Marienbad während diesen Szenen längst verlassen. Resnais, der für das Werk ein Drehbuch von Alain Robbe-Grillet verfilmt hat, nimmt dieses Szenario lediglich als Aufhänger für ein meditatives Traumspiel, in dem sämtliche Gegensätze, das Erträumte und das Traumhafte, das Konkrete und das Angedeutete, das Vergangene und das Gegenwärtige, das Geschehene und das Ersehnte, in einem surrealen Filmrätsel verschwimmen. Verschiedene Zeit- und Bewusstseinsebenen zerkleinert der Regisseur in schimmernde Puzzleteile, die sich zu gleichen scheinen und sich trotzdem niemals zu einem Ganzen zusammensetzen lassen. Die Bilder, die der Film zeigt, und die dazugehörigen Worte des Mannes, die der Zuschauer hört, treiben in ihrer angeblichen Zusammengehörigkeit regelmäßig auseinander und öffnen eine Kluft zwischen Wahrhaftigkeit und Lüge, in der Resnais‘ Film hervorragt. 

Manchmal sind es daher nur die markdurchdringenden Klänge einer Orgel, die annähernd eine lineare Konstante ergeben und wie ein schauriger Taktstock durch dieses irritierende Mysterium führen. Hinter meterhohen Mauern der Klarheit und dichten Verschleierungen des Verständlichen, zwischen denen sich Figuren verbergen, die inmitten der edlen Räume oftmals selbst wie lebloses Interieur erscheinen, ist die Liebe, die der Erzähler offenbar erneut erwecken oder gar erzwingen möchte, nur noch als blasser Wunsch spürbar. Neben den wiederkehrenden Bildern von Spiegeln, in denen Figuren als Dopplung ihrer selbst erscheinen oder multiple Abspaltungen der eigenen Persönlichkeit enthüllen, verliert sich auch Letztes Jahr in Marienbad in der labyrinthischen Struktur des eigenen filmischen Daseins unentwegt selbst. Vage Anzeichen des Abgründigen, eine Pistole, von der die Frau erschossen wird, oder das gleißende Licht eines weißen Scheins, der das Bild mehrfach erhellt und dabei auch einmal das verängstigte Gesicht der Frau, deuten körperliche Brutalität und sexuelle Gewalt an, die Drehbuchautor Robbe-Grillet erst in seinen späteren eigenen Regiearbeiten wie L'éden et après explizit ausformulieren sollte. 

In Resnais‘ Film bleiben diese kurzen Anflüge jedoch nichts weiter als Interpretationsmöglichkeiten in einem an Interpretationsmöglichkeiten ungemein reichen Werk. Beschreibt Letztes Jahr in Marienbad eine Art Fegefeuer, in dem die verstorbenen Seelen des Mannes und der Frau noch einmal aufeinandertreffen sollen und sich doch stets verpassen? Eine Affäre, in der Eifersucht zum Mord führt? Eine Vergewaltigung, die als Trauma aufgearbeitet werden soll? Eine Erinnerung, die falsch gedeutet wird und an der Wahrheit vorbeiführt? Jede Möglichkeit der Deutung erhält ihre Berechtigung, doch am Ende ist dieser kühle und zugleich formvollendete Traum in Filmform allem voran eine Reise in das avantgardistische, surreale Konstrukt eines Kinos, in dem Anfang und Ende kreisartig an verschiedenen verschlossenen Türen vorbeiführen, deren äußere Gestaltung der Betrachter frustriert bestaunt.

Fazit

„Letztes Jahr in Marienbad“ wird wohl auf ewig eines der rätselhaftesten, unlösbaren Mysterien der Filmgeschichte bleiben. Alain Resnais‘ surreal-avantgardistisches Drama beschreibt die Begegnung zwischen einem Mann und einer Frau, die sich ebenso wie der Film selbst in den unzähligen Ebenen zwischen Realität, Traum, Vergangenheit, Gegenwart und Imagination verlieren. In hypnotisierenden, formschönen Einstellungen und unterlegt von eindringlichen Orgelklängen inszeniert der Regisseur sein Werk als faszinierendes Traumspiel, in dem das vollständige Ignorieren herkömmlicher Erzählmuster auf gleichermaßen frustrierende wie anregende Weise unzählige Interpretationsmöglichkeiten eröffnet. Am Ende liegt es am Zuschauer, den Gang durch die labyrinthischen Räumlichkeiten des Films selbst anzutreten und sich von den Mysterien entführen zu lassen.

Kritik: Patrick Reinbott

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