Inhalt
Der Türke Gabriel, der Serbe Bobby und der Grieche Costa sind seit ihrer Kindheit unzertrennliche Freunde und bildeten eine Jugend-Gang. Eines Tages wird Gabriel verhaftet. Als er aus dem Gefängnis kommt, nimmt er einen Job als Taxifahrer an, während Bobby und Costa immer tiefer in den Strudel der Kriminalität gezogen werden. Bei einem Waffendeal für den albanischen Mafia-Paten Muhamer wird Bobby getötet. Costa ist fest entschlossen, seinen Freund zu rächen. Davon kann ihn auch der besonnene Gabriel nicht abhalten...
Kritik
Dass Fatih Akin (Gegen die Wand) ein Genre-Aficionado ist, weiß man spätestens seit Der goldene Handschuh, der den Horrorfilm mit ekelhafter Unbeirrbarkeit zurück in die deutsche Kinolandschaft getrieben hat. Es hätte allerdings schon gereicht, sich den Debütfilm des Sohnes türkischer Einwanderer zu Gemüte zu führen. Kurz und schmerzlos nämlich scheint nicht nur an der Energie eines La Haine - Hass geschult zu sein, sondern zollt auch einem Martin Scorsese (GoodFellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia) oder Francis Ford Coppola (Der Pate) Tribut. Denn, wie könnte es anders sein, auch Kurz und schmerzlos beginnt auf einer Hochzeit, die gewissermaßen die Weichen für den weiteren Verlauf der Handlung stellt - vor allem visuell: Wo die grellen Farben des türkischen Banketts zu Anfang alles dominieren, führt die Reise letztlich in die Dunkelheit.
Beeindruckend, damals noch mehr als heute, ist der Umstand, wie Fatih Akin von kulturellen Begegnungen, Ritualen und Traditionen spricht, ohne diesen Aspekt plakativ als sozialkritisches Engagement in den Fokus zu rücken. Kurz und schmerzlos möchte kein Problemkino im eigentlichen, unattraktiven Sinne darstellen, sondern in erster Linie als Thriller funktionieren - und das tut er. Die Vorbilder, wie gesagt, liegen auf der Hand (auch an Hexenkessel mit Robert De Niro und Harvey Keitel fühlt man sich erinnert), Fatih Akin aber gelingt es, die Zitate nicht bloß auszustellen, sondern sie in einem explizit bundesdeutschen Kontext zu setzen, wenn er ein fast in Vergessenheit geratenes Hamburg als Setting benutzt. Das kiezige Lokalkolorit gibt der Geschichte eine eigene Färbung, lässt sie, auch wenn sie eigentlich universell ist, hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt wirken.
Wie es oftmals bei Debütwerken zu beobachten ist, wirkt auch Kurz und schmerzlos bisweilen etwas ungelenk, wenn er seine Story in Bewegung bringen möchte, gerade in Verbindung mit harten Schnitten und schnellen Kameraschwenks. Fatih Akin, den es hier irgendwann in durchaus sehr stimmungsvollen Aufnahmen in die schummrigen Hinterhöfe Altonas zieht, beweist hier bereits etwas, was ihn später in Filmen wie Gegen die Wand, Auf der anderen Seite oder auch Tschick auszeichnen sollte: Die Nähe zu seinen Charakteren. Dadurch, dass Akin ein ausgesprochenes Gespür für die Befindlichkeiten respektive Lebenswelten seiner Protagonisten besitzt, eignet sich Kurz und schmerzlos eine einnehmende, durch die starken Schauspielleistungen gar pulsierende Authentizität an, die das Ungestüme, Wilde und Wütende der Inszenierung auf ein ehrliches Maß an angenehm-unverstellter Charakter-Aufrichtigkeit bettet.
Fazit
Ein neuer Martin Scorsese sollte Fatih Akin nicht werden, aber hier hat - wie wir heute wissen - einer der besten Regisseure des Landes die große Bühne betreten. Und das, ja, bereits gekonnt. Vor allem beweist "Kurz und schmerzlos", dass Akin ein außerordentliches Gespür für kulturelle Identitäten respektive Traditionen besitzt, ohne dieser aber krampfhaft-plakativ in den Fokus zu rücken. Ein guter, ungestümer, überzeugend gespielter Thriller, direkt im Herzen Altonas angesiedelt. Sehenswert.
Autor: Pascal Reis